Neue Arzneimittel

Deucravacitinib gegen Plaque-Psoriasis

Neuer deuterierter Januskinase-Inhibitor ist peroral verfügbar

Deucravacitinib (Sotyktu®) ist ein Hemmstoff der Januskinase TYK2 (non-receptor tyrosine-protein kinase 2) und für Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis vorgesehen, die für eine systemische Therapie infrage kommen. Das Präparat wird einmal täglich in Form einer Filmtablette eingenommen. In klinischen Studien konnte bei etwa der Hälfte der Studienteilnehmer ein erscheinungsfreies oder nahezu erscheinungs­freies Hautbild erreicht werden.
Foto: Bristol-Myers Squibb

In Deutschland leiden etwa zwei Millionen Menschen an Plaque-Psoriasis, die sich in entzündeten und mit schuppenartigen Plaques überzogenen Hautstellen manifestiert. Als hauptsächliche Erkrankungsursache wird eine Autoimmunreaktion, vermutlich gepaart mit einer genetischen Disposition, angenommen. Die Erkrankung ist für die Betroffenen physisch und psychisch sehr belastend und führt häufig zu entstellenden Narben. Insbesondere bei schweren Krankheitsbildern mit einem Befall von mehr als 10% der Hautfläche ist eine topische Behandlung nicht mehr ausreichend. Die Reihe der auf dem Markt verfügbaren Präparate für eine systemische Therapie, die bei vielen Patienten zu einer relevanten Verbesserung oder sogar zum vollständigen Verschwinden der Psoriasis-Symptome führen, wächst erfreulicherweise stetig an. Ein möglicher Ansatz zur Behandlung von überschießenden Autoimmun­reaktionen ist die Hemmung von Januskinasen (JAK). Diese zytoplasmatischen Tyrosinkinasen, mit den vier Vertretern JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2, leiten Signale von Zytokinen und Wachstumsfaktoren weiter. TYK2 vermittelt die Signaltransduk­tion der körpereigenen Zytokine Interleukin (IL) 23 und 12 sowie von Typ-I-Inter­feronen, die maßgeblich an der Auslösung von Entzündungs- und Immunreaktionen beteiligt sind. Der Wirkstoff Deucravacitinib (s. Abb. 1) bindet an die regulatorische Domäne von TYK2 und hemmt allosterisch die Aktivierung dieser Januskinase und damit der nachgelagerten Signalkaskade. Als Folge wird die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen und Chemokinen im Rahmen einer Psoriasis-Erkrankung unterbunden (s. Abb. 2).

Abb. 1: Deucravacitinib enthält drei Deuterium-Atome, die die Wasserstoffatome in der Methylamid-Gruppe ersetzen.

Unkomplizierte Einnahme

Das gut verträgliche Deucrava­citinib wird normalerweise einmal täglich in einer Dosis von 6 mg unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Weder bei Leber- noch bei Niereninsuffizienz bestehen Einschränkungen oder die Notwendigkeit einer Dosisanpassung. Lediglich bei schwerer Leberfunktionsstörung oder Patienten über 75 Jahren ist wegen noch fehlender Erfahrungen Vorsicht geboten. Das Interaktionspotenzial von Deucrava­citinib ist offenbar sehr gering. Häufig bis sehr häufig auftretende Neben­wirkungen sind Infektionen der oberen Atemwege, Herpes-simplex-­Infektionen, orale Ulzerationen, akneiforme Hautausschläge, Follikulitis und erhöhte Creatinphosphokinase-Spiegel. Herpes-zoster-Infektionen sind ebenfalls möglich.

 

Abb. 2:Wirkmechanismus. Die Zytokine Interleukin 23 und 12 sowie Typ-I-Interferone (IFN) bewirken durch Andocken an den entsprechenden Rezeptor die Phosphorylierung von STAT-Proteinen (Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription) durch Janus­kinasen (JAK). Die phosphorylierten dimeren STAT-Proteine stimulieren nun ihrerseits die Replikation spezifischer Zielgene im Zellkern. Der Inhibitor der Januskinase TYK2 (non-receptor tyrosine-protein kinase 2) Deucravacitinib führt zu einer reduzierten Phosphorylierung von STAT-Proteinen und unterbindet die Aktivierung des nachgeschalteten Signalwegs mit Beteiligung von TYK2. Als Folge wird bei Patienten mit Plaque-Psoriasis eine Verbesserung der Erkrankungssymptomatik erreicht. *JAK steht für die Januskinasen JAK1 oder JAK2.

Erhöhtes Infektionsrisiko!

Aufgrund der immunsuppressiven Wirkung können während einer Deucravacitinib-Therapie verstärkt bakterielle, virale oder mykotische Infektionen vorkommen. Bei Vorliegen von klinisch bedeutsamen aktiven­Infekten sollte die Behandlung mit dem TYK2-Inhibitor erst nach deren Abklingen oder dem Durchführen einer ange­messenen antiinfektiösen Therapie eingeleitet werden. Auch latente Tuberkulose-Infektionen sollten vor Beginn der Deucravacitinib-­Therapie effektiv behandelt werden. Bei Vorliegen einer aktiven Tuberku­lose-Erkrankung besteht eine Kontraindikation. Unter der Anwendung von Deucravacitinib könnte zudem das Risiko von malignen Erkrankungen, einschließlich Lymphomen und nicht melano­zytärem Hautkrebs, erhöht sein. Ein kausaler Zusammenhang mit der TYK2-Hemmung wurde allerdings noch nicht eindeutig nachgewiesen. Ob Deucravacitinib wie verschiedene andere Januskinasen-Inhibitoren mit dem Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie nicht tödlichen Myokardinfarkten oder Schlagan­fällen, tiefen Venenthrombosen und Lungenembolien assoziiert ist, muss eingehender untersucht werden. So lange ist bei entsprechend prädisponierten Patienten vor dem Einsatz des Antipsoriatikums eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung angeraten. Vor Beginn einer Deucravacitinib-Therapie sollten in Übereinstimmung mit den geltenden Impfempfehlungen alle Immunisierungen auf den aktuellen Stand gebracht werden, da keine Studien zum Ansprechen auf Impfungen während der Behandlung durchgeführt wurden. Die Anwendung von Lebend­impfstoffen ist während oder unmittelbar vor Therapiebeginn zu vermeiden.

POETYK-Studienprogramm

Die Zulassung von Deucravacitinib beruht auf den beiden randomisierten, doppelblinden, placebo- und aktiv kontrollierten Phase-III-Studien POETYK PSO-1 und POETYK PSO-2 mit insgesamt 1686 Teilnehmern. Die erwachsenen Patienten litten unter mäßig­gradiger bis schwerer Plaque-Psoriasis und wurden in den beiden sehr ähnlich aufgebauten Untersuchungen alternativ mit Deucravacitinib, dem Phosphodiesterase-4-Hemmer Apremilast oder Placebo behandelt. Nach 16-wöchiger Therapie wurde bei 55% der Teilnehmer aus den beiden Verumgruppen eine mindestens 75%ige Reduktion des Psoriasis-Area-Severity-Index(PASI)-Scores ermittelt. Die Werte unter Apremilast- bzw. Placebogabe betrugen 38% und 11%, entsprechend einer signifikanten Überlegenheit von Deucravacitinib. Der Anteil an Patienten mit völligem Verschwinden der Psoriasis-Symptomatik (PASI 100) lag unter dem TYK2-Inhibitor bei etwa 12%, im Vergleich zu etwa 4% bzw. 1% nach Gabe von Apremilast und Placebo. Nach Anwendung von Deucrava­citinib konnte bei 51% der Patienten ein statistic-Physicians-­Global-Assess­ment(sPGA)-Score von 0 oder 1, entsprechend einem erscheinungsfreien oder nahezu erscheinungsfreien Hautbild, erzielt werden, wobei die Verbesserung zum Erreichen des Endpunkts auf der sechsstufigen Skala mindestens zwei Punkte betragen musste. In den Apremilast- und Placeboarmen war dies bei 33% bzw. 8% der Teilnehmer der Fall, was wiederum auf eine signifikante Überlegenheit des TYK2-Inhibitors hinwies. Der durch Deu­cravacitinib erreichte Nutzen konnte in beiden Studien über einen Zeitraum von 52 Wochen aufrechterhalten werden. Die Inzidenz von Nebenwirkungen in den Verumgruppen lag auf Placeboniveau.

 

Neue Arzneimittel 2023

In der bisher monatlich erschienenen DAZ-Beilage „Neue Arzneimittel“ stellte Apothekerin Dr. Monika Neubeck neue Wirkstoffe vor und ordnete sie in die bestehenden Therapie­optionen ein. Seit Januar 2023 finden Abonnentinnen und Abonnenten der DAZ die neuen Arzneistoffe auf DAZ.online unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/arzneimittel. Dort gibt es auch ein Archiv mit allen seit 2000 eingeführten Wirkstoffen. Neu hinzugekommen sind:

  • Loncastuximab tesirin
  • Maralixibat
  • Tabelecleucel
  • Voclosporin

Für die Offizin bedeutsame Wirkstoffe stellen wir in der Print-Ausgabe der DAZ regelmäßig in der Rubrik „Neue Arzneimittel“ vor.

Vorteil bei Spritzenangst

Der neue Wirkstoff Deucravacitinib kann nach derzeitigem Kenntnisstand nur bedingt als therapeutischer Fortschritt eingestuft werden. In den zulassungsrelevanten Studien hat sich Deucravacitinib dem Standardtherapeutikum Apremilast zwar signifikant überlegen gezeigt. Mit anderen modernen Antipsoria­tika wie beispielsweise dem Interleukin-17A-Antikörper Secukinumab oder dem Interleukin-17A- und 17F-Inhibitor Bimekizumab sind jedoch deutlich bessere Resultate erreichbar. Hier treten bei 50 bis 60% der Behandelten PASI-100-Scores, entsprechend einer völligen Heilung, auf. Unter Deucravacitinib-Therapie ist dies nur bei etwa 12% der Patienten der Fall. Direkt vergleichende Unter­suchungen der genannten Substanzen bleiben für eine tragfähige Beurteilung abzuwarten. Ein gewisser Vorteil von Deucravacitinib liegt in der Tatsache begründet, dass es peroral verfügbar ist. Vor allem Patienten mit Spritzenangst bleibt somit die bei vielen anderen Antipsoriatika erforderliche sub­kutane Injektion erspart. Allerdings muss beispielsweise Bimekizumab während der Erhaltungstherapie in Abständen von acht Wochen mithilfe eines Fertigpens injiziert werden, was von den meisten Patienten durchaus akzeptiert wird. |

Autorin

Dr. Monika Neubeck hat in Frankfurt am Main Pharmazie studiert und ordnet für die DAZ regelmäßig die neuen Arzneimittel ein.

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

Literatur

[1] Fachinformation zu Sotyktu®, Stand März 2023

[2] Armstrong AW, Gooderham M, Warren RB et al. Deucravacitinib versus placebo and apremilast in moderate to severe plaque psoriasis: Efficacy and safety results from the 52-week, randomized, double-blinded, placebo-controlled phase 3 POETYK PSO-1 trial. J Am Acad Dermatol 2023;88(1):29–39, doi: 10.1016/j.jaad.2022.07.002

[3] Strober B, Thaçi D, Sofen H et al. Deucravacitinib versus placebo and apremilast in moderate to severe plaque psoriasis: Efficacy and safety results from the 52-week, randomized, double-blinded, phase 3 Program fOr Evaluation of TYK2 inhibitor psoriasis second trial. J Am Acad Dermatol 2023;88(1):40–51, doi: 10.1016/j.jaad.2022.08.061

[4] EPAR summary for the public. Sotyktu® Deucravacitinib. Informationen der Europäischen Arzneimittel-Agentur, EMA/109564/2023

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