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Wirtschaft

Einer für alle, alle für einen

Wie kleine Kooperationen gelingen können

Große deutschlandweite Kooperationen wie Linda oder die Guten Tag Apotheken sind den meisten Apotheker*innen und vielen Verbraucher*innen ein Begriff. Um für die eigene Apotheke einen Mehrwert zu schaffen, müssen es aber nicht immer die ganz großen Zusammenschlüsse sein. Manchmal braucht es nur wenige, aber die richtigen Personen zur richtigen Zeit. Die Mary’s Apotheken in München machen es vor.

Mary Poppins, das Kindermädchen aus den Romanen von Pamela Lynwood Travers, ist die Namensgeberin der acht Mary’s Apotheken: eine Kooperation von fünf Inhaberinnen und Inhabern im Münchener Raum. Bei genauerem Hinsehen wirkt es beinahe so, als ob die Romanfigur mit den magischen Fähigkeiten auch ein wenig von ihrer Magie in die acht Apotheken der befreundeten Apotheker*innen gezaubert hätte. Denn mit viel Fantasie und Enthusiasmus wagten die einen etwas unkonventionellen Weg.

Der Zusammenschluss der Mary’s Apotheken ging Ende 2015 aus einer größeren Münchener Kooperation hervor. Hintergrund der Abspaltung war der Wunsch nach mehr Eigenständigkeit. Die neu geschaffene Kooperation sollte stärker nach eigenen Vorstellungen gestaltet werden.

Vertrauen und Wertschätzung

Die Idee hinter der Kooperation ist simpel, aber nicht selbstverständlich: Die Grundlage der engen Zusammenarbeit bilden gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung. Eine Hierarchie oder eine Zusammenarbeit im Sinne eines Franchisekonzeptes gibt es bei den Mary’s Apotheken ausdrücklich nicht. Alle teilnehmenden Inhaber*innen sind gleichberechtigt und entscheiden sozusagen demokratisch auf Augenhöhe über alle wichtigen Belange. Gebühren für vorgefertigte Konzepte fallen für die Apotheken demnach ebenfalls nicht an. Durch die kleine Gruppe ist der Umgang miteinander viel persönlicher, als man es von großen Kooperationen her kennt. Man pflegt einen freundschaftlichen Umgang, Dienst- und Entscheidungswege sind kurz.

Zur Zusammenarbeit gehört auch ein regelmäßiges Inhabertreffen, das einmal im Monat stattfindet. Neben der Besprechung, wer welche Aufgaben erledigen kann, kommen dabei das Socializing und der Spaß an der Arbeit nicht zu kurz. So trifft man sich gerne mal kurzerhand auch auf dem Oktoberfest zum „Wies’n-Meeting“ im Bierzelt.

Welche Arbeiten können geteilt werden?

  • Erstellung von Kunden­magazinen, Flyern, Tüten, Kundenkarten und Marketingmaßnahmen
  • Erstellung und Weiterentwicklung einer gemein­samen Corporate Identity
  • Erstellung und Pflege einer gemeinsamen Website, mit individuellen Unterseiten für jede Apotheke
  • Verhandlung von Kondi­tionen mit Großhandel, Pharmaindustrie und Außendiensten für alle Apotheken gleichzeitig
  • interne Schulungen, zum Beispiel Zusammenfassen und Erklären von neuen Produkten per E-Mail/Schulungsvideo durch einen Mitarbeiter an alle Mitarbeiter
  • je nach Region: gebietsübergreifender Lieferdienst möglich
  • gemeinsame Hotline für Kunden und Patienten möglich

Gekonnte Arbeitsteilung

Wurde die Idee der Namenspatronin „Mary Poppins“ samt stimmiger Corporate Identity anfangs noch von einer beauftragten externen Werbeagentur entwickelt, werden mittlerweile Arbeiten aller Art ausschließlich intern erledigt. Jeder Eigentümer liefert nach Interessenslage und Absprache seinen Input. Während eine Apotheke die Erstellung des QMS für alle Apotheken liefert und dessen regelmäßige Pflege übernimmt, konzipiert eine andere das gemeinsame Kundenmagazin. Jede der teilnehmenden Apotheken profitiert davon. Diese Arbeitsteilung und gemeinschaftliche Nutzung bringen eine große Zeit- und damit Kostenersparnis für alle Mitglieder mit sich. Es können vor allem Arbeitsstunden eingespart werden, die sonst von jedem Inhaber selbst oder seinen Mitarbeitern übernommen werden müssten. Im Fall einer Weiterentwicklung der Corporate Identity oder der Kon­zipierung des Kundenmagazins spart man sich zudem die Kosten und die Beauftragung eines externen Dienstleisters. Und das alles, obwohl keinerlei Gebühren für die Kooperation anfallen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Hilfe im Notfall

Kann eine beteiligte Person aus Zeitmangel, während Krankheitsphasen oder aus anderen Gründen den gemeinschaftlichen Aufgaben einmal nicht nachgehen, springt eine andere für sie ein. Für einen fairen Ausgleich wird zu einem späteren Zeitpunkt gesorgt. Dies gilt auch für einen möglichen Personaltausch: Herrscht in einer Apotheke Not am Mann, versuchen die anderen, mit Personal aus­zuhelfen. Durch die sehr ähnliche Strukturierung der Frei- und Sichtwahl aller Filialen, die identischen Kassenprogramme und Software gestalten sich die Einsätze auch für die ausgeliehenen Mitarbeiter relativ unkompliziert.

Individualität bewahren

Trotz des Zusammenschlusses bleibt jede Inhaberin, jeder Inhaber ein*e unabhängige*r Unternehmer*in. Die eigene Individualität bleibt bestehen und sie oder er kann weiterhin für die eigenen Apotheken Entscheidungen treffen und frei gestalten, ohne sich die Erlaubnis der jeweiligen anderen einholen zu müssen. Die Kooperation bietet zwar die Möglichkeit, sich Anregungen zu holen und sie zu verwirklichen, jedoch herrscht keinerlei Zwang. Es werden keine Konzepte vorgelegt, die bindend umgesetzt werden sollen. Getreu dem Motto: alles darf, nichts muss.

Tab.: Lohnt es sich, mit Apotheken in der Region zusammenzuarbeiten?
Vorteile individueller kleiner Kooperationen
Nachteile individueller kleiner Kooperationen
keine monetären Verbindlichkeiten, beispielsweise gegenüber Franchisegebern
Zusammenarbeit hauptsächlich regional möglich, da sonst weite Anfahrten bei Treffen oder nur telefonische Rücksprache möglich sind
je nach Absprache: Ausstieg jederzeit möglich, vertragliche Bindung nicht zwingend erforderlich
spontaner/unerwarteter Verlust eines Kooperationspartners denkbar, wenn keine vertragliche Bindung vorliegt
bessere Einkaufskonditionen möglich als mit einzelnen Apotheken
im Vergleich zu großen Kooperationen schlechtere Konditionen bei Großhandel und Pharmaindustrie, da insgesamt geringere Abnahmemengen
individuelle Marketing- und Werbemaßnahmen: kein vorgefertigtes Material eines Franchisegebers
Marketing- und Werbemaßnahmen müssen selbst erstellt/beauftragt werden
individuelles Konzept: kein vorgefertigtes Konzept, das möglicherweise nicht passend für die eigene Apotheke ist
Konzept muss selbst erstellt/beauftragt werden
persönliches Umfeld
großes Vertrauen nötig
kurze und direkte Dienstwege zur schnellen Klärung
zeitliche Verpflichtungen durch Inhaberbesprechungen
hohe Individualität: größere Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeit
zeitliche Verpflichtungen durch Absprachen
Ausleihen von Personal möglich
hohe Flexibilität von Mitarbeitern erforderlich: Personaltausch unter Umständen bei Mitarbeitern nicht beliebt
Ladenhütertausch von Arzneimitteln/Waren und Abverkauf von Nestern an Partnerapotheken möglich
Zeitersparnis durch Arbeitsteilung 

Für wen sind kleine Kooperationen geeignet?

Für Apotheker*innen, denen ein großes Mitspracherecht in ihrem Verbund wichtig ist und die Freude daran haben, ein neues Projekt mitzugestalten und weiterzuent­wickeln, kann es sich lohnen, sich regional mit befreundeten Apotheker*innen oder auch mit vermeintlichen Konkurrent*innen zusammenzuschließen. Steht der Wunsch nach einer eigenen Kooperation mit anderen Apotheken noch am Anfang, bedarf es jedoch unter Umständen einer größeren Eigeninitiative, um durch Akquise und das Zugehen auf andere Inhaber*innen Mitstreiter zu finden.

Zu Beginn vielleicht nur in einer Art lockerem Austausch, kann man langfristig sondieren, was daraus werden könnte. Auch ist es gar nicht nötig, wie bei den Mary’s Apotheken eine gemeinsame Corporate Identity oder ein einheit­liches Konzept zu leben oder gar den Namen der eigenen Apotheke zu ändern. Einkaufsgemeinschaften, das Ausleihen von Personal und Abhalten von gemeinsamen Schulungen oder allgemeine gegenseitige Unterstützung schaffen bereits viele Vorteile. Wie eng die jeweilige Zusammenarbeit letztlich wird, kann individuell gehandhabt werden und sich langsam entwickeln. Mit wachsender gegenseitiger Wertschätzung und auf einer guten Vertrauensbasis ist es möglich, viel Mehrwert für die eigenen Apotheken zu schaffen. |

Michaela Schwarz, Apothekerin, PTA und Fachjournalistin

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