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- AZ 17/2023
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Gesundheitspolitik
Anschub aus Bayern
Bayerischer Pharmagipfel: Kritik am ALBVVG, Keynote der ABDA-Präsidentin
In Bayern hat man traditionell ein offenes Ohr gegenüber Pharmathemen – bereits seit 2014 gibt es den Bayerischen Pharmagipfel, bei dem sich Politik und Unternehmen zu den jeweils brennenden Themen für die Branche austauschen. Derzeit sind das in erster Linie die anhaltenden Lieferengpässe. Sie waren der Anlass, dass Holetschek im vergangenen November eine Task-Force mit Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft, aus Pharma-Unternehmen und Großhandel sowie den Krankenkassen ins Leben rief. Schon vor Weihnachten verständigte man sich auf Sofortmaßnahmen, um die Engpass-Situation zumindest ein wenig zu entspannen. Im März veröffentlichten die Beteiligten – zu denen auch die Bayerische Landesapothekerkammer und der Apothekerverband gehören – sodann eine Gemeinsame Erklärung, die vier Handlungsfelder beschreibt, in denen der Bund und die EU tätig werden sollen, um Liefer- und Versorgungsengpässen entgegenzuwirken.
Um sich mit ihren Forderungen Gehör in der Bundespolitik zu schaffen, fand vergangene Woche der Bayerische Pharmagipfel in der Bayerischen Landesvertretung in Berlin statt. Hier wurde auch eine weitere Erklärung vorgestellt, die sich mit den Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes befasst. Denn das bereits wirkende Spargesetz und das geplante „Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG) müssen auch zusammen betrachtet werden. Holetschek erklärte dazu: „Um die Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, brauchen wir Forschung und Entwicklung genauso wie Produktion in Deutschland und Europa! Dafür müssen wir die Attraktivität des Pharmastandortes Deutschland stärken – deshalb darf die Preisspirale für innovative Arzneimittel nicht weiter nach unten gehen.“
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening schilderte in einem Impulsreferat unter dem Titel „Quo vadis Arzneimittelversorgung“ eindrücklich die gegenwärtige Situation in den Apotheken. Sie lieferte dem Publikum anschauliche Beispiele, wie die Lieferengpässe sich konkret auf den Alltag in den Apotheken auswirken, und erläuterte, wie dort tagtäglich dafür gekämpft werde, die Versorgung der Patienten sicherzustellen. Die Ursachen für die Engpässe seien vielfältig – teilweise seien es „tief verankerte Schieflagen“, die zur jetzigen Situation geführt hätten. Sie erinnerte an die zahlreichen Sparinstrumente, die das Preisniveau seit Jahren drücken. Spätestens aus der Valsartan-Krise hätte man lernen müssen, dass die Konzentration auf wenige Wirkstoffhersteller in Asien gefährlich sei. Nötig seien daher Anreize, wieder in Europa zu produzieren. Es sei gut, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Ende vergangenen Jahres erkannt habe, dass die Ökonomisierung im Gesundheitswesen zu weit getrieben wurde. Doch warum der ALBVVG-Entwurf so lange gebraucht habe, ist für Overwiening nicht verständlich – zumal er qualitativ und inhaltlich nicht geeignet sei, die Krisensituation aufzulösen. Auch wenn es lobenswerte Ansätze gebe – letztlich seien sie doch unzureichend. Warum etwa sollten die neuen Bedingungen für Rabattverträge nur für Antibiotika gelten? „Wir brauchen einen Umbruch im System“, forderte die ABDA-Präsidentin. „Wenn wir eine sichere Versorgung wollen, müssen wir auch mehr ausgeben wollen.“
Overwiening betonte auch, dass die Apotheken deshalb „mit unfassbarer Kraft“ um die erleichterten Abgaberegeln im Fall von Engpässen kämpften, weil sie die Patienten versorgen wollen – und nicht, weil sie selbst es bequemer haben wollen. Um ihre Expertise einsetzen zu können, bräuchten sie diese Beinfreiheit – aber auch eine wirtschaftliche Basis. Die bislang im ALBVVG vorgesehenen 50 Cent seien „unverfroren, eine Frechheit“, betonte sie erneut – gerade vor dem Hintergrund, dass Apotheken schon seit Langem unterfinanziert seien. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sei in dieser Situation ein Kardinalfehler gewesen und habe einen ganzen Berufsstand demoralisiert.
Kritik am Rückzug der Krankenkassen
Die Hoffnung hat die ABDA-Präsidentin natürlich nicht aufgegeben: Ausdrücklich dankte sie der Bayerischen Landesregierung für ihre Initiative, alle Beteiligten zusammenzubringen, einen Dialog zu führen und Lösungen zu finden. Das ist aus ihrer Sicht auch eine Blaupause für das weitere Vorgehen. „Nur im Miteinander wird es gelingen, die Gesundheitsversorgung dauerhaft auf einem guten Niveau zu sichern.“ Nicht als einzige bei der Veranstaltung kritisierte Overwiening jedoch ausdrücklich die Krankenkassen. Sie waren zwar bei der Task-Force dabei – als es dann aber um die konkreten Empfehlungen ging, zogen sie sich zurück. |
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