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Die ich rief, die Geister …

Foto: Philip Kottlorz Fotografie
Julia Borsch, Chefredakteurin der DAZ

Die Ärzteschaft kämpft derzeit dafür, den Einfluss von Investoren auf Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu begrenzen. Eröffnet wurde die Möglichkeit, MVZ zu gründen, um die vielzitierten Effizienzreserven gegenüber Einzelpraxen zu heben, aber auch um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Medizinerinnen und Mediziner oft nicht mehr selbstständig tätig sein möchten, sondern lieber im Angestelltenverhältnis. Ein Einstieg von Investoren ist nur über Umwege möglich, nämlich indem sie Kliniken betreiben und diese wiederum MVZ gründen oder übernehmen. Und das tun sie fleißig, denn sie haben festgestellt, dass es sich lohnt. „Buy-and-Build“ ist die Strategie: Praxen werden gekauft, auf Gewinnmaximierung ausgerichtet und in MVZ zusammengelegt. Die Rendite wird dann beim Weiterverkauf erzielt (S. 16).

Die Politik hat mittlerweile gemerkt, dass derartige Strukturen weder die Versorgung verbessern noch Kosten senken. Im Gegenteil: Eine Untersuchung zeigt, dass die Fallkosten bei MVZ in Investorenhand durchschnittlich höher sind. Bereits Ende Dezember vergangenen Jahres kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an: „Ich schiebe einen Riegel davor, dass Investoren mit absoluter Profitgier Arztpraxen aufkaufen.“ Doch noch liegt nichts Konkretes vor. Es kommt einem der Gedanke an Goethes Zauberlehrling: „Die ich rief, die Geister - werd ich nicht mehr los!“. Jetzt, ein halbes Jahr später, wurde eine Initiative zur Regulierung der MVZ gestartet, um die außer Kontrolle geratenen profitgierigen Geister – um bei der Zauberlehrling-Analogie zu bleiben – wieder zu verjagen.

Was das alles mit Apotheken zu tun hat? Aktuell nur, dass es als abschreckendes Beispiel dienen sollte. Denn auch Apotheken tun sich seit Jahren immer schwerer, Nachfolger zu finden, weil der Nachwuchs die wirtschaftliche Verantwortung scheut, was keinem zu verdenken ist angesichts der aktuellen Lage. Und der Wunsch nach Teilzeitarbeit oder flexiblen Arbeitszeitmodellen ist in den Augen vieler im Angestelltenverhältnis besser zu realisieren als in der Selbstständigkeit. Dazu kommt, dass große Apothekenverbünde und Spezialversorger nur schwer verkäuflich sind. Zu groß wäre der finanzielle Einsatz und das Haftungsrisiko für den einzelnen. Da liegt es nahe, über andere Rechtsformen nachzudenken, die am Konzept der inhabergeführten Apotheke rütteln. Doch würde das die Probleme lösen? DAZ-Autor Dr. Thomas Müller-Bohn glaubt das nicht (S. 19). Den aktuellen Rahmen infrage zu stellen, würde neue Probleme schaffen, befürchtet er. Deswegen plädiert er dafür, die bestehenden Probleme inhaltlich zu lösen, statt sie mit einer neuen Rechtsform und einer Haftungsbegrenzung zu umgehen. Die Entwicklungen bei den Ärzten stützen diese Befürchtung. Man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen dies bei allen künftigen Entscheidungen zu den apothekerlichen Rahmenbedingungen auf dem Schirm haben. Denn was auch immer aufgeweicht würde, sei es „nur“ die Gesellschaftsform oder tatsächlich das Fremd­besitzverbot in Gänze, das Rad ließe sich nur schwer zurückdrehen. Und der große Hexenmeister, der die Probleme entschlossen angeht und alles wieder einrenkt, will auch erst einmal gefunden werden. Die MVZ zeigen, wie schwierig das ist.

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