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Arzneimittel und Therapie
Acetylcystein in Schnupfenspray
Derzeit keine Evidenz für die nasale Anwendung
Das Aminosäure-Derivat Acetylcystein oder korrekter N-Acetylcystein (NAC) ist Inhaltsstoff vieler Tabletten, Brausetabletten oder Säfte zur Sekretolyse im Bereich des Bronchialtrakts. Als Wirkmechanismen werden laut Fachinformationen eine Lyse von Disulfidbrücken zwischen den Mucopolysaccharid-Fasern sowie eine Depolymerisierung auf DNA-Fasern des Bronchialschleims diskutiert. Weiterhin soll Acetylcystein entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften aufweisen. Bislang liegt jedoch keine ausreichende Anzahl aussagekräftiger, kontrollierter klinischer Studien zum Nachweis der postulierten Effekte vor. Eine signifikante Überlegenheit gegenüber einer vermehrten Flüssigkeitszufuhr konnte bislang nicht gezeigt werden, sodass bei produktivem Husten pflanzlichen Therapeutika, beispielsweise auf Basis von Thymian-Extrakten, der Vorzug einzuräumen ist. Lediglich bei Patienten mit chronischer Bronchitis kann Acetylcystein offenbar zu einer signifikanten Verringerung von Exazerbationen und zur Symptomverbesserung beitragen.
Für den 15. Januar ist nun die Markteinführung des Nasensprays Salinac® der Firma Infectopharm geplant. Als bislang einziges auf dem deutschen Markt verfügbares Präparat mit nasaler Applikation von Acetylcystein ist es für die Therapie akuter oder chronischer Entzündungen der Nase sowie für Rhinitis und Sinusitis vorgesehen. Zusammen mit der in dem neuen Präparat enthaltenen hypertonen Kochsalzlösung sollen eine Verflüssigung von Schleim sowie ein Abschwellen der Schleimhaut und damit eine Verbesserung der Nasenatmung herbeigeführt werden. Das Präparat enthält keine vasokonstriktorischen Wirkstoffe und kann bereits bei Patienten ab zwei Jahren eingesetzt werden.
Nur kleine Studien
Es stellt sich die Frage, ob es um die Evidenzbasis für die nasale Anwendung von Acetylcystein besser bestellt ist als für den Einsatz bei produktivem Husten. Zum Wirksamkeitsnachweis wären randomisierte, doppelblinde Studien an hinreichend großen Kollektiven mit hypertoner Kochsalzlösung als Vergleich wünschenswert. So könnte eine Überlegenheit der Kombination mit Acetylcystein gegenüber herkömmlichen hypertonen Kochsalz-Nasensprays nachgewiesen werden. Bei der entsprechenden Literatursuche sind neben einer Reihe von Tierstudien im Wesentlichen zwei klinische Studien für nasal eingesetztes Acetylcystein auffindbar. Die erste Untersuchung beruht auf einer retrospektiven Auswertung, also auf Daten aus der Vergangenheit [1]. Sie wurde ohne Kontrollgruppe an nur 20 Teilnehmern durchgeführt. Auch die zweite klinische Untersuchung mit 80 Personen erfüllt trotz vorhandener Kontrollgruppe nicht die für eine evidenzbasierte Beurteilung erforderlichen Kriterien [2]. Das Studienkollektiv bestand ausschließlich aus Patienten, die unter der Erkrankung Becherzellmetaplasie litten und damit nicht der Normalpopulation entsprachen. Der beanspruchte Nachweis einer „signifikanten Reduktion von Neutrophilen, Lymphozyten und Bakterien im zytologischen Befund“ erfolgte mithilfe von nicht aussagekräftigen statistischen Methoden.
Damit steht ein tragfähiger Nachweis noch aus, der belegt, dass die durch das Medizinprodukt potenziell erreichbare nasale Abschwellung und Schleimverdünnung auf Acetylcystein und nicht überwiegend auf der osmotisch aktiven hypertonen Kochsalzlösung beruht. Bei der Anmeldung als Medizinprodukt besteht für den Hersteller allerdings keine Notwendigkeit eines signifikanten Wirksamkeitsnachweises. |
Literatur
[1] Zanetti L et al. Efficacy of a nasal spray containing N-acetylcysteine in hypertonic saline solution in the treatment of chronic rhinosinusitis, with early recurrence after functional endoscopic sinus surgery. Farmaci 2019;18(3):71-77
[2] Maffezzoni E et al. Efficacy of a nasal spray containing N-acetylcysteine in hypertonic solution in the treatment of nonallergic chronic rhinitis with goblet cell metaplasia. J Biol Regul Homeost Agents 2020;34(6):2345-2352
[3] Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation. 5. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2021
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