Wirtschaft

Durststrecke geht weiter

Merck erleidet erneut Rückschlag bei einem Hoffnungsträger

dpa-AFX/az | Bei Merck ist ein wichtiger Hoffnungsträger gefloppt: Evobrutinib erreichte in entscheidenden klinischen Tests bei schubförmiger multipler Sklerose (MS) die von den Forschern erhofften Ziele nicht.

Zwei zulassungsrelevante Studien zur Erforschung der Sicherheit und Wirksamkeit von Evobrutinib hätten nicht die gewünschten Ergebnisse erbracht, teilte das Dax-Unternehmen vergangene Woche in Darmstadt mit. Es ist nicht der erste Rückschlag für die Arzneimittelsparte des deutschen Unternehmens, der Geschäfts­bereich hat schon länger einen Durchhänger.

Merck hatte erwartet, mit Evobrutinib die sogenannten annualisierten Schubraten (ARR) der Testpersonen im Vergleich zum schon seit einem Jahrzehnt erhältlichen Wirkstoff Teriflunomid (Aubagio) vom französischen Hersteller Sanofi verringern zu können. Dieses Ziel wurde jedoch verfehlt.

„Sehr enttäuschende Ergebnisse“

Merck sprach in seiner Mitteilung von „sehr enttäuschenden Ergebnissen“. Die Darmstädter hatten ursprünglich gehofft, mit Evobrutinib einen neuen „Blockbuster“ mit einem Milliardenumsatz auf den Markt bringen zu können.

Evobrutinib zählt zu der Wirkstoffklasse der Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer (BTK-Inhibitoren). Die Bruton-Tyrosinkinase spielt eine wichtige Rolle bei der Reifung der B-Zellen und bei der Akti­vierung von Mastzellen. BTK-Inhibitoren binden an das aktive Zentrum der Bruton-Tyrosinkinase, die dadurch gehemmt wird. Die Lymphomzellen werden dadurch an der Proliferation, Chemotaxis und Adhäsion gehindert und treten schließlich in die Apoptose ein. Bei anderen Krankheiten wie etwa B-Zelllymphomen werden diese Wirkstoffe bereits angewendet. Auch Roche, Novartis und Sanofi erproben diese Wirkstoffklasse bei MS.

Schon im Frühjahr enttäuschende Nachrichten

Bereits Mitte April hatte Evobrutinib für enttäuschende Nachrichten gesorgt, nachdem die US-Arzneimittelbehörde FDA die Aufnahme neuer Patienten für eine Therapie im Rahmen der abschließenden klinischen Prüfung des Arzneimittels ausgesetzt hatte.

Grund war damals der Verdacht auf Leberschädigung durch das Mittel, nachdem bei zwei Teil­nehmern erhöhte Enzymwerte festgestellt worden waren. Nach Konzernangaben hatte sich der Zustand der Betroffenen nach Absetzen des Mittels aber wieder vollständig normalisiert.

Durststrecke wird länger

Mit dem aktuellen Rückschlag verlängert sich die Durststrecke in der Pharmasparte. Auch mit einem anderen Hoffnungsträger, dem Krebsmittel Bintrafusp alfa, hatte Merck nicht den erhofften großen Durchbruch erzielt. Nach mehreren Studienflops wurden die Arbeiten eingestellt – eine entsprechende Partnerschaft mit GSK wurde im Jahr 2021 beendet.

Aktuell profitiert der Konzern vor allem von seinem Krebsmittel Bavencio und dem MS-Mittel Mavenclad, mit dem Merck 2017 erstmals nach neun Jahren wieder eine eigene Arznei auf den Markt gebracht hatte.

Merck hat sich inzwischen zunehmend darauf verlegt, Lizenzen für Medikamente von anderen Herstellern zu erwerben, um an deren Verkauf zu verdienen.

Dank der Verkaufsschlager Bavencio und Mavenclad wuchs die Pharmasparte zuletzt. Das Halb­leitergeschäft und die Laborsparte schwächelten hingegen. Im Konzern laufen deshalb bereits Gespräche über Sparmaßnahmen und einen Stellenabbau. Erst für 2024 wird wieder ein Wachstum erwartet. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.