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Arzneimittel und Therapie
Wenn therapeutische Alternativen versagen
Ein Gastkommentar
Zwischen 40% und 85% der Schwangeren leiden an Sodbrennen [1]. Die wachsende Gebärmutter drückt im Laufe der Schwangerschaft den Magen nach oben. Die Säure aus dem Magen steigt verstärkt in die Speiseröhre und führt dort zu einem unangenehmen Brennen. Außerdem sorgt in der Schwangerschaft das Hormon Progesteron dafür, dass sich die glatte Muskulatur lockert. In erster Linie sollen damit unerwünschte Kontraktionen der Uterusmuskulatur ausbleiben. Progesteron-bedingt erschlafft jedoch auch die glatte Muskulatur in anderen Körperregionen, so auch der Muskelring zwischen Magen und Speiseröhre. Dieser Umstand und die Tatsache, dass sich der Magen in der Schwangerschaft langsamer entleert, begünstigen den Reflux.
Refluxsymptome sind in den späteren Phasen der Schwangerschaft häufig, kommen aber auch schon im ersten Trimenon vor. Protonenpumpen-Hemmer (PPI) gelten bei gastroösophagealem Reflux als wirksamste Behandlung und werden deshalb auch von Schwangeren oft verwendet, zumal sie inzwischen teilweise rezeptfrei erhältlich sind. Da viele Schwangerschaften nicht geplant eintreten, ist von einer beträchtlichen Anzahl an Expositionen in der sensiblen Phase der Organentwicklung (erstes Trimenon) auszugehen.
Nach der kürzlich aktualisierten S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zur gastroösophagealen Refluxkrankheit sollte in der Schwangerschaft ein Step-up-Management in folgender Reihenfolge versucht werden: Allgemeinmaßnahmen, Antazidum / Alginat / Sucralfat, H2-Rezeptorantagonist, Protonenpumpen-Hemmer [2].
Mittlerweile existiert eine Reihe von prospektiven und retrospektiven Kohortenstudien zur Frage der Sicherheit von PPI in der Schwangerschaft. In einer Metaanalyse von sieben Studien mit 1530 PPI-Anwenderinnen und 133.410 Kontrollen ohne PPI-Einnahme fanden sich keine Hinweise auf relevante Schädigungen des Kindes, eine erhöhte Rate an Frühgeborenen oder Aborten [3]. In einer großen dänischen Kohortenstudie wurde bei 5082 von 840.968 Lebendgeborenen eine PPI-Exposition während der Schwangerschaft bzw. in den vier Wochen vor der Konzeption registriert. Eine PPI-Einnahme während des ersten Trimenons war nicht mit relevanten Fehlbildungen assoziiert [4]. Eine weitere große Fallkontrollstudie aus Israel mit 1186 PPI-Expositionen während des ersten Trimenons ergab ebenfalls keinen Hinweis auf eine erhöhte Fehlbildungsrate [5].
Mehrere in den letzten zehn Jahren veröffentlichte Studien postulierten demgegenüber ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko, insbesondere für Herzfehler, Gaumenspalten, Hydrocephalus und Hypospadie [6, 7, 8]. Dementsprechend ermittelte die letzte Metaanalyse aus dem Jahr 2020 ein um 28% erhöhtes Risiko für angeborene Anomalien nach Einnahme von PPI während der Schwangerschaft [9].
Die aktuell publizierte bevölkerungsbasierte Kohortenstudie aus Südkorea bemühte sich um eine Klärung dieser widersprüchlichen Datenlage [10]. Dabei wurden geschwisterkontrollierte Analysen zur Berücksichtigung von familiären Faktoren durchgeführt. Schwangere, die bekannten Teratogenen ausgesetzt waren oder Kinder mit Chromosomenanomalien bzw. genetischen Syndromen zur Welt gebracht hatten, wurden ausgeschlossen. In den geschwisterkontrollierten Analysen wurden keine Zusammenhänge zwischen der Einnahme von PPI und schweren angeborenen Fehlbildungen (Odds Ratio [OR] = 1,05; 95%-KI = 0,91 bis 1,22) bzw. angeborenen Herzfehlern (OR = 1,07; 95%-KI = 0,88 bis 1,30) festgestellt.
Insgesamt ergab diese große landesweite Kohortenstudie, dass die Einnahme von PPI während des ersten Schwangerschaftsdrittels nicht mit einem relevanten Anstieg des Risikos für schwere Fehlbildungen, Herzfehler, Gaumenspalten, Hydrocephalus oder Hypospadien verbunden war. Die Ergebnisse der geschwisterkontrollierten Analyse deuten darauf hin, dass PPI nicht als schwerwiegende Teratogene einzustufen sind. Diese Resultate können den Einsatz von PPI bei Versagen therapeutischer Alternativen unterstützen – selbst in der sensiblen Phase der kindlichen Organentwicklung, im ersten Trimenon.
Literatur
[1] Ali RA, Egan LJ. Gastroesophageal reflux disease in pregnancy. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2007;21(5):793-806, doi: 10.1016/j.bpg.2007.05.006
[2] Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), AWMF-Registernummer: 021–013, Stand: März 2023
[3] Gill SK, O‘Brien L, Einarson TR, Koren G. The safety of proton pump inhibitors (PPIs) in pregnancy: a meta-analysis. Am J Gastroenterol 2009;104(6):1541-1545, doi: 10.1038/ajg.2009.122
[4] Pasternak B, Hviid A. Use of proton-pump inhibitors in early pregnancy and the risk of birth defects. NEJM 2010;363(22):2114-2123, doi: 10.1056/NEJMoa1002689
[5] Matok I et al. The safety of fetal exposure to proton-pump inhibitors during pregnancy. Dig Dis Sci 2012 Mar;57(3):699-705, doi: 10.1007/s10620-011-1940-3
[6] Anderka M et al. Medications used to treat nausea and vomiting of pregnancy and the risk of selected birth defects. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol 2012;94(1):22-30, doi: 10.1002/bdra.22865
[7] Lind JN et al. Maternal medication and herbal use and risk for hypospadias: data from the National Birth Defects Prevention Study, 1997-2007. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2013;22(7):783-793, doi: 10.1002/pds.3448
[8] Munch TN et al. Risk factors for congenital hydrocephalus: a nationwide, register-based, cohort study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2014;85(11):1253-1259, doi: 10.1136/jnnp-2013-306941
[9] Li CM et al. Systematic review with meta-analysis: the risks of proton pump inhibitors during pregnancy. Aliment Pharmacol Ther 2020;51(4):410-420, doi: 10.1111/apt.15610
[10] Choi A et al. Association between proton pump inhibitor use during early pregnancy and risk of congenital malformations. JAMA Network Open 2023;6(1):e2250366, doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.50366
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