Gesundheitspolitik

Englische Apotheker sollen verschreiben

Ziel ist Entlastung der Arztpraxen / Hohe Investitionen in Ausbau der Dienstleistungen

gg | Ein vom englischen Premierminister Rishi Sunak vergan­genen Dienstag vorgestelltes Reform­konzept sieht vor, dass Apotheker Rezepte über verschreibungspflichtige Arzneimittel aus­stellen dürfen. Damit sollen die Hausarztpraxen entlastet werden.

Hals- oder Ohrenschmerzen, Sinusitis, unkomplizierte Harnwegs­infekte bei Frauen, Impetigo, Gürtelrose sowie infizierte Insektenstiche: Zu diesen sieben Indikationen beraten Apotheker regelmäßig im Rahmen der Selbstmedikation. Das nun veröffentlichte Reformkonzept für das Gesundheits­system National Health Service England sieht jedoch vor, dass Apotheker in diesen Indikationen künftig auch Rezepte über verschreibungspflichtige Arzneimittel ausstellen dürfen – ohne mit einem Arzt Rücksprache zu halten.

Mit der Reform soll insbesondere der Mangel an Hausärzten angegangen werden, der vielen Engländern derzeit lange Wartezeiten und zahllose unbeantwortete Anrufe in Praxen beschert. Da man in den vergangenen Jahren z. B. durch das Angebot von Impfungen in Apo­theken gute Erfahrungen gemacht habe, wolle man die klinischen Kompetenzen der Apothekenteams nun noch besser nutzen. Dass dies zusätzliche Finanzierung benötige, sei bekannt: Bis zu 645 Millionen britische Pfund (umgerechnet etwa 740 Millionen Euro) wolle man in den kommenden beiden Jahren für den Ausbau der apothekerlichen Dienstleistungen investieren.

Zusätzlich zu der Verschreibungsbefugnis in den oben genannten Indikationen sollen Apotheken künftig unterstützt werden, noch mehr Blutdruckmessungen anzubieten. Die Rationale dahinter: Eine gute Blutdruckkontrolle reduziere die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle und spare somit erhebliche Kosten ein. Weiterhin laufen derzeit Pilotprojekte, die die Abgabe von oralen Kontrazeptiva in Apotheken ohne einen Arztkontakt ermöglichen. Auch dieses Angebot soll ausgebaut werden.

Weitere Aspekte des Konzepts beinhalten eine Erweiterung digitaler Dienste sowie die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Patienten, aber auch ein „Mehr“ an Personal und ein „Weniger“ an Bürokratie.

Kritiker bemängeln, dass das Konzept den Ärztemangel nicht aus­reichend ursächlich bekämpfe. Weiterhin befürchten sie, dass nicht alle Apotheken über ausreichend Personal, Räumlichkeiten und Ausrüstung verfügen, um die neuen Aufgaben tatsächlich umzusetzen. Schlimmstenfalls würden Patienten so nur noch öfter von Anlaufstelle zu Anlaufstelle geschickt, ohne tatsächlich versorgt zu werden. Aus der Ärzteschaft gab es für die Kompetenzerweiterung der Apotheker jedoch Zustimmung.

Premierminister Rishi Sunak hofft unterdes, die Reform bereits in diesem Winter umzusetzen. Zuvor solle noch eine Konsultation mit der Industrie stattfinden. Von seiner Reform verspricht sich Sunak, dessen Mutter selbst Apothekerin ist, 15 Millionen eingesparte Arztkontakte in den kommenden beiden Jahren. Ganze 10 Millionen davon sollen die erweiterten Kompetenzen der Apothekerschaft einsparen. |

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