DAZ aktuell

Nur der Pharmagroßhandel ist zufrieden

ABDA, Apothekerverbände und Pharmaindustrie kritisieren ALBVVG-Regierungsentwurf scharf

gbg/mik/ral | Die Katze ist aus dem Sack, der Regierungsentwurf des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) liegt vor – und sowohl von der ABDA als auch von Verbänden und der Pharma­industrie hagelt es Kritik. Nur der Pharmagroßhandel freut sich …

Am 5. April war es endlich so weit und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach trat vor das Mikrofon, um den vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf seines Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes vorzustellen. Noch während er sprach, meldete sich die ABDA mit deutlicher Kritik am Entwurf und kündigte Proteste an. Die Beschlussvorlage enthalte „erhebliche inhaltliche Mängel, die Bundesrat und Bundestag nun im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beheben müssen, damit Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker den Verbraucherschutz von Millionen Patientinnen und Patienten auch künftig garantieren können“, monierte die Standesvertretung. ABDA-Vize Mathias Arnold betonte: „Wir brauchen keine zwei Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel, wenn doch ein Alternativpräparat im Warenlager der Apotheke vorrätig ist.“ Und: Als Engpassausgleich brauche man einen zweistelligen Euro-Betrag statt eines Cent-Betrags.

Apothekerverbände: „Almosen, nein danke“

Dieser Kritik haben sich mehrere Apothekerverbände angeschlossen. Die derzeit geplanten Maßnahmen würden nichts an dem Umstand ändern, dass Patienten nicht die Medikamente bekommen, die ihnen verschrieben wurden, erklärte beispielsweise Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR). „Die Apothekenteams werden weiter mit großem Arbeitseinsatz dafür sorgen müssen, dass niemand trotz der starken Lieferprobleme unversorgt bleibt“, so Preis. Laut Berechnungen des AVNR müsste pro Apotheke mindestens eine zusätzliche Fachkraft eingestellt werden, um den Mehraufwand zu schultern. Die vor­gesehenen Regelungen im Gesetzentwurf seien diesbezüglich „bei Weitem nicht ausreichend“. Zugleich ist es für Preis „unbegreiflich“, dass der Großhandel wie die Apotheken mit 50 Cent bei der Bewältigung der Lieferengpässe vergütet werden soll – das zeige, wie „geringschätzig der Einsatz der Apotheken im Ministerium bewertet wird“. Mit Blick auf die Apotheker spricht Preis von einer „almosenartigen Vergütung“.

Auch der Vorsitzende des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL), Thomas Rochell, sieht in dem Entwurf keine Lösungen für die Lieferengpässe. „Um wenigstens die Symptome des Problems lindern und unsere Patienten einigermaßen versorgen zu können, brauchen wir in den Apotheken vor Ort möglichst viele Handlungsspielräume“ – während der Corona-Pandemie seien diese zum Teil geschaffen worden. „Hinter diesen Stand dürfen wir nun mit dem geplanten Engpässe-Gesetz keinesfalls zurückfallen“, forderte er in einer Pressemitteilung. Der AVWL-Vorsitzende erinnerte zudem daran, dass „steigende Sach- und Personalkosten, explodierende Energiepreise und eine galoppierende Inflation die Apothekenvergütung real stark abschmelzen lassen“. Es brauche „endlich eine faire Honorierung aller unserer Leistungen – und nicht nur ein Engpass-Almosen“, so Rochell. „Alles andere gefährdet die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Menschen.“

Pharmaindustrie: Gesetz geht an Problemen vorbei

Die Pharmaverbände können dem ALBVVG-Entwurf ebenfalls nichts abgewinnen. „Das ALBVVG ist der politische Versuch, die Symptome eines kaputt gesparten Systems zu behandeln, ohne jedoch an der ursächlichen Wurzel von Fehlanreizen in der gesamten Grundversorgung anzusetzen“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) Kai Joachimsen. Da sich das Gesetz nur auf ein bis zwei Prozent der Arzneimittel beziehe, gleichzeitig aber Rabattverträge, Preisobergrenzen und weitere Herstellerabschläge fortbestünden, sei der Effekt gering. Als „Brandbeschleuniger“ hingegen wirken laut Joachimsen Bevorratungs- und Meldepflichten. „Sie führen zu noch mehr Kosten – verursachen Bürokratie und binden Ressourcen.“ Der BPI-Hauptgeschäftsführer betont, dass der „Kostendruck“ bei den heimischen Herstellern sinken müsse.

Auch Pro Generika kritisiert, dass das Gesetz sich nur auf Kinderarzneimittel und Antibiotika beziehe: „Bei allen anderen Medikamenten bleiben die Problemursachen bestehen und die Versorgungslage, wie sie ist: wenig stabil und teilweise sogar prekär“, erklärt Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Branchenverbands. Im Gegensatz zum Referentenentwurf sei der Kabinettsentwurf sogar ein Rückschritt, da Maßnahmen zur Versorgung mit Krebsmitteln fehlten.

Und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bemängelt, dass der Gesetzentwurf die „grundlegenden Probleme unberücksichtigt“ lasse. Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz erklärt, es handle sich vielmehr „um halbherzige, komplizierte Maßnahmen allenfalls zu Teilaspekten“. Kritisiert wird ebenfalls, dass es keine Aussagen zur geforderten „Diversifizierung in den Lieferketten aller Arzneimittel“ und „einer umfassenden Verringerung von Abhängigkeiten“ gibt. Wie schon der BPI fürchtet der BAH zusätzliche Belastungen durch erhöhte Anforderungen bei der Bevorratung. „Besonders enttäuschend ist, dass der dringend notwendige Inflationsausgleich für preisregulierte Arzneimittel nur unzureichend vorkommt“, ergänzt Cranz.

Phagro begrüßt Gesetzentwurf

Zufrieden mit dem Gesetzentwurf zeigten sich dagegen die Großhändler. Wie die Apotheken soll auch der pharmazeutische Großhandel künftig 50 Cent für das Lieferengpass-Management erhalten. In einer Pressemitteilung sprach der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) von einer Unterstützung seitens der Bundesregierung. Der Vorsitzende des Verbands, André Blümel, sagte dazu: „Der Phagro begrüßt, dass die Bundesregierung die erheblichen Mehrkosten im Pharmagroßhandel anerkennt und zusätzlich vergüten will. Der vollversorgende Pharmagroßhandel stellt in Deutschland sicher, dass jedes Medikament für jeden Patienten hersteller­neutral zur Verfügung steht. Soll das so bleiben, ist die einzige Lösung, die Aufwände zu honorieren, damit wir diesen Sicherstellungsauftrag im Dienste der Patienten erfüllen können.“

Der Pharmagroßhandel habe gemeinsam mit den Herstellern und Apotheken in den vergangenen Monaten „bewiesen, wie engagiert und flexibel wir kurzfristig unter extremen Bedingungen reagieren können, um Lieferengpässe zu kompensieren: Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut, aufwendige interne Lieferengpass­managementsysteme zu steuern“, ergänzt Blümel. „Zusätzlicher Personaleinsatz, neue Logistikabläufe, kontinuierliches Monitoring über knappe Medikamente für die zuständigen Behörden, der Aufbau alternativer und sicherer Beschaffungswege von Arzneimitteln – damit sorgen wir für ein faires Verteilungssystem an Apotheken und ihre Patienten.” |

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