Wirtschaft

Haftpflichtversicherung für Apotheken

Welche Risiken Sie unbedingt abdecken sollten

Eine Haftpflichtversicherung kann im Falle eines Falles die letzte Brandmauer vor dem finanziellen Ruin einer Apo­theke sein. Doch nicht jede am Markt erhältliche Version ist apothekengerecht. Im Gegenteil: Die meisten sind zu knapp bemessen und blenden wichtige apothekenspezifische Risiken aus.

Bekanntermaßen haften Apothekeninhaber für Fehler im Arbeitsalltag – auch für die des Personals – mit ihrem Privatvermögen. Um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, sind in einer Betriebshaftpflichtversicherung für Apotheken daher Fehler des Inhabers wie auch der Mitarbeiter abgedeckt. Dies ist der übliche versicherte Personenkreis in nahezu allen gewerblichen Haftpflichtversicherungen.

Der Zweck einer Haftpflichtversicherung besteht darin, Ansprüche Dritter a) der Sache nach zu prüfen, b) bei Eintrittspflicht die Ansprüche zu befriedigen und c) unberech­tigte Forderungen abzuwehren. Dazu übernimmt der Versicherer die Federführung und die Apo­theke hat dann ab Schadenmeldung dessen volle Unterstützung. Werden gegen eine Apotheke aufgrund dort aufgetretener Mängel Forderungen geltend gemacht, sollte der Apothekeninhaber jeg­lichen Schriftwechsel um­gehend an seine Versicherung weiterleiten und dieser die Be­arbeitung überlassen.

Das Ablehnen unberechtigter Ansprüche ist zwar ausgesprochen wichtig, aber vielen Versicherungskunden gar nicht bekannt. Denn tatsächlich erfüllt die Haftpflichtversicherung hier eine passive Rechtsschutzfunktion, indem ein Dissens notfalls auch gerichtlich geklärt wird. Diese Aufgabe der Haftpflichtversicherung findet sich in § 100 Versicherungsvertrags­gesetz und auch in den allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Wenn Deckung nicht zur Haftung passt

Allerdings erfüllt die Haftpflichtversicherung ihre Aufgaben nur im vertraglich vereinbarten Rahmen. Grundsätzlich gilt: Alle Apothekenmitarbeiter müssen in allen beruflichen Belangen unter den Schutz der Police fallen, was bei angestellten Mitarbeitern unproblematisch ist. Sollen in den Versicherungsschutz aber Personen eingeschlossen werden, die nicht zum Apothekenpersonal gehören, muss der Versicherungsschutz individuell geprüft werden. Bei löchrigen Konzepten greift der Versicherungsschutz also möglicherweise nicht in jedem Einzelfall. Darum sollte eine Apotheken-Haftpflicht grundsätzlich breiter gestaltet sein als eine reine Berufshaftpflicht. Weitere Stichworte hier: Umwelt-, Feuer- und Cyber-Haftung oder das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG).

Zudem müssen die Deckungssummen zum Risiko passen. In den 1960er- bis 1990er-Jahren ging man von zwei bis drei Mio. Euro aus. Um den Jahrtausendwechsel empfahlen Experten fünf Mio. Euro und heute sollten Apotheken aufgrund neuer Risiken wie DSGVO, Impfen etc. über Deckungssummen ab zehn Mio. Euro verfügen. Alles darunter birgt Risiken, die das Privatvermögen belasten könnten.

Haftung aus Gesetz, Vertrag sowie bei Vorsatz

Natürlich möchten Versicherer die zu tragenden Risiken exakt kennen, weshalb viele Policen nur auf die gesetzliche Haftung beschränkt sind. Dann bleiben Haftungsrisiken aus vertraglichen Vereinbarungen außen vor, was angesichts der Fülle vertraglicher Risiken für Apotheken keine Option sein darf – ein Blick auf Heimbelieferungen macht das glasklar. Eine apothekengerechte Absicherung muss also, zumindest eingeschränkt, auch Versicherungsschutz für übliche vertragliche Abreden bieten.

Wer absichtlich einen Schaden verursacht, der kann auf den Schutz keiner Versicherung zählen. Apothekengerechte Versicherungen sollten in diesem Punkt allerdings eine Ausnahme machen. Nämlich wenn ein Apothekenmitarbeiter ohne Wissen des Inhabers einen Schaden vorsätzlich verursacht. Sicher ein seltener Fall, aber dann ein möglicherweise existenzbedrohender. Deshalb sollte eine apo­thekengerechte Versicherung den Apothekeninhaber auch in solchen Fällen schadlos halten. Und auch das Auseinzeln sollte von der Haftpflicht gedeckt sein, da es notwendigerweise täglich in Apotheken praktiziert wird.

Streitthema Arzneimittel­gesetz

„Häufige“ Herstellung hin, „Hunderterregelung“ her … Es ist sinnlos, darüber zu philosophieren, wo genau die Grenze zwischen Betriebshaftpflicht und Herstellerhaftpflicht nach Arzneimittelgesetz – also der Arzneimittelgesetz(AMG)-Deckung – verläuft. Denn das entscheidet allemal im Zweifel ein Gericht. Damit können Apotheken in den Bereich des AMG-Schutzes geraten, ohne es zu bemerken. Doch nur Apotheken, die deckungsvorsorgepflich­tige Arzneimittel herstellen, brauchen volle AMG-Deckung; für alle anderen Apotheken ist das über­dimensioniert, hier reicht eine sogenannte AMG-Vorsorgedeckung, die hinreichend Schutz für den Fall bietet, dass ein Richter im Einzelfall eine AMG-Pflichtigkeit feststellt. Für diesen seltenen, dann jedoch superteuren Fall ist dann eine AMG-Police vorzeigbar – und exakt darauf kommt es an.

Haftpflichtversicherung – grenzenlos

Auslandsniederlassungen deutscher Apotheken gibt es nicht, weshalb den Inhabern von nicht speziell geschulten Beratern leider viel zu oft Haftungsschutz für die Bundesrepublik oder Europa angeboten wird. Doch der reicht für keine Apotheke aus, denn jede hat Kunden, die auf Fernreisen gehen. Nimmt ein solcher Kunde ein abgegebenes Medikament am Urlaubsort ein und erleidet eine Schädigung, stünde die Apotheke unter Umständen ohne Versicherungsschutz da. Denn – Achtung –für die Haftpflicht kann, je nach vertraglich vereinbarter Schadenfalldefinition, die Einnahme des Medikamentes als Schadenfall gelten, nicht das Datum der Abgabe. Und solche – ebenfalls seltenen – Schäden können je nach Land und geltender Rechtsordnung exorbitante Haftungssummen nach sich ziehen. Apotheken sollten daher weltweite Haftpflicht­deckung zeichnen.

Foto: benjaminnolte/AdobeStock

Der Teufel steckt im Detail! Haben Sie eine Umweltschadenversicherung für öffentlich-rechtliche Ansprüche nach dem Umweltschadengesetz?

Auch Umweltrisiken abdecken

Brennt eine Apotheke aus, können Medikamentenrückstände und Chemikalien sowohl die Luft wie auch das Löschwasser kontaminieren und dadurch das unmittelbare Apotheken-Umfeld sowie Erdreich und Grundwasser schädigen. Weiträumige Absperrungen sowie sehr kostenintensive Sanierungsmaßnahmen sind dann regelmäßige Folgen. Deshalb braucht jede Apotheke eine hinreichende Umwelthaftpflicht-Deckung sowie eine Feuerhaftung – letztere ersetzt dann die schadenbedingten Kosten umliegender Betriebe, Geschäfte und Privatpersonen. Einfache Frage zur Verdeutlichung: Wie hoch wäre die Rechnung, wenn ein Feuer in einer Apotheke den Flugverkehr, Bahnverkehr oder ein Einkaufszentrum für einen Tag lahmlegen würde? Diesen Teil seines Haftpflichtschutzes sollte deshalb jeder Inhaber sicherheitshalber überprüfen.

Doch das Wort „Haftpflicht“ birgt ein weiteres verstecktes Großrisiko. Denn Haftpflichten decken bekanntlich nur Schäden Dritter ab. Aber kontaminiertes Löschwasser läuft ja notgedrungen erst Mal über das Apothekengrundstück, bis es fremden Boden erreicht.

Neben der Umwelthaftpflicht benötigen Apotheken daher auch eine Umweltschadenversicherung, die in die Betriebshaftpflicht eingeschlossen wird. Denn nur die übernimmt öffentlich-rechtliche Ansprüche für Schäden nach dem seit 2007 geltenden Umweltschadengesetz auf eigenen, gemieteten oder fremden Grundstücken. Versicherte Kosten können beispielsweise die Wiederansiedlung von Fischen in einem durch Löschwasser kontaminierten Weiher sein oder der Austausch belasteten Erdreichs und eine Grundwassersanierung auf dem eigenen Grundstück.

Da die Umweltschadenversicherung aus drei aufeinander auf­bauenden „Bausteinen“ besteht, sollten Apotheker darauf achten, den Basisschutz und die beiden Erweiterungsbausteine vereinbart zu haben.

Der vorstehende Absatz zur Umwelthaftung zeigt die Komplexität eines wirklich apothekengerechten Versicherungsschutzes auf. Gleichzeitig ist dieser auch Seismograf für die Qualität von Ver­sicherungsberatern: Wenn Sie über das Großrisiko Umwelthaftung nicht ausdrücklich auf­geklärt wurden, dürfte es auch sonst am apothekenrelevanten Risikowissen fehlen.

Deshalb gehört Apothekenabsicherung in Expertenhand. Denn das Zimmern eines sicheren Haftpflichtdaches für Apotheken ist alles andere als trivial. Aber die meisten Konzepte im Markt gehen nicht auf apothekenspezifische Risiken ein – einfach deshalb, weil Ver­sicherer Policen für größere Zielgruppen erstellen, wie z. B. Handwerk, Handel oder Gesundheits­berufe. Nur ganz wenige orientieren sich am Apothekenbedarf – und so eine sollte sich jeder Inhaber im eigenen Interesse gönnen. |

Peter Grimm, Haftpflichtunderwriter (DVA), zert. Berater Heilwesen (IHK), info@priass.de

Literaturtipp

Richtig abgesichert?

Ein Wasserschaden im Labor, ein vergessener Elefantenfuß im Kommissionierer oder gar eine pandemiebedingte Schließung der Apotheke kann drastische Folgen für den Betrieb haben.

Informieren Sie sich, welche Versicherungen Sie unbedingt brauchen, und erfahren Sie,

  • wie Sie eine Unterversicherung vermeiden,
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Das Buch ist als Stichwort-Nachschlagewerk konzipiert. Mehr Apothekensicherheit auf im Schnitt nur vier Seiten. Es wird kurz erklärt, worauf es ankommt, plus eine einfache Checkliste, mit der Sie Ihre Absicherungslage ganz gezielt prüfen können. Fragen Sie dann Ihren Versicherungsberater dazu. Sollten Sie danach Zweifel irgendwelcher Art haben, gehen Sie den Dingen auf den Grund. Denn die Policen entscheiden im Schadenfall womöglich über Ihre berufliche Existenz.

Von Michael Jeinsen / Heiko Beckert
Versicherungen für Apotheken
Richtig absichern – Fehler vermeiden

2021, XIV, 194 S., 9 farb. Abb., 3 s/w Tab., 
17,0 × 24,0 cm, kartoniert
Deutscher Apotheker Verlag
ISBN 978-3-7692-7629-9

 

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