Neue Arzneimittel

Mit Spesolimab gegen pustulöse Psoriasis

Interleukin-36-Rezeptor-Antikörper unterbindet fulminante Entzündungen

Erwachsene mit Schüben einer generalisierten pustulösen Psoriasis können seit Februar 2023 mit ­Spesolimab (Spevigo®) behandelt werden. Der kausal wirkende Antikörper hemmt den proinflammatorischen Interleukin-36-Signalweg und wird im Bedarfsfall als Monotherapeutikum einmalig intravenös appliziert. Beim überwiegenden Teil der Behandelten heilt die potenziell lebensbedrohliche Hautreaktion innerhalb von wenigen Tagen vollständig ab.

Die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP) ist eine selten auftretende neu­trophile Hauterkrankung, die sich in Ausprägung und Erscheinungsbild von der Plaque-Psoriasis unterscheidet. Die GPP-Pathogenese beruht auf einer Ansammlung von neutrophilen Granulozyten in der Haut. Eine zentrale Rolle spielt die Aktivierung des Interleukin-36-Signalwegs. Als Folge bilden sich am ganzen Körper schmerzhafte, sterile Pusteln, wobei schubförmig rezidivierende oder persistierende Erkrankungsverläufe bekannt sind. In schweren Fällen sind mitunter tödlich verlaufende Komplikationen wie Sepsis und Multiorganversagen möglich.

Angriffspunkt Interleukin-36-Signalweg

Der humanisierte monoklonale Immunglobulin-G1-Antikörper Spesolimab ist gegen den Interleukin-36-Rezeptor (IL-36-Rezeptor) gerichtet und unterbindet dessen Interaktion mit den körpereigenen Liganden Interleukin-36 α, β und γ. Als Folge wird der nachgeschaltete proinflammatorische Signalweg blockiert. Bei mit Spesolimab behandelten Patienten fallen die Konzentrationen von C-reaktivem Protein, Interleukin 6, T-Helferzell-vermittelten Zytokinen (Th1/Th17), Keratinozyten-vermittelten Entzündungsmarkern, neutrophilen Mediatoren und proinflammatorischen Zytokinen im Serum und in der Haut ab. Im gleichen Zug ist ein Rückgang des klinischen Schweregrads der generalisierten pustulösen Psoriasis feststellbar.

Einmalige Infusion beim Schub

Beim Auftreten eines Erkrankungsschubs wird Spesolimab in einer Einmaldosis von 900 mg langsam intravenös appliziert. Bei persistierender Symptomatik kann im Abstand von einer Woche eine weitere Gabe erfolgen, allerdings sind die klinischen ­Daten zur Behandlung nachfolgender Schübe sehr begrenzt. Auch zur gleichzeitigen Anwendung von Spesolimab mit anderen Therapieoptionen bei der generalisierten pustulösen Psoriasis liegen nur wenige Erfahrungen vor. Von der kombinierten Gabe systemischer Immunsuppressiva zur Behandlung eines Erkrankungsschubs wird derzeit abgeraten. Bei der Applikation von monoklonalen Antikörpern wie Spesolimab muss mit Überempfindlichkeitsreaktionen und infusionsbezogenen Reaktionen gerechnet werden. Im Fall entsprechender Anzeichen ist die Spesolimab-Infusion unverzüglich abzubrechen und eine angemessene Behandlung, beispielsweise eine Gabe von systemischen Antihistaminika und/oder Cortico­stero­iden, einzuleiten. Nach Abklingen der Reaktion kann die Infusion mit einer zunächst langsameren Infusions­geschwindigkeit wieder aufgenommen werden.

Infektionsgefahr

Eine Spesolimab-Therapie ist mit einem erhöhten Risiko für Infektionserkrankungen assoziiert. Vor der Behandlung von Patienten mit chronischen oder rezidivierenden Infektionen ist daher eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung angeraten. Die Applikation des IL-36-Rezeptor-Antikörpers darf bei klinisch bedeutsamen aktiven Infektionen nur dann eingeleitet werden, wenn die Infektion abgeklungen oder angemessen kontrolliert ist. Vor Beginn der Spesolimab-Applikation ist auf das Vorliegen einer Tuberkulose-Infektion zu testen. Die zeitnahe Anwendung von Lebendimpfstoffen mit dem IL-36-Rezeptor-Antikörper sollte unterbleiben. Entsprechend theoretischer Überlegungen besteht die Gefahr von Infektionserkrankungen, einer Sekundärübertragung von Infektionen und einer eingeschränkten Wirkung der Impfung. Der zeitliche Abstand zwischen einer Impfung und dem Beginn einer Spesolimab-Behandlung muss mindestens vier Wochen betragen. Bei umgekehrter Reihenfolge liegt der Karenzzeitraum bei mindestens 16 Wochen.

Die Liganden Interleukin-36-α, -β und -γ interagieren mit dem zugehörigen Interleukin-36-Rezeptor (IL-36R), bewirken eine Hetero­dimerisierung mit dem Interleukin-1-Rezeptor und einem assoziierten Protein (IL-1RAcP) und führen so zu einer verstärkten Biosynthese von proinflammatorischen Proteinen (links). Der Antikörper Spesolimab ist gegen den IL-36-Rezeptor gerichtet und unterbindet dessen Interaktion mit IL-36-α, -β bzw. -γ sowie die Rezeptor-Dimerisierung. Als Folge wird die Aktivierung des proinflammatorischen Interleukin-36-Signalwegs blockiert, sodass die körpereigene Produktion entzündungsauslösender Proteine unterbleibt (rechts). Bei Patienten mit autoinflammatorischer generalisierter pustulöser Psoriasis können auf diese Weise Erkrankungsschübe kontrolliert werden.

Ergebnisse der EFFISAYIL-1-Studie

Die Zulassung von Spesolimab beruht auf der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie EFFISAYIL-1 mit insgesamt 53 erwachsenen Teilnehmern, die aktuell einen Schub ihrer generalisierten pustulösen Psoriasis von mittlerer bis schwerer Intensität erlitten hatten. Patienten mit einem unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankungsschub oder Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung wurden von der Studie ausgeschlossen. Die Beobachtungszeit lag bei zwölf Wochen. Primärer Endpunkt war die Einordnung auf dem GPPGA(Generalised-Pustular-Psoriasis-Physician-Global-Assessment)-Subscore für die Pustelbildung am Ende von Woche eins, wobei ein Wert von „0“ keine sichtbaren Pusteln und „4“ eine schwerwiegende Pustelbildung bedeutete. Zum Ausgangspunkt wiesen 43% der Patienten einen Score von „3“ auf, 36% zeigten einen Wert von „4“. Die Teilnehmer erhielten zur Schubtherapie 900 mg Spesolimab oder eine Placebo-Infusion (Randomisierung 2:1). Eine Woche nach Applikation erreichten 54% der Patienten aus dem Verum-Arm einen GPPGA-Subscore für die Pustelbildung von „0“, im Vergleich zu 6% der ­Patienten im Placebo-Arm (p < 0,001). Zwölf Patienten (34%) im Spesolimab- und 15 Patienten (83%) im Placebo-Arm erhielten aufgrund einer andauernden Schub-Symptomatik an Tag acht eine Rescue-Dosis Spesolimab. Darüber hinaus wurde innerhalb von zwölf Wochen bei vier bzw. zwei Teilnehmern der Verum- und Vergleichs-Arme wegen eines erneuten Schubs eine Therapie mit einer weiteren 900‑mg-Spesolimab-Dosis durchgeführt. Bei einem Patienten der Verum-Gruppe war eine medikationsinduzierte Hepatotoxizität feststellbar. Im gesamten Beobachtungszeitraum ent­wickelten 47% der Teilnehmer unter Spesolimab eine Infektionserkrankung, bei 46% wurden gegen Spesolimab gerichtete Antikörper gefunden.

Spezifische Behandlungsoption, nicht nur für GPP

Sobald bei Patienten mit generalisierter pustulöser Psoriasis ein Erkrankungsschub auftritt, ist häufig eine umgehende Krankenhauseinweisung erforderlich. Aufgrund der unvorhersehbaren und fulminanten Symptomatik ist die Lebensqualität der Patienten mit generalisierter pustulöser Psoriasis in vielen Fällen stark eingeschränkt. Der Interleukin-36-Rezeptor-Antikörper Spesolimab ist die erste spezifische und kausale Behandlungsoption für diese Autoimmunerkrankungen, die bei mehr als der Hälfte der Behandelten innerhalb von einer Woche ein vollständiges Abheilen der schmerzhaften Pusteln bewirkt. Zuvor waren lediglich symptomorientierte Therapien und die Anwendung unspezifischer Immunsuppressiva möglich. In weiteren Untersuchungen muss jedoch der langfristige Nutzen von Spesolimab, beispielsweise auch hinsichtlich der Lebensqualität und der Lebenserwartung, geprüft werden. Erste Resultate der doppelblinden, placebokontrollierten Phase-IIb-Studie EFFISAYIL-2 deuten auf eine signifikante Prävention eines erneuten GPP-Schubs über einen Zeitraum von 48 Wochen nach Applikation von Spesolimab hin. In diese Untersuchung sind nicht nur erwachsene sondern auch jugendliche Patienten einbezogen. Auch in der derzeit noch nicht rekrutierenden EFFISAYIL-ON-Studie liegt der Schwerpunkt auf der Untersuchung der Langzeitwirksamkeit und -sicherheit des IL-36-Rezeptor-Inhibitors. Spesolimab könnte allerdings auch für die Behandlung weiterer autoinflammatorischer Erkrankungen in­frage kommen. Derzeit laufen Studien zum Einsatz bei Patienten mit Morbus Crohn, atopischer Dermatitis und Hidradenitis suppurativa (Acne inversa). Für die Therapie von Patienten mit Colitis ulcerosa oder Pustulosis palmoplantaris liegen bereits vielversprechende erste Ergebnisse für Spesolimab vor. |

Neue Arzneimittel 2023

In der bisher monatlich erschienenen DAZ-Beilage „Neue Arzneimittel“ stellte Apothekerin Dr. Monika Neubeck neue Wirkstoffe ausführlich vor und ordnete sie in die bestehenden Therapie­optionen ein. Seit Januar 2023 finden Abonnentinnen und Abonnenten der DAZ die neuen Arzneistoffe auf DAZ.online unter www.deutsche-­apotheker-zeitung.de/­pharmazie/arzneimittel.

Neu hinzugekommen sind:

  • Anti-Human-T-Lymphozyten-Immunglobulin vom Pferd (Atgam®)
  • Maribavir (Livtencity®)
  • Netarsudil (Roclanda®)
  • Spesolimab (Spevigo®)
  • Sutimlimab (Enjaymo®)

Dort steht ihnen auch ein Archiv mit allen seit 2000 eingeführten Wirkstoffen zur Verfügung.

Die für die Offizin bedeutsamen Wirkstoffe stellen wir in der Print-Ausgabe der DAZ regelmäßig in unserer Rubrik „Neue Arzneimittel“ vor.

Literatur

[1] Fachinformation zu Spevigo®, Stand Dezember 2022

[2] Bachelez H, Choon SE, Marrakchi S, Burden AD et al. Trial of spesolimab for generalized pustular psoriasis. N Engl J Med 2021;385(26):2431-2440

Autorin

Dr. Monika Neubeck hat in Frankfurt am Main Pharmazie studiert und ordnet für die DAZ regelmäßig die neuen Arzneimittel ein.

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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