Gesundheitspolitik

Apothekerin vor Gericht

ks | Im Herbst 2019 führte ver­sehentlich in einer Apotheke verunreinigte Glucose zum Tod einer Schwangeren. Im Juni startet in Köln der Strafprozess.

Es ist ein tragischer Fall, der vor rund dreieinhalb Jahren Schlagzeilen machte und auch Apotheker verunsicherte. Sein Ausgangspunkt ist die Heilig Geist-Apotheke in Köln-Longerich. In dieser wurden an zwei Frauen mit Lidocainhydrochlorid verunreinigte Glucose-Mischungen zur Herstellung von Glucosetoleranztests bei Schwangeren abgegeben – in einem Fall mit tödlichen Folgen.

Eine Kundin hatte in der Frauenarztpraxis wegen des bitteren Geschmacks nur einen Schluck der toxischen Lösung getrunken – sie erholte sich nach einer stationären Aufnahme rasch von der Lidocainvergiftung. Die andere Frau hatte hingegen zwei Tage später in derselben Praxis die Lösung ganz ausgetrunken. Sie wurde bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert, wo sie reanimiert werden musste. Gleichzeitig wurde mit einem Notkaiserschnitt ihr Kind zur Welt gebracht – es starb am darauffolgenden Tag, entweder an seiner Frühgeburtlichkeit oder an einer Lidocainvergiftung. Die Mutter starb noch am Nachmittag des gleichen Tages an der Vergiftung.

Anklageerhebung im Sommer 2020

Wie konnte es dazu kommen? Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelte den Sachverhalt und erhob im August 2020 Anklage. Darin wirft sie der Apothekerin zwei Taten vor. Begonnen hat es auch aus Sicht der Behörde mit einem Versehen. So soll die Angeklagte dem ersten Tatvorwurf zufolge durch Fahrlässigkeit den Tod beziehungsweise die Körperverletzung der zwei Apothekenkundinnen verursacht haben. Sie habe „unbewusst durch eine sorgfaltswidrige Verwechselung von Standgefäßen“ Glucose-Monohydrat mit Lidocainhydrochlorid verunreinigt – und eben dieses sei später als Glucoseabfüllung in der Apotheke an Kundinnen ausgegeben worden.

Versuchter Mord durch Unterlassen?

Was das weitere Vorgehen der Apothekerin mit Blick auf die beiden Todesfälle betrifft, wirft die Staatsanwaltschaft dieser sogar Mord durch Unterlassen vor. Die Behörde geht davon aus, dass die Apothekerin nach Hinweisen aus der Arztpraxis und dem Krankenhaus auf die Vorfälle sowie nach einer Kontrolle der eigenen Bestände und einer Besprechung mit ihren Mitarbeitern hätte wissen müssen, dass eine Lidocainvergiftung als Ursache für den schlechten Gesundheitszustand der Frau in Betracht komme. Dennoch habe sie pflichtwidrig eine entsprechende Mitteilung an das behandelnde Krankenhaus unterlassen. Dies habe verhindert, dass die später Verstorbenen vergiftungsspezifisch hätten behandelt werden können – was die Rettungschancen erhöht hätte. Allerdings: Gänzlich überzeugt war die Staatsanwaltschaft nicht, dass eine Rettung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ möglich gewesen wäre. Daher lautet die Anklage auch nur „versuchter Mord“. Als sogenanntes Mordmerkmal, das eine Tötung zum „Mord“ macht, sehen die Ermittler eine „Verdeckungs­absicht“ gegeben. Die Apothekerin habe so gehandelt, um die im Raum stehenden Fahrlässigkeitsdelikte zu verdecken. Den Tod habe sie dabei zumindest „billigend in Kauf genommen“.

Hinreichender Tatverdacht

Wie das Landgericht Köln nun mitteilte, hat die für das Verfahren zuständige Kammer „nach besonders sorgfältiger und intensiver Prüfung“ Ende April das Hauptverfahren eröffnet und beide Tatvorwürfe zur Hauptverhandlung zugelassen. In ihrem Eröffnungsbeschluss stellt sie aber auch klar, dass wegen des Tatvorwurfs des versuchten Mordes „ein hinreichender Tatverdacht nach der Aktenlage noch zu be­jahen“ ist. Ein „hinreichender Tatverdacht“ ist für die Eröffnung des Hauptverfahrens für jeden Tatvorwurf erforderlich – er bedeutet, dass das Gericht nach Aktenlage von einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit (größer 50 Prozent) ausgeht. Der Hinweis des Gerichts ist so zu verstehen, dass dieser Verdachtsgrad hier gerade noch erreicht wird.

Verteidigung weist Vorwürfe zurück

Die Freiburger Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen hat die Verteidigung der Apothekerin übernommen. Rechtsanwalt Morton Douglas hatte im September 2020 gegenüber der DAZ erklärt, dass die Staatsanwaltschaft weder habe ermitteln können, wie die Glucose verunreinigt werden konnte, noch wer dafür verantwortlich sei. Vor allem den Mordvorwurf wies er entschieden zurück. Die Apothekerin habe unmittelbar, nachdem sie am 19. September 2019 vom Zusammenbruch des Opfers erfahren hatte, das Glucose-Gefäß an die Klinik ausgehändigt. Douglas zeigte sich überzeugt, dass sich die Unschuld der Apothekerin im Verfahren erweisen werde. Aktuell will er den anstehenden Prozessauftakt nicht kommentieren.

21 Verhandlungstage angesetzt

Bislang hat die Kammer 21 Hauptverhandlungstage angesetzt. Los geht der Prozess am 15. Juni. In dem Verfahren werden zahlreiche Zeugen und Sachverständige zu hören sein. Das Gericht weist nochmals ausdrücklich darauf hin: Für die Angeklagte gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. |

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