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Wirtschaft
Versicherungs-Check: Bei jeder Apothekenübernahme Pflicht
Was bei Neu-Inhabern so alles schief gehen kann
Das hat Folgen: Wer als übernehmender Apotheker im Übergabestress die Gewerbeversicherungen auf die sprichwörtliche lange Bank schiebt oder einfach die Policen des Vorgängers übernimmt, geht unwissentlich Risiken ein, die teuer werden können.
Was Neu-Inhaber in Sachen Versicherung beachten sollten
Wer eine Apotheke betreiben möchte, leidet bestimmt nicht an Langeweile. Zuerst muss eine verfügbare Offizin gefunden und diese auf Zahlen, Lage, Kunden- und Personalstruktur, Vertragsspiegel, Revisionsfähigkeit, Einzugsgebiet, Ärztestruktur und Zukunftspotenziale und so weiter überprüft werden. Schließlich könnten regionale Entwicklungspläne oder Veränderungen in der Arztlandschaft bisherige Top-Lagen in „tote Winkel“ verwandeln – oder umgekehrt. Danach stehen gefühlt unendlich viele Verhandlungen an, längst nicht nur mit Inhabern, Banken und Lieferanten.
Nach der Übernahme der Traumapotheke steht deren Optimierung an: sich Ärzten, Kunden und sonstigen Partnern vorstellen, Renovierungen, Umbauten, Teambuilding, Digitalisierung, verbesserte Abläufe und dergleichen mehr.
Hinter diesen existenziellen Herausforderungen bei fast jeder Übergabe fällt die gefühlte Relevanz des Versicherungsordners meist weit ab. Sicher, die Haftpflichtbestätigung für die Übernahme (kurz: BHV-Bestätigung) ist bei der Versicherung anzufordern und es wird auch mal auf die Werteversicherung geschaut. Das reicht dann für den finalen Haken hinter den Spiegelstrich „Versicherung“ der Übergabe To-do-Liste.
Falls nicht, beruhigt der bisherige Versicherungsbetreuer mit einer „Entwarnung“, der zufolge die bestehenden Versicherungen auf den neuen Inhaber übergehen und dieser sich um nichts kümmern brauche, schließlich sei ja alles in bester Ordnung.
Ordnet sich die Versicherung dem Apothekenrecht unter?
Was der Kollege fast immer mitzuteilen „vergisst“, ist der Hinweis, dass der Gesetzgeber jedem übernehmenden Inhaber für einen Monat ein Sonderkündigungsrecht zubilligt, um die bestehenden Policen prüfen zu lassen und eventuell zu kündigen. Nur wer diese Option konsequent nutzt, baut etwaigen verhängnisvollen Deckungslücken vor. Denn wie Medikamente haben auch viele Versicherungsverträge nur eine beschränkte Haltbarkeitsdauer und wenn Sie Pech haben, bleibt nicht mehr sachgerechte Alt-Ware wie eine Tretmine im Ordner, die erst hochgeht, wenn der Schaden eingetreten ist.
Zudem sollte die Apothekenkompetenz des Versicherungsberaters geprüft werden. Denn nur wer mit den versicherungsrelevanten Elementen des Apothekenrechts vertraut ist, kann Inhabern eine apothekengerechte Absicherung entwickeln.
Grundsätzlich sollte geklärt werden, welche Art Policen im Versicherungsordner stecken. Denn es können handels-, heilberufs- oder apothekenspezifische Policen sein. Erstere schließen in aller Regel apothekenspezifische Risiken aus, während Heilberufe-Bedingungswerke meist auf die größere Zielgruppe Arztpraxen abstellen. Reine Apothekenrisiken werden oft nicht abgesichert. Und schließlich gibt es Spezial-Policen für Apotheken, die sich im günstigsten Fall beispielsweise via Pharmazierat- und Amtsapotheker-Klausel dem Apothekenrecht unterordnen.
Policen veralten, wenn sich der Apothekerberuf verändert
Dazu ist es meist unbekannt, dass Versicherungen hin und wieder aktualisiert werden müssen. Alte Bedingungswerke wurden womöglich nie an neuere Datenschutzrichtlinien angepasst. Darüber hinaus können Apotheken neue Aufgaben (Tests und Impfungen) übernehmen. Das alles sollte rechtsverbindlich abgesichert werden. Inflation, Lieferengpässe sowie steigende Personal-, Energie- und Handwerkerkosten sowie Modernisierungen lassen zudem einen bestehenden Versicherungsschutz schnell veralten, weil die Versicherungssummen nicht mehr ausreichen.
Wer versäumt, auf Risikoerhöhungen zu reagieren, und wenn der Berater die neuen Risiken nicht erkennt, kann im Schadensfall nur mit einem Teil-Ersatz rechnen oder geht sogar leer aus. Es sei denn, er hat sich für eine All-Risk-Police entschieden, die automatisch alle Neuerungen im Apothekenalltag rechtsverbindlich mitversichert.
Um sich vor bösen Überraschungen zu wappnen, sollten Übernehmer die drei wichtigsten Apotheken-Policen (Haftpflicht, Inhalt und Betriebsunterbrechung) entweder anhand des DAV-Ratgebers „Versicherungen für Apotheken“ selbst prüfen oder einen auf Apothekenrisiken spezialisierten Experten beauftragen. Ob der aktuelle Berater diese Kompetenz hat, können Apotheker leicht prüfen: Fragen nach PhR-Klausel, Retax, Blistern, Kommissionierer oder NIR-Spektrometer reichen völlig aus. Kommt keine ausreichende Antwort, fehlt es bestimmt auch in der Police. Drei wichtige Eckdaten zur Schnell-Kontrolle:
- Die Versicherungssumme der Inhaltsversicherung muss den Ersatz der kompletten Apothekenwerte, also Inventar, Technik, Warenlager, zu heutigen Preisen garantieren.
- Die Aartal-Katastrophe hat gezeigt, dass bei Betriebsunterbrechungen die Jahreskosten gedeckt sein sollten. Und dies als eigenständige Versicherungssumme, nicht als „kleine Betriebsunterbrechung“!
- Veraltete Betriebshaftpflichten weisen Deckungssummen unter fünf Millionen Euro auf. Heute sind zehn Millionen angeraten. Bei häufigen Heimbelieferungen oder Reinraum-Herstellung empfiehlt sich eine individuelle Risikokalkulation.
Lösung 1: Risikokontrolle in kompetente Hände delegieren
Doch selbst apothekengerechte Policen, die sich automatisch aktualisieren, bedürfen kompetenter Pflege. Das aktuelle Risiko, das auch solche All-Risk-Policen nicht automatisch einschließt, ist der Cyber-Schutz – insbesondere dann, wenn die TI irgendwann richtig funktioniert und das E-Rezept zum Standard wird. Ein anderes ist die DIN-Norm 58345 für Medizinkühlschränke mit großen Auswirkungen für den Kühlgutersatz. Beides verändert die Statik der Apothekenabsicherung und sollte deshalb eine neue Prüfung nach sich ziehen.
Doch es gibt auch Banalitäten, die zu bearbeiten sind. Zum Beispiel bei Umbauten oder Filialisierung sowie bei Angeboten wie Informationsveranstaltungen, Sanitätshaus-Leistungen, kosmetischen Behandlungen oder Fußpflege, Paketannahme und dergleichen mehr. Also alles, was über den apothekenüblichen Rahmen hinausgeht. Das alles zu beachten, kostet Übernehmende Zeit, die nicht da ist. Die Folge: diese lästigen Aufgaben werden aufgeschoben und später im Apothekenalltag vergessen. Im Schadensfall sind dann Deckungslücken irreversibel eingetreten.
Lösung 2: Risikoanalyse und Beratungsprotokoll
Mit der vom Gesetzgeber gewährten Fristverlängerung in Form von 30 Tagen Prüfungszeit nach Übernahme, ist genug Zeit, den zuständigen Versicherungsberater zu einer persönlichen Sicherheitsbegehung und aktuellen Risikoanalyse aufzufordern.
Schickt der Versicherungsberater lediglich einen Fragebogen, bitte den nicht ausfüllen – denn dann sitzen Sie in der Haftungsfalle. Lehnen Sie auch online oder telefonische Beratung als Ersatz ab. Und falls jemand vorbeikommt, dann aber Ihre Apotheke risikotechnisch nicht „lesen“ kann, sollte er sie besser nicht versichern dürfen. Deshalb: Bestehen Sie auf einen aktuell angepassten Versicherungsvorschlag samt Beratungsdokumentation nach Ortstermin.
Denn dafür haftet dann entweder der Versicherer oder ein Makler mit seiner Vermögensschaden-Haftpflicht. Im Schadenfall haben Sie dann zumindest Anspruch auf Schadenersatz durch die Hintertür.
Lesen Sie demnächst an dieser Stelle: Wie Neugründungen richtig versichert werden und auf was abgebende Inhaber unbedingt achten sollten. |
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Von Michael Jeinsen / Heiko Beckert
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