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Gesundheitspolitik
Schlappe für Nationales Gesundheitsportal
Rechtliche Grenzen überschritten: Wort & Bild Verlag klagt in erster Instanz erfolgreich gegen Info-Portal der Regierung
Seit September 2020 betreibt das BMG das Gesundheitsportal gesund.bund.de. Dort finden sich zahlreiche pressemäßig aufbereitete Artikel in den Rubriken „Krankheiten“ und „gesund leben“ sowie „Pflege“ und „Gesundheit Digital“. Das Anliegen: unabhängige und evidenzbasierte Gesundheitsinformationen leicht verständlich unter die Menschen zu bringen.
Doch das Portal wurde von Anfang an kritisch beäugt, zunächst vor allem wegen seiner Kooperation mit Google, die von verschiedenen Seiten juristisch angegriffen und im Jahr 2021 beendet wurde.
Wort & Bild Verlag rügt Eingriff in die Pressefreiheit
Der Wort & Bild Verlag, der unter anderem die „Apotheken Umschau“ herausgibt, war damit aber noch nicht zufrieden. Hier hält man das Portal nach wie vor für eine unzulässige staatliche Konkurrenz. Schließlich betreibt der Verlag selbst mehrere Gesundheitsportale, in denen er Informationen zu den Themen Gesundheit und Krankheiten für den medizinischen Laien in aufbereiteter Form anbietet. Aus seiner Sicht ist das steuerfinanzierte nationale Gesundheitsportal ein massiver Eingriff in die Pressefreiheit (Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG) und das daraus folgende Gebot der Staatsferne der Presse. Das sogenannte Institut der freien Presse dient dazu, eine Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten zu verhindern. Es soll die private Presse zudem vor einem Leserverlust durch staatliche Publikationen schützen, die ein Zeitungsangebot zu ersetzen vermögen.
Anfang 2021 erhob das Medienhaus Klage gegen die Bundesrepublik – vertreten durch das BMG – vor dem Landgericht Bonn und machte einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Zugleich wollte es feststellen lassen, dass der Bund schadensersatzpflichtig ist. Unterstützung erhielt der Wort & Bild Verlag dabei vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger – an dessen Stelle im April 2022 der Medienverband der freien Presse (MVFP) getreten ist – sowie dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger.
Landgericht: Private Anbieter haben das Nachsehen
Nun hat das Landgericht Bonn sein Urteil verkündet und dem klagenden Verlag den Unterlassungsanspruch zugestanden. Dieser folge aus § 8 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) in Verbindung mit dem genannten Gebot der Staatsferne der Presse. Ein Großteil der auf dem Portal eingestellten Artikel überschreitet nach Auffassung der Zivilkammer die Grenzen des zulässigen staatlichen Informationshandelns. Diese Artikel enthielten keinerlei Hinweise zu akuten Gefahrensituationen, sondern allgemeine Informationen wie ein Gesundheitslexikon oder Tipps und Ratschläge für ein gesundes Leben. Um seinen staatlichen Aufgaben und Fürsorgepflichten gegenüber den Bürgern gerecht zu werden, bedürfe es eines solchen Portals des Bundes nicht, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Zudem geht der Substitutionseffekt zulasten der privaten Anbieter ähnlicher Formate.
Den weiteren Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht hat die Kammer hingegen abgewiesen. Dazu fehlte ihr ein ausreichend konkreter Vortrag zum Eintritt eines Schadens.
Wort & Bild-Chef: Erfolg für das gesamte Verlagswesen
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Wort & Bild Verlag feiert es trotzdem. Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Andreas Arntzen, sprach von einem „großen Erfolg für das gesamte Verlagswesen und die Pressefreiheit“. Er mahnt in einer Pressemitteilung: „Die freie Presse darf als Grundpfeiler für die freie Meinungsbildung nicht von staatlichen Konkurrenzangeboten beeinträchtigt werden. Staatliche Presseangebote wie gesund.bund.de bergen die Gefahr einer Vermischung von objektiv-neutralen Inhalten mit politisch motivierter Berichterstattung und stören so den Meinungsbildungsprozess.“
Auch MVFP-Geschäftsführer Christoph Fiedler begrüßte das Urteil ausdrücklich. Er erklärte: „Dass ein Bundesministerium ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist ein fataler Tabubruch. Das Nationale Gesundheitsportal ist in dieser Gestalt mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und stellt einen verwerflichen Eingriff in den freien Pressemarkt dar.“
BMG will Begründung prüfen
Das BMG wollte das Urteil nicht unmittelbar kommentieren. „Wir werden die Urteilsbegründung intern prüfen, bewerten und darauf basierend die entsprechenden Konsequenzen ziehen“, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage der AZ. |
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