Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Dem Gemeinwohl verpflichtet – der Nacht- und Notdienst

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Die Zahlen der ABDA zum Thema Nacht- und Notdienst lesen sich auch für den Berichtszeitraum 2022 beachtlich. So wurden in 2022 ganze 430.000 Nacht- und Notdienste angeboten, davon 390.000 Volldienste und 40.000 Teildienste. Von Teildienst wird dann gesprochen, wenn nicht über die gesamte Nacht der Dienst seitens der Kunden in Anspruch genommen werden kann oder an Feiertagen nicht die kompletten 24 Stunden geöffnet sind. Noch beeindruckender ist tatsächlich, dass pro Nacht 1200 Apotheken in Deutschland diesen Dienst verrichten, was vielen Menschen in dieser Größenordnung nicht gewahr sein dürfte, obgleich diesen Dienst pro Nacht rund 20.000 Patientinnen und Patienten wahrnehmen.

Der Nacht- und Notdienst war in den einschlägigen Branchenmedien viele Jahre auch vielfach mit der dafür als wenig adäquat empfundenen Vergütung thematisiert worden, nicht aber im Sinne der Gemeinwohlaufgabe, die damit unzweifelhaft einhergeht.

Bei den Regelungen zum Nacht- und Notdienst zeigt sich sehr deutlich, wie diffizil dies für die jeweils zuständige Landesapothekerkammer zu bewerkstelligen ist. Da die Entfernung zur diensthabenden Apotheke nicht zu groß werden darf bzw. soll, führt dies zwangsläufig in weniger gut besiedelten Gebieten mit entsprechend weniger Apotheken zu deutlich mehr Nacht- und Notdiensten als in Ballungsräumen mit entsprechend vielen Apotheken. Die GKV-Versicherten erhalten das Arzneimittel gemäß des Sachleistungsprinzips gegen Erstattung der Zuzahlung und ggf. der Notdienstgebühr, die aber, wenn das „noctu“-Feld aus dem Rezept entsprechend ausgefüllt ist, gegenüber der Kasse seitens der Patienten geltend gemacht werden kann. Nicht rezeptpflichtige Arzneimittel lösen dann beim Kunden oft Erstaunen über den höheren Preis aus. Ganz offensichtlich machen sich die Kunden keine Gedanken darüber, welcher Aufwand mit der Öffnung der Offizin betrieben werden muss. Der Festzuschlag wurde Anfang 2020 von 16 auf 21 Cent pro abgegebener Verpackung für das verschreibungspflichtige Arzneimittel erhöht. Der so vereinnahmte Betrag wird dann in voller Höhe in den Nacht- und Notdienstfond einbezahlt und entsprechend der Dienste quartalsweise an die Apotheken rückvergütet und ausbezahlt.

Gemäß ABDA ergab dies für das Jahr 2021 einen Durchschnitts­betrag von 383 Euro, der sich in 2022 auf 407 Euro erhöhte. Die Schließungen von Apotheken führt nun in den vergangenen Jahren vermehrt zu wahrnehm­baren Mehrbelastungen für die Apothekerinnen und Apotheker. Eine gesunkene Anzahl von Apotheken muss nun eine quasi festgelegte und vom Prinzip her nicht stark schwankende Anzahl von Diensten vollbringen. Und auch hier herrscht in der Bevölkerung offensichtlich ein gewisses Maß an Unkenntnis vor. Das betrifft übrigens auch die regulären Öffnungszeiten. Zu jedem Zeitpunkt muss eine Approbierte, ein Approbierter in der Apotheke anwesend sein. Gerade in Apotheken mit geringem Personalbestand an Approbierten führt dies zu enormen zeitlichen und kapazitativen Belastungen über den Nacht- und Notdienst hinaus. Dies resultiert aus der stark auseinanderklaffenden Apothekendichte zwischen Stadt und Land bzw. Großstadt und Kleinstadt. Die ABDA weist dann selbst für 2021 die durchschnittliche Anzahl an Nacht- und Notdiensten in München mit 14-mal aus, während für Rothenburg im ABDA-Beispiel 70 Nacht- und Notdienste ange­geben werden. Selbst wenn dies ­extreme Beispiele sein sollten, auch bspw. 36 Nacht- und Notdienste würden für eine Apotheke im Umkehrschluss drei Dienste pro Monat bedeuten. In den einschlägigen Studien zur Personalgewinnung und Personalbindung wird die Work-Life-Balance als mit als Wichtigstes Argument für den Antritt eines neuen Jobs bzw. für das Bleiben in einem bestehenden Arbeitsverhältnis ausgewiesen. Es mag tatsächlich Approbierte geben, für die die Übernahme von Nacht- und Notdienst optimal in die sonstig zu planenden Lebensbereiche passt, dies ist aber sicher immer noch die Ausnahme.

Der Nacht- und Notdienst fristet marketingtechnisch ein Schattendasein. Das damit befriedigte Gemeinwohl knüpft an vergleichbare Dienste wie von der Polizei, Krankenhäusern, Notfallpraxen, technischer Hilfsdienst oder Feuerwehr an. Auch hier stehen an 24 Stunden am Tag Menschen zur Ver­fügung, um dann einzugreifen, wenn es Not tut. Gefühlt stehen die Dienste der anderen stärker im Fokus als der Nacht- und Notdienst der Apotheken. Die vor Jahren dazu im Rahmen der Imagekampagne für die Apotheken gestarteten Plakate waren ausgesprochen hilfreich, um eine diesbezüglich wenig kenntnisreiche Bevölkerung zu sensibilisieren.

Das ökonomische Dilemma ergibt sich aber schnell. Die Nutzung des Nacht- und Notdienstes von manchen Bevölkerungskreisen lässt manch Approbierten mit dem Kopf schütteln, da Dinge besorgt werden, die gut und gerne zur regulären Zeit hätten gekauft werden können. Wird er aber wenig genutzt, ergibt sich ein schlechter Verteilschlüssel. Was man sich demnach wünschen soll, ist schwer zu beantworten. Insgesamt darf aber nicht unter­gehen, welch besondere Leistung für das Gemeinwohl hier von der Gemeinschaft aller Apotheken gestemmt wird. |

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