Gesundheitspolitik

Bewährungsstrafe für Apothekerin – Revision folgt

Urteil im Glucose-Prozess: Zwei Jahre auf Bewährung / Verteidigung zieht vor den Bundesgerichtshof

ks/dpa | Im „Kölner Glucose-Prozess“ ist am vergangenen Donnerstag das Urteil gefallen. Die Apothekerin, die laut Anklage für den Tod einer Schwangeren und ihres ungeborenen Babys verantwortlich sein soll, wurde vom Landgericht Köln wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Rechtskräftig ist die Entscheidung nicht: Die Verteidigung der Apothekerin hält sie für unzutreffend und fehlerhaft – und kündigte an, beim Bundesgerichtshof Revision einzulegen.

Rund vier Jahre ist es her, dass eine junge Frau sowie ihr per Notkaiserschnitt zur Welt geholtes Baby starben. Zuvor hatte die Schwangere in einer Frauenarztpraxis eine toxische Lösung getrunken: Für einen Glucosetoleranztest war eine mit Lidocainhydrochlorid verunreinigte Glucose-Mischung eingesetzt worden – und diese kam aus der Kölner Apotheke, in der die 52-jährige angeklagte Apothekerin arbeitete. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen und Entsetzen. War es wirklich möglich, dass in einer Apotheke Substanzen vertauscht wurden? Wie konnte eine solche Verunreinigung geschehen?

In der Urteilsbegründung hieß es vergangene Woche, der Angeklagten sei ein fataler Fehler unterlaufen: Sie habe einen Rest des Lidocainhydrochlorids für Glucose gehalten und dieses dann in ein Gefäß mit Glucose gefüllt. „Das Zusammenschütten von Substanzen aus zwei Gefäßen“ gelte in der Pharmazie jedoch als absolutes „No Go“, sagte die Vorsitzende Richterin. Die Angeklagte habe gegen „allgemein anerkannte Regeln ihres Berufs“ verstoßen.

Die Angeklagte hat an die Hinterbliebenen der Verstorbenen bereits insgesamt 75.000 Euro für Schadenersatz und Anwaltskosten gezahlt. Als Bewährungsauflage für die 52-Jährige setzte das Gericht zudem eine Zahlung von 20.000 Euro an die Kinderintensivstation der Kölner Uniklinik fest.

Staatsanwalt sah versuchten Mord durch Unterlassen

Ursprünglich war die Apothekerin auch wegen versuchten Mordes durch Unterlassen angeklagt – weil sie im Fall der später verstorbenen Frau von der Vergiftung gewusst, aber die Ärzte in der Klinik nicht in Kenntnis gesetzt habe. An dieser Einschätzung hatte die Staatsanwaltschaft auch nach 16 Verhandlungstagen festgehalten und eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren gefordert. Die Verteidiger der Angeklagten hatten hingegen auf Freispruch plädiert.

Verteidigung kritisiert Entscheidung des Gerichts

Die Verteidigung – die unter anderem der in Apothekenkreisen wohlbekannte Freiburger Rechtsanwalt Morton Douglas übernommen hat, machte unmittelbar nach dem Urteil deutlich, dass sie dieses nicht akzeptiert. Das gilt zum einen für den Schuldausspruch wegen des Fahrlässigkeitsdelikts: Selbst die Staatsanwaltschaft sei nach der umfangreichen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass die von ihr in dieser Hinsicht in der Anklage auf­gestellten Hypothesen nicht haltbar seien, betont Douglas in einer Pressemitteilung. Der Staats­anwalt hatte letztlich tatsächlich auch „nur“ hinsichtlich des Mordvorwurfs eine Freiheitsstrafe beantragt. „Warum es gerade die von allen Zeugen als sorgfältig arbeitend beschriebene Angeklagte gewesen sein soll, die den Fehler im Vorfeld der Abfüllung der Glucose begangen haben soll und nicht eine der anderen in Frage kommenden Personen, wurde von der Kammer nicht nachvollziehbar dargelegt“, erklärt Douglas. Schlicht aus dem Umstand, dass die Angeklagte – wie auch andere Mitarbeiterinnen – möglicher­weise Glucose abgefüllt hatte zu schließen, sie müsse es auch gewesen sein, die zuvor die Substanzen zusammengeschüttet hat, bleibe „reine Spekulation“. Der Anwalt betont, dass die Verteidigung vielfältige alternative Ab­läufe aufgezeigt habe, die das Gericht aber unberücksichtigt gelassen habe. Dies müsse nun im Revisionsverfahren geprüft werden.

Dass das Gericht hier anders entschied, sei „wohl dem medialen Druck geschuldet, der auf diesem Verfahren lastet“, vermutet Douglas. Dies gelte erst recht für die Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung. Diesen Tatbestand hatte das Gericht erst Stunden vor der zunächst vorgesehenen Urteilsverkündung in der Woche zuvor in den Blick genommen – dabei war bereits über drei Monate verhandelt worden. Auf einer Linie mit dem Gericht ist die Verteidigung allerdings insoweit, als dass dieses dem Vorwurf eines vorsätzlichen Tötungs­deliktes nicht gefolgt ist und die Angeklagte in diesem Punkt freigesprochen hat.

Das letzte Wort in diesem Prozess steht also noch aus. |

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