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Management

Urlaubsanspruch: Handlungsbedarf für Arbeitgeber

Keine Verjährung bei fehlendem Hinweis auf verfallenden Urlaub

Seit Jahren ist Bewegung in der Rechtsprechung auf euro­päischer und nationaler Ebene, was das Urlaubsrecht und insbesondere den Verfall von Urlaubsansprüchen angeht. Kurz vor Weihnachten entschied das Bundesarbeitsgericht nun zu der Verjährung von Urlaubsansprüchen: Diese kann nur eintreten, wenn der Arbeitgeber zuvor seinen Hinweispflichten nach­gekommen ist, so die Richter in Erfurt.

Die gesetzliche Regelung klingt zunächst simpel: Jedem Arbeit­nehmer, ob geringfügig oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt, steht nach § 3 Bundes­urlaubsgesetz (BurlG) ein Urlaubsanspruch von vier Wochen pro Kalenderjahr zu. Dieser Anspruch kann weder vertraglich abbedungen noch kann auf ihn zwischen den Vertragsparteien im Einvernehmen verzichtet werden.

Gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG verfällt der gesetzliche Urlaubs­anspruch dem Grundsatz nach mit Ablauf des 31.12. eines jeden Jahres. Nur im Ausnahmefall, wenn der Urlaub vonseiten des Arbeitnehmers aufgrund dringender betrieblicher oder in seiner Person liegender Gründe nicht beansprucht werden konnte, verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch mit Ablauf des 31.03. des Folge­jahres (§ 7 Abs. 3 S. 2 BurlG).

Verfall dennoch nicht automatisch

Bereits 2018 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Sinne des Arbeitnehmerschutzes, dass der gesetzliche Mindesturlaub grundsätzlich allerdings nur dann verfallen kann, wenn der Arbeitgeber vorab den einzelnen Arbeitnehmer auf dessen offenstehenden Urlaub hingewiesen hat, d. h. dass dieser besteht und zu verfallen droht (EuGH, Vorabentscheidung vom 06.11.2018, Az. C-619/16 und C-684/16). Das Bundesarbeits­gericht (BAG) setzte diese Entscheidung im Fortgang in eigene Rechtsprechung um (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Az. 9 AZR 541/15): Der Urlaubsverfall des gesetzlichen Urlaubs kann nur eintreten, wenn zuvor eine konkrete und rechtzeitige Unterrichtung durch den Arbeitgeber erfolgt ist.

Von den Gerichten nicht abschließend geklärt war und ist noch heute jedoch die Frage, was in diesem Zusammenhang „konkret“ und „rechtzeitig“ bedeutet.

Praxistipp für Arbeitgeber

Damit der Arbeitnehmer auch noch tatsächlich in die Lage gesetzt werden kann, den Urlaub in natura zu beanspruchen, bietet es sich an, den konkreten Hinweis über den offenen Urlaub und dessen drohenden Verfall spätestens bis zum Wechsel in das vierte Quartal eines jeden Jahres vor­zunehmen. Es genügt im Übrigen nicht, dass die offenen Urlaubs­tage auf der Lohnabrechnung abgedruckt sind. Vielmehr bedarf es des Hinweises, wie viele Tage noch offenstehen und zu welchen Daten der Verfall spätestens eintreten wird. Nicht zuletzt zu Dokumen­tations- und Nachweiszwecken sollte die Erklärung gegen Empfangsbekenntnis vonseiten des Arbeitnehmers abgegeben bzw. gegengezeichnet werden.

Was passiert mit Urlaubs­ansprüchen bei Langzeitkranken?

Auch während des Krankengeldbezuges erwerben Arbeitnehmer Urlaubsansprüche. Bei dauerhaft langzeiterkrankten Mitarbeitern ist es grundsätzlich so, dass der Verfall des Urlaubs nicht zum 31.03. des Folgejahres, sondern erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres eintritt. Um Rechtsrisiken zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber vorsorglich auch die Arbeitnehmer, die sich im Krankengeldbezug befinden, über den Verfall der Urlaubsansprüche informieren.

Das BAG setzt nun nach

Bislang konnten Arbeitgeber zumindest sicher sein, dass Urlaubsansprüche auch im Falle des unterlassenen Hinweises zumindest nach den Regelungen der zivilrechtlichen Verjährung spätestens nach drei Jahren gekappt werden. Der EuGH hatte es nun erneut vorgegeben (EuGH, Urteil vom 22.09.2022, Az. C-120/21), das BAG folgte der Rechtsprechung auf nationaler Ebene (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20): Der nicht genommene Urlaubs­anspruch von Arbeitnehmern kann nur dann verjähren, wenn es überhaupt einen arbeitgeber­seitigen Hinweis gegeben hat. Ansonsten beginnt die Verjährung schon nicht zu laufen.

Vor dem BAG hatte eine Arbeitnehmerin geklagt, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet war. Sie begehrte die Abgeltung von 101 nicht genommenen Urlaubs­tagen für einen Zeitraum bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2017. Das BAG sprach der Klägerin den Anspruch zu: Die regelmäßige zivilrecht­liche Verjährung beginnt erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, an dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret auf die offenen Ansprüche hingewiesen hat. Im zu entscheidenden Fall gab es schlichtweg keinen Hinweis über den drohenden Verfall, sodass die Ansprüche noch nicht verjährt waren, so das BAG.

Arbeitgeber tun gut daran, ein internes System zu etablieren, nach dem die Arbeitnehmer regelmäßig, jährlich wiederkehrend, über ihre konkreten offenen Urlaubsansprüche und deren drohenden Verfall unterrichtet werden.

Achtung: Ein Blick in den Arbeitsvertrag ist notwendig

Die Rechtsprechung von EuGH und BAG bezieht sich grundsätzlich nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub, nicht auf etwaigen zusätzlichen Mehrurlaub. Sofern jedoch im Rahmen der arbeits­vertraglichen Regelungen keine Trennung des Gesamtanspruches in gesetzlichen Mindesturlaub und freiwilligen Mehrurlaub erfolgt ist, so greifen die strengen Regelungen zum gesetzlichen Urlaub auch auf den freiwilligen Mehrurlaub durch. Aus arbeit­geberseitiger Sicht ist hier Vorsicht geboten. Im Rahmen der Gestaltung von Urlaubsklauseln im Arbeitsvertrag sind diverse Feinheiten zu beachten, die im Interesse des Arbeitgebers getroffen werden können und sollten. |

Rechtsanwältin Jasmin Johanna Herbst, LL.M., Dr. Schmidt und Partner, Koblenz, Dresden

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