Gesundheitspolitik

Digitalisierungsschub mit Ecken und Kanten

Kabinett beschließt Digitalisierungsgesetze / ABDA kritisiert Umgang mit Patientendaten

gbg/ks | Diese Woche endet die parlamentarische Sommerpause. Am Dienstag starten zunächst mehrtägige Haushaltsberatungen im Bundestag. Doch in Kürze werden auch wieder fachliche Gesetze auf der Tagesordnung stehen. 

Aus dem Bundesgesundheitsministe­rium werden gleich mehrere Vor­lagen ins parlamentarische Verfahren gehen. Nicht nur das Cannabisgesetz hat das Bundeskabinett im Sommer beschlossen. Vergangene Woche hat es auch den beiden Digitalisierungsgesetzen den Weg bereitet: dem Digitalgesetz, das vor allem die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept voranbringen soll, sowie dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), das der Forschung einen Schub verleihen soll. An den Referentenentwürfen wurde zuvor nochmals eifrig gefeilt. Änderungswünsche der ABDA blieben jedoch weitgehend unberücksichtigt. Deren neuerliche Kritik folgte prompt. Vor allem der Plan, dass Krankenkassen automatisierte AMTS-Prüfungen für ihre Versicherten vornehmen dürfen sollen, läuft der ABDA zuwider.

Kernelement des Digitalgesetzes ist die elektronische Patientenakte (ePA), die ab dem Jahr 2025 für alle gesetzlich Versicherten, die dem nicht widersprechen, bereitgestellt wird (Opt-out). Für privat Versicherte können die PKV-Unternehmen ebenfalls eine widerspruchsbasierte ePA anbieten. Mit der ePA erhalten die Versicherten dann als erste spürbare Mehrwertanwendung eine weitestgehend automatisch erstellte, digitale Medikationsübersicht. Auch an den Regelungen rund ums E-Rezept wurde gefeilt. Allerdings bleibt es dabei, dass elektronische Rezepte künftig auch über Kassen-Apps eingelöst können werden sollen. Unverändert sind überdies die Pläne zur assistierten Telemedizin, die Apotheken künftig anbieten können sollen. Die Grundlage soll ein neuer Absatz im mittlerweile äußerst umfang­reichen § 129 SGB V schaffen.

Knackpunkt AMTS-Prüfung

Das GDNG, in dem es darum geht, Gesundheitsdaten zusammen­zuführen, um sie für eine verbesserte Versorgung und gemeinwohlorientierten Forschungszwecke nutzen zu können, enthält ebenfalls eine Regelung, die der ABDA schon im Referentenentwurf missfiel: eine AMTS-Prüfung durch Krankenkassen. Formal wurde die Regelung neu aufgesetzt. Aber nach wie vor ist vorgesehen, dass die Kassen für ihre Versicherten in bestimmten Fällen datengestützte Auswertungen vornehmen dürfen mit dem Ziel, den Gesundheitsschutz zu verbessern, sofern der Versicherte der Datenverarbeitung nicht ausdrücklich widersprochen hat. Das umfasst auch das Erkennen „von schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen, die durch die Arzneimitteltherapie entstehen können“. Stellt die Kasse dabei eine konkrete Gesundheitsgefährdung für einen Versicherten fest, hat sie ihn darauf hinzuweisen – laut Regierungsentwurf nun in präziser, transparenter, verständ­licher Weise und in einer klaren und einfachen Sprache.

Abgewandelt wurde auch der mit der Prüfung verbundene Verweis auf die Leistungserbringer: Im Referentenentwurf war noch die Rede davon, die Unterrichtung durch die Krankenkassen sei als „unverbindliche Empfehlung auszugestalten, medizinische Unterstützung eines Leistungserbringers in Anspruch zu nehmen“. Nun heißt es, der Hinweis sei „mit einer Empfehlung zu verbinden, eine ärztliche, zahnärztliche, psychotherapeutische oder pflegerische Beratung in Anspruch zu nehmen“. Die Apotheken spielen dabei also auch nach der neuen Formulierung keine Rolle.

Foto: ABDA

Anke Rüdinger

Rüdinger: Schwerer Eingriff ins Vertrauensverhältnis

Dazu erklärte ABDA-Vorstandsmitglied Anke Rüdinger: „Die Absicht, den Kranken- und Pflegekassen die automatisierte daten­gestützte Auswertung patientenindividueller Gesundheitsdaten zu gewähren, sehen wir als einen schwerwiegenden Eingriff in das Vertrauensverhältnis zwischen Patientinnen und Patienten und den Leistungserbringenden.“ Nach wie vor befürchtet man bei der ABDA, dass die „Hinweise zum Aufsuchen eines Angebots eines Leistungserbringers“ zu weiteren vorhersehbaren Verunsicherungen bei den Patientinnen und Patienten führen werden.

Minister Karl Lauterbach wiegelte die Sorgen der Apotheken in diesem Punkt ab. Auf Nachfrage erklärte er, es gebe hier unterschiedliche Zugänge: Die Kassen hätten Daten, die Apotheken nicht haben können – beispielsweise, ob es zu einem chirurgischen Eingriff gekommen ist. Das, was Apotheken „beeindruckend leisten“, werde also nur „ergänzt“ durch die Kassen, was die Arzneimittelversorgung noch sicherer mache.

Nun muss sich zeigen, welche Wandelungen die umfangreichen Gesetzentwürfe im parlamentarischen Verfahren durchlaufen werden. Lauterbach kündigte bereits die nächsten Gesetzentwürfe an: Einer soll die Gematik neu auf­stellen, zudem soll ein Medizin­forschungsgesetz klinische Studien beschleunigen. |

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