Arzneimittel und Therapie

Medikation unter der Lupe

Tipps und Tricks für die Medikationsanalyse – Fall 9: Eine Patientin mit schmerzenden Beinen und Mundtrockenheit

Erweiterte Medikationsberatung ist eine der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, die Apotheken ihren Patientinnen und Patienten mit Polymedikation anbieten können. Herzstück ist eine Medikationsanalyse. Sie ist die Basis für das Erkennen und Lösen von arzneimittelbezogenen Problemen. Neben einem strukturierten Vorgehen ist detek­tivischer Spürsinn gefragt. Mit unserer crossmedialen Serie „Medikation unter der Lupe“ fordern wir diesen Spürsinn heraus.
Foto: MaG8 – unsplash.com

Einmal im Monat stellen wir in der DAZ und auf DAZ.online einen Fall vor und geben Anregungen für Lösungen. Dann sind Sie gefragt. Wie würden Sie vorgehen, um die Probleme in den Griff zu bekommen? Ihren Lösungs­ansatz können Sie dann in einem Webinar mit unseren Autorinnen und Autoren diskutieren, die ihrerseits einen Vorschlag präsentieren werden. Das Webinar zu unserem neunten Fall, den hier Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch, Campus Pharmazie GmbH Hamburg, vorstellt, startet am 21. Juni 2023 um 20:00 Uhr.

Der Fall

Die Patientin: Frau M. L., eine 76-jährige Patientin mit den aktuell bekannten Diagnosen Hypertonie, Dyslipid­ämie und Anämie, ist verwitwet und lebt selbstversorgend allein in einer Wohnung.

Subjektive Parameter: Frau L. berichtet von Beinschmerzen, die sie mit der Einnahme von Rosuvastatin in Zusammenhang bringt, und möchte gerne wissen, ob und wie die Schmerzen zu beseitigen wären. Die Beschwerden verstärken sich beim Gehen und klingen beim Pausieren wieder ab. Gelegentlich treten sie auch nachts im Liegen auf, gehen aber nicht mit Bewegungsdrang einher. Manchmal hat die Patientin Wadenkrämpfe, dagegen nimmt sie Magnesium ein. Die Frage nach Mund­trockenheit bejaht sie, vor allem morgens würde sie das bemerken.

Objektive Parameter:

Die Medikation, die die Patientin zurzeit einnimmt, zeigt die Tabelle.

Tab.: Medikation von Frau L.
Wirkstoff/Präparat
Stärke
Form
morgens
mittags
abends
besondere Hinweise
ASS ABZ 100 mg TAH
100 mg
Tablette
1
Candesartancilexetil (Candecor)
16 mg
Tablette
1
1
Carvedilol Hexal
25 mg
Tablette
1
1
Lercanidipin Omniapharm
10 mg
Filmtablette
1
1
Moxonidin 1A Pharma
0,3 mg
Filmtablette
1
1
Rosuvastatin Vivanta
10 mg
Filmtablette
1
im März 2023 von 20 mg reduziert
Doxazosin
4 mg
1
neu, da der Blutdruck am Morgen zu hoch
Magnesium Verla
300 mg
Dragee
bei Bedarf
ca. alle zwei Tage
Metamizol
500 mg
Tablette
bei Bedarf
selten
Doxylamin (Hoggar Night)
25 mg
Tablette
bei Bedarf
momentan fast täglich

Aus der Historie geht hervor, dass vor dem Lercanidipin Amlodipin 5 mg verwendet wurde (Umstellung vor ca. drei Monaten). Zur selben Zeit wurde Metoprolol succ (47,5 mg) abgesetzt. Zuletzt vor neun Monaten wurden außerdem Rezepte für Tardyferon ret. (50 Stück) und Pantoprazol 20 mg (100 Stück) eingelöst. Vor drei Monaten bezog sie zudem Vitamin-B-Komplex Ratio 60 Stück, die aktuell nicht in der Arzneimitteltüte enthalten waren.

Die Patientin ist irritiert, dass sie so viele Antihypertensiva einnehmen soll, obwohl der Blutdruck mit 130/90mmHg doch „ganz gut“ sei. Sie relativiert das allerdings: der „untere Wert soll auf 80“ und manchmal liege der obere auch bei 150 mmHg. Wegen der Anämie wurde bereits eine Magen- und eine Darmspiegelung durchgeführt. Dabei ergab sich kein Anhaltspunkt für gastrointestinale Blutungen. Vor acht Jahren wurden zwei Koronarstents gesetzt. Eine Untersuchung der Venenfunktion in den Beinen habe kürzlich keine Auffälligkeiten ergeben. Die Patientin verwendet eine Tablettenbox für sieben Tage, die sie regelmäßig füllt und in der Küche auf­bewahrt. Dort sei es weder feucht noch sonnig, und sie habe die Medikation täglich mehrfach im Blick, so dass sie keine Einnahmen vergesse. Nach Angabe der Patientin wird regelmäßig Rückengymnastik („Fit im Alter“) wahrgenommen, und nun sei auch Wassergymnastik verordnet worden. Sie rauche nicht und trinke selten (ca. zweimal pro Woche) Alkohol.

Tipps und Tricks

Bei der Bearbeitung dieses Falles ist die Durchführung eines Medikationsabgleichs notwendig. Es sollte auf die Hauptbeschwerden des Patienten eingegangen werden. Welche Therapie­ziele werden mit der Arzneimitteltherapie verfolgt und welche arzneimittelbe­zogenen Probleme (ABP) liegen hier vor?

Die Medikation sollte auf folgende arzneimittelbezogene Probleme überprüft werden:

  • falsche Dosierung (Über-/Unterdosierungen/Dosierungs­intervall)
  • ungeeignete Darreichungsform
  • Einnahmezeitpunkte
  • Doppelmedikation, Pseudodoppelmedikation
  • Kontraindikationen (Alter/Geschlecht/Nierenfunktion …)
  • Interaktionen
  • fehlendes Arzneimittel trotz Indikation
  • fehlende Indikation für verordnetes Arzneimittel
  • Handhabungsprobleme
  • Probleme mit Therapie- und Einnahmetreue
  • Bericht von empfundener Nebenwirkung
  • Aufbewahrung der Medikation

Weitere interessante Fragen zum Fall:

  • Wie äußern sich Statin-bedingte Muskelschmerzen genau?
  • Wie viel Prozent der Statin-Patienten haben keineMuskel­beschwerden?
  • Wie sollte damit umgegangen werden, wenn Muskelbeschwerden mit hoher Wahrscheinlichkeit durch ein Statin ausgelöst werden?
  • Welche Erkrankungen fallen Ihnen ein, für die die beschriebenen Muskelbeschwerden typisch wären?

Lösungswege

Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch wird am 21. Juni 2023 um 20:00 Uhr mit Ihnen in einem Webinar Lösungs­wege diskutieren.

Das Webinar ist buchbar unter https://akademie.dav-medien.de/medikation-unter-der-lupe-fall-9

Das Webinar ist kostenfrei für Abonnenten der DAZ und Scholz online sowie für DPhG-Mitglieder.

Alle anderen zahlen 35,00 Euro für die Teilnahme. |

Disclaimer

Die Kasuistiken beruhen teils auf tatsächlichen Gegebenheiten, teils auf Ergänzungen und Fiktion. Ihren Pharmakovigilanz-Verpflichtungen sind die Autorinnen und Autoren nach eigenem Ermessen und nach eigener Bewertung nachgekommen.

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