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Gesundheitspolitik
Apothekers Freud, der Kassen Leid
Nullretax-Einschränkungen: GKV-Vertreter fürchten um Rabattverträge
Die Kassen sind hingegen wenig erfreut über die Neuregelungen zu den Retaxationen. Sie finden, dass durch die Bescheidung ihrer Möglichkeiten, auf Null zu retaxieren, die Rabattverträge geschwächt werden, zumal sie mit dem ALBVVG noch weitere Abstriche hinnehmen müssen, z. B. bei Kinderarzneien.
Konkret enthält das ALBVVG eine Liste mit fünf Szenarien, bei denen Nullretaxationen künftig nicht mehr möglich sind, darunter fehlende Dosierungsangaben. Wie dringlich es war, die Kassen in diesem Punkt in die Schranken zu weisen, hatte erst vergangene Woche die IKK classic unter Beweis gestellt, indem sie zu Zeiten schlimmster Engpässe rezepturmäßig hergestellte Ibuprofensäfte auf Null retaxierte – weil die Dosierung auf dem Rezept fehlte.
Zudem kann, wenn Apotheken ohne triftigen Grund kein rabattiertes Arzneimittel abgeben, keine Vollabsetzung mehr erfolgen. Die Kassen dürfen nun lediglich das Apothekenhonorar einbehalten. Zusätzlich müssen die Kassen weitere Einschränkungen bei ihren Rabattverträgen hinnehmen: Bei Arzneimitteln für Kinder, die von den Engpässen besonders betroffen waren, sind sie beispielsweise nicht mehr erlaubt und auch Festbeträge gibt es hier nicht mehr.
Den Verdacht, dass die Kassen es als lukratives Geschäftsmodell betrachten, die ordnungsgemäße Versorgung ihrer Versicherten, indem sie auf Null retaxieren, einfach nicht zu bezahlen, haben Apotheken schon lange. Franz Knieps, Vorstandschef des BKK Dachverbandes, bestätigte dies gewissermaßen.
Geschäftsmodell in Gefahr
Anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Engpassgesetz im Bundestag hatte er bereits betont, dass sie im Bereich der Rabattverträge erhalten bleiben müssten. „Würde diese Möglichkeit wegfallen, ist mit einem erheblichen finanziellen Schaden für die GKV zu rechnen,“ so Knieps. Mit dem Verzicht auf die Nullretaxierung seien mehr als vier Milliarden Euro an Rabatteinnahmen gefährdet. Nachdem der Gesundheitsausschuss den entsprechenden Änderungsantrag am vergangenen Mittwoch beschlossen hatte, legte er nach: „Die Messen sind gelesen. Seit heute Vormittag ist klar, Apotheken sollen zukünftig nicht mehr in jedem Fall verpflichtet sein, Arzneimittel wirtschaftlich abzugeben. Dann dürfen Krankenkassen nicht mehr retaxieren, selbst wenn die Apotheke kein verfügbares Rabattarzneimittel abgegeben hat. Damit wird an den Grundpfeilern zur wirtschaftlichen Versorgung gerüttelt“. Immerhin räumte er ein, dass Apotheken nicht für bürokratische Fehler auf dem ärztlichen Rezept verantwortlich gemacht werden dürften und die Nullretaxierungen in Bagatellfällen unterbleiben sollen. Aber bei den Rabattverträgen hört es für ihn auf: Alle Akteure des Systems, auch die Apotheken, müssten „dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet bleiben.“
Auch Ersatzkassen fürchten um Rabattverträge
Ähnliches kommt vom Verband der Ersatzkassen (vdek). In einer Mitteilung vom vergangenen Mittwoch heißt es, dass es zwar wichtig sei, dass die Bundesregierung das Thema Arzneimittellieferengpässe mit dem ALBVVG angehe. Die Ersatzkassen befürworten die geplanten Maßnahmen für eine erhöhte Transparenz in der Versorgungskette sowie die Verpflichtung zu mehr Lagerhaltung von Arzneimitteln mit besonderer Relevanz. Dass es aber neben den bereits geplanten Beschränkungen bei Festbeträgen auch noch zu Einschränkungen bei der Retaxierung kommen soll, schmeckt den Ersatzkassen nicht. Sie fürchten eine Schwächung der Rabattverträge. Und das könne doch nicht Wille des Gesetzgebers sein, so der vdek. Dass das Ganze noch per Änderungsantrag und somit ohne politische Diskussion ins Gesetz eingebracht wurde, macht es aus Verbandssicht noch schlimmer.
Die Praxis wird zeigen, wie es läuft: Der GKV-Spitzenverband soll die Neuregelung bis Ende 2024 evaluieren. |
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