Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Wenn das Kleingedruckte überlebenswichtig wird

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Lieferengpässe, der Russland-Ukraine-Konflikt und die Komponentenknappheit z. B. in Form von Chip-Mangel in vielen Märkten haben aufgezeigt, wie wichtig plötzlich ein Detail in Verträgen werden kann, welches man ansonsten eher nur am Rande erwähnt. Die sog. Preisgleitklausel, unter der man eine Form der Preissicherung versteht, bei der der endgültige Preis erst bei Auslieferung festgesetzt wird und dann von der bis dahin eingetretenen allgemeinen Preisentwicklung z. B. der Rohstoffe, die im Produkt verbaut wurden oder auch von eher konsumorientierten Indikatoren wie der Inflationsrate, dem Lebenshaltungskostenindex oder auch von allgemeinen Kosten­entwicklungen abhängig gemacht wird. Damit sollen für Lieferanten die Risiken abgemildert oder vermieden werden, die mit nicht antizipierfähigen extremen Preisschwankungen verbunden sind.

Dabei sind allerdings der Preis­anpassung in der Regel auch gewisse Grenzen gesetzt, da ansonsten ja vermutet werden müsste, dass unter den dann finalen Bedingungen der Kontrakt nicht zustande gekommen wäre. Von daher sind Preisanpassungen durch eine eingebaute Klausel erst dann möglich, wenn sich der Auslieferungszeitpunkt um eine gewisse Anzahl von Wochen oder Monaten ver­zögert und sich während der Zeit entsprechende Teuerungen ergeben haben. Manch einer wird dies beim Autokauf erlebt haben, wenn im Kaufvertrag vermerkt ist, dass es nach dem Tag xy zu Preisanpassungen kommen kann, sollten sich dann die Preise erhöht haben. Bei seriösen Anbietern besteht wenig Gefahr des Schindluders, bei eher zwielichtigen Verträgen muss darauf geachtet werden, dass man nicht doppelt leidet: erst durch die ggf. sogar bewusst herbeigeführte verspä­tete Lieferung bei einem dann auch vertraglich legitimierten höheren Preis.

Nun kann man sagen, dass Konstellationen, die einer Preisgleitklausel bedürfen häufig bei größeren Anlagen relevant werden, wenn viele Teilkomponenten den genauen Lieferzeitpunkt verschieben und diverse Teilkomponenten eben unterschiedlich in der Preisentwicklung aufschlagen können. Gerade in der gegenwärtigen Situation von Lieferengpässen und Ausfuhrstopps wären aber auch klassische Konsumgüterproduzenten oder auch Unternehmen, die in Lebensmitteln enthaltene Ingredienzien nutzen, froh, wenn sie die besagte Preisgleitklausel eingebaut hätten.

Eine kleine Mühle aus Rheinland-Pfalz hat beispielsweise den Weizen als Grundstoff ausschließlich aus Rheinland-Pfalz bezogen, lange Zeit zu einem vergleichs­weise stabilen Preis, sodass die auf dieser Grundlage gefertigten Produkte wie bspw. Mehl an Kunden in Verträgen mit längeren Laufzeiten zu einem vordefinierten Preis ohne vereinbarte Preisanpassung gemäß einer Gleitklausel zugesagt wurden. Die Mühle aus Rheinland-Pfalz verkaufte bis dato nur an Kunden in Rheinland-Pfalz. Soweit das Szenario. Durch den Wegfall vor allem des Weizens aus der Ukraine waren nun zahlreiche auch größere Mühlen auf der Suche nach Weizen, demnach stieg die Nachfrage bei gesunkenem Angebot und der Weltmarktpreis für Weizen erhöhte sich spürbar. Auch auf den Weizen aus Rheinland-Pfalz wurde der höhere Preis übertragen. Die kleine Mühle, die über wenig Lagerkapazität verfügt, muss nun den Weizen deutlich teurer kaufen als bislang. Die Verträge zu den Kunden sind aber ohne besagte Preisgleitklausel bindend, zumindest für die vereinbarte Laufzeit. Mit anderen Worten wird das Geschäft nicht nur weniger lohnend, sondern die Mühle zahlt sogar pro Vertragserfüllung drauf. An diesem ersten Beispiel kann man erkennen, wie stark Unternehmen von internationalen Krisen betroffen sein können, obgleich sie mit diesen Ländern unmittelbar nichts zu tun haben – weder auf der Beschaffungs- noch auf der Absatzseite.

Ebenso kritisch sind alle auch für den Endverbraucher oder auch für z. B. Apotheken Neuanschaffungen rund um den Bereich Energie. Photovoltaik kann vermutlich – wenn überhaupt – erst in sechs bis sieben Monaten geliefert werden und dann eben nicht mit einer Preis­garantie, denn die Marktsituation hat die Nachfrage steigen lassen, damit hat sich das Angebot verknappt und damit sind die Preise deutlich höher geworden. Alles in allem eine wenig befriedigende Situation, wenn man etwas möchte, nicht auf Anhieb bekommt und dann noch nicht weiß, was es final kosten wird und ob man es dann noch haben möchte oder bezahlen kann. Theoretiker jubeln, denn endlich ergeben sich Blaupausen-Szenarien, die schon lange nicht mehr eingetreten sind und werden Realität. Bisweilen – dann helfen auch Preisgleitklauseln nicht mehr – kommt es aber auch zu verbrecherischen Machenschaften rund um Angebot und Nach­frage. Vor rund zehn Jahren wurde Zucker – ein Produkt, von dem nahezu jeder annahm, dass dies ubiquitär, also überall erhältlich und quasi unerschöpflich vorhanden sei – systematisch aufgekauft und damit das Angebot künstlich verknappt. Nachdem alles aufgekauft war und die Reserven in den Lagern der Unternehmen aufgebraucht, wurden dann Zuckerkontingente sukzessive zu horrenden Preisen wieder an den Markt ab­gegeben. Wenn Sie nun beispielsweise Bäcker sind und Zucker als Rohstoff benötigen, aber ihre Endverbraucherpreise nicht dramatisch anheben wollen, weil sie ansonsten befürchten Kundschaft zu verlieren, hat sich dies wahrnehmbar auf die Marge und auf das Betriebs­ergebnis ausgewirkt. Gut, dass Sie in der Apotheke sind. |

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