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„Wir müssen sehr viel lauter werden“

DAZ-Interview mit dem BVDAK-Vorsitzenden Stefan Hartmann

jb/jr | Stefan Hartmann, erster Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Apothekenkooperationen e. V. (BVDAK), will als Apotheken­inhaber für Mitarbeiter ein höheres Honorar erkämpfen – nötigenfalls auch durch Streiks. Wie sieht die Rechtslage aus, wenn ein Unter­nehmer eine Arbeitsniederlegung durchführen will? Im Gespräch hat Hartmann erklärt, was er fordert.
Foto: Privat

Stefan Hartmann

DAZ: Sie haben kürzlich gesagt, ein Streik der Apotheken sei „kaum noch zu verhindern“. Gilt das noch?

Hartmann: Grundsätzlich mehr denn je. Allerdings würde ich aufgrund unseres mittlerweile vorliegenden Gutachtens zu den Möglichkeiten, die wir haben, auf uns aufmerksam zu machen, von einer „Demonstration“ sprechen. Es wird ja immer schlimmer. Die beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes vorgelegten Zahlen sprechen eine sehr deutliche Sprache. So kann es nicht weitergehen. Wir müssen auf unsere Situation aufmerksam machen. Wir müssen als Berufsstand sehr viel lauter und sichtbarer werden. Die Öffentlichkeit bekommt davon bisher nicht viel mit, dass unsere letzte Honorarerhöhung 2004 war. Die Personal- und Sachkosten steigen, während das Honorar sogar gekürzt wird. Wir laufen auf englische Verhältnisse zu. Diese Ertragsfalle führt dazu, dass viele Kollegen ihren Angestellten keine angemessenen Gehälter mehr werden bezahlen können. Dazu kommen die teilweise abartige Bürokratie, die weiter steigenden Lieferengpässe, die uns die Arbeit zusätzlich erschweren und die Versorgung der Patienten gefährden. Die Gesundheitspolitik sieht uns nur noch als lästige Kostenverursacher und beklagt einen Zustand, den sie selbst herbeigeführt hat. Perfide.

DAZ: Was wäre denn genau Ihre Forderung?

Hartmann: Ich möchte eine Honorar­erhöhung erkämpfen. Diese soll aber zu 60 oder 70% direkt in den Bundesrahmentarifvertrag fließen, damit vor allem auch unsere Mitarbeiter durch steigende Gehälter profitieren. Unser Gehaltsniveau ist im Vergleich zu anderen Branchen viel zu niedrig. Wir stehen im Wettbewerb um Fachkräfte aus der Pharmaindustrie und da haben Apotheken aktuell keine Chance. Ungefähr 40% der Apotheken erwirtschaften ein Vorsteuerergebnis von weniger als 4%. Kleinere Apotheken tun sich immer schwerer, alle Kosten zu decken und vom Gewinn leben zu können. Genau diese Apotheken sind aber für die flächendeckende Versorgung immens wichtig. Es gibt Kollegen, die haben am Ende des Monats weniger Geld übrig als das, was ihre Mitarbeiter verdienen. Nicht umsonst schließt jeden Tag mehr als eine Apotheke; im 1. Quartal 2023 waren es bereits 129 Apotheken, bei 393 im gesamten Vorjahr. Um bessere Gehälter zahlen zu können, brauchen die Apotheken mehr Geld. Und das geht nur mit einem höheren Fixhonorar. Wir lassen gerade ausrechnen, welche Auswirkungen eine Erhöhung des Fixhonorars von beispielsweise fünf Euro auf den Bundesrahmentarifvertrag hätte.

DAZ: Sie als Arbeitgeber wollen also protestieren, damit ihre Mitarbeiter am Ende mehr Geld bekommen?

Hartmann: Ganz genau. Wir sitzen mit unseren Teams nämlich in einem Boot. Ich wünsche mir, dass wir uns zusammentun und uns bemerkbar machen. Es kommt ja auch uns als Inhabern zugute, wenn unsere Mit­arbeiter profitieren. Was spricht also gegen so eine gemeinsame Aktion. Klar muss aber sein: Eine Erhöhung des Honorars darf eben gerade nicht allein den Inhabern zugute kommen, sondern muss auch für die Mitarbeitenden unmittelbar spürbar positive Auswirkungen haben.

DAZ: Wie sieht das denn rechtlich aus: Dürfen Apotheken überhaupt streiken?

Hartmann: Die geplante Aktion, dass Apothekenmitarbeiter flächendeckend ihre Tätigkeit niederlegen, ist jederzeit in Abstimmung mit den Apothekeninhabern möglich. Es handelt sich dabei nicht um einen Streik, sondern um eine Demonstration. Um die Verpflichtungen nach § 23 Abs. 1 S 1 Apothekenbetriebsordnung erfüllen zu können wäre es ausreichend, nur über die Notdienstklappe zu bedienen oder sich apothekenindividuell von der Dienstbereitschaft befreien zu lassen. Unter Berücksichtigung, dass auch einem Apothekeninhaber die Möglichkeit eingeräumt werden muss, für seine Situation mit den grundrechtlich verbrieften Rechten zu kämpfen, wird man einer Apotheke die Berechtigung im Einzelfall, sich als Teil der Meinungsäußerung für eine angemessenere Vergütung für einen bestimmten Zeitraum vom Dienst befreien zu lassen, nicht absprechen können. Die Versorgung von Krankenhäusern und Altenheimen muss an diesem Tag natürlich aufrechterhalten werden. |

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