Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Telepharmazie als Teil der digitalen Transformation

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Man kann der Telepharmazie kritisch gegenüberstehen, da sie den Kunden zunächst nicht in die Offizin bringt, gleichwohl war und ist es während und in der ausklingenden Phase der Pandemie ein probates Mittel, Kunden an die Apotheke zu binden. Und einschlägige Experten sind sich sicher, wenn sich nicht die Apothekerschaft in Telepharmazie verdingt, werden es andere Unternehmen tun, die den sich bietenden Spielraum zu nutzen versuchen. Die Telepharmazie wird nun in einer Situation diskutiert, in der sich Vorbestellplattformen, E-Rezept-Versuche, Versandangebote mit entsprechendem Botendienst sukzessive etablieren und in anderen Lebensbereichen Zoom- oder MS-Teams-Konferenzen sowie digitale Treffpunkte derart salonfähig geworden sind, dass es fast schon als fahrlässig zu beschreiben ist, wenn dieses Feld nicht bespielt bzw. besetzt würde.

Dabei bietet die Telepharmazie einen bunten Strauß an Anwendungsmöglichkeiten. Natürlich können indikationsbezogene Selbstmedikation, Wund-, Stoma-, Inkontinenz-, Reise-, Impf- und Ernährungsberatung darüber abgewickelt oder auch kleinere Verletzungen visualisiert und thematisiert werden. Der Katalog lässt sich um den Austausch mit Fachkollegen, das Angebot von Seminaren, die barrierefreie Hilfe bei der Nutzung von Hilfsmitteln – im Übrigen außerhalb eines vielleicht für manchen Patienten eher pein­lichen, da doch nicht diskreten öffentlichen Bereichs in der Offizin – erweitern. Dies kann aber nur ein kurzer Anriss dessen sein, was über Telepharmazie möglich ist.

Die Kritiker sehen darin ein Einfallstor für Online-Angebote, bei nüchterner Betrachtung könnte man darin aber ein Tool zur Stärkung der Kundenbindung sehen. Intensive und persönliche Beratungsgespräche können auch über die Telepharmazie stattfinden, wie oben beschrieben bisweilen eventuell in einem sogar als angenehmer empfundenen Umfeld und doch mit den vertrauten, als kompetent und empathisch wahrgenommenen Personen. Nicht immer kann bei einem spontanen Besuch in der Offizin-Apotheke sichergestellt sein, dass ausreichend Zeit für eine in aller Ruhe durchgeführte Beratung ad hoc vorhanden ist. Ein gebuchter Tele-Slot ist hier hilfreich. Für Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen schwertun, in die Apotheke zu kommen, ist dies eine wunderbar bequeme und barrierefreie Möglichkeit, den entsprechenden Dienst dennoch persönlich wahrzunehmen. Und was auch nicht unterschätzt werden darf, sind die Möglichkeiten, diesen Dienst auch außerhalb der ansonsten kommunizierten Öffnungszeiten anzubieten. Ggf. schränkt man die generellen Öffnungszeiten gemäß der wahrgenommenen Frequenz ein und weitet die individuell vereinbarten Tele-Slots entsprechend aus. Was ebenfalls nicht unterschätzt werden darf, ist die damit einhergehende Imagewirkung, im Übrigen auch bei Kunden, die den Dienst gegenwärtig nicht benötigen. Allein zu wissen, dass es die Telepharmazie-Angebote gibt, verleiht der Apotheke ein modernes, zeitgemäßes, auch technisch auf der Höhe befindliches Gesicht.

Und etwas ums Eck gedacht, sind derlei Angebote auch gute Gelegenheiten, z. B. Apothekerinnen und Apotheker in Elternzeit trotzdem als Mitarbeiter an die Apotheke zu binden, da Slots von zu Hause durchaus wahrgenommen werden können. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf scheint auf jeden Fall gegeben zu sein, zumindest aber als Option zu durchdenken. Wenn nun mit modernen Softwarelösungen zwischen dem Mobile-Office-Platz und der Apotheke Verbindungen hergestellt werden, können neben der oben beschriebenen Telepharmazie im engeren Sinne auch andere Aufgaben erledigt werden, sodass auch ansonsten ein flexibles Arbeiten ermöglicht wird.

Ein heikles Thema ist und bleibt die Bepreisung, bei der sich viele schwertun, warum auch immer. Die diversen Anwendungsgebiete für Telepharmazie stellen in der überwiegenden Anzahl der Fälle pharmazeutische Dienstleistungen dar, zwar nicht zwingend solche, die gegenüber der Kasse abgerechnet werden können wie z. B. die Medikationsanalyse, aber eine Videosprechstunde in einem exklusiven Slot bedeutet, dass sich ein Approbierter genau dann in das System einwählt und sich entsprechend Zeit nimmt. Es handelt sich um eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), die entsprechend bepreist werden sollte. Dabei ist sorgsam darauf zu achten, dass Sie die Leistung nicht über eine verfehlte zu geringe Preissetzung selbst beschädigen, indem Sie sie bagatellisieren. Auf der anderen Seite sind Mondpreise auch schädlich, d. h. wenn man etwas verlangt, was kaum ein Kunde auch beim besten Willen zu zahlen bereit wäre, weil es über einer von der Mehrheit gefühlten Preisobergrenze liegt. Manche Systeme ermöglichen die minutengenaue Abrechnung, wobei es vielleicht sinnvoller ist, Angebote zu unterbreiten, die ein gewisses Zeitmaß angeben, bspw. bis zu 10 Minuten zu einem Festpreis oder 10 bis 20 Minuten zu einem Festpreis. Wenn minutengenau abgerechnet wird, könnte dies manchen Kunden nervös machen, der vor lauter Zeiteinsparungswillen wertvolle Informationen nicht ausspricht, verkürzt oder auch auf wichtige ergänzende Hinweise des Apothekers verzichten möchte, weil jede Minute zählt. Die digitale Transformation ist voll im Gange und damit die Zunahme an Angeboten in der Telepharmazie. Wenn Sie es nicht anbieten, werden es andere tun, denn für gewöhnlich bricht sich Wasser Bahn! |

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