Aus den Ländern

Conrad-Moench-Medaille für „keinen typischen“ Pharmazeutischen Biologen

Landesapothekerkammer Hessen ehrt Theo Dingermann im Rahmen der zentralen Fortbildung

jb | Am 17. und 18. Juni 2023 fand die zentrale Fortbildung der Landesapothekerkammer Hessen statt – endlich wieder in Präsenz in Gießen. Trotz strahlendem Sonnenschein und dem wenig fröhlich stimmenden Thema – neurodegenerative Erkrankungen – hatten zahlreiche Kolleginnen und Kollegen den Weg in die Kongresshalle gefunden. Im Rahmen der Veranstaltung wurde Professor Theo Dingermann mit der höchsten Auszeichnung der hessischen Apotheker, der Conrad-Moench-Medaille ausgezeichnet.

Die Befürchtungen von Kammerpräsidentin Ursula Funke, der Saal könne leer bleiben, hatten sich zum Glück nicht bewahrheitet, war es doch ein Novum, und wohl auch die Ausnahme, dass die zentrale Fortbildung im Juni stattfand. Üblicherweise trifft sich Hessens Apothekerschaft im März zur Frühjahrsfortbildung. Aber der Saal in Gießen war gut gefüllt. Funke kam bei ihrer Begrüßung auf den Protesttag am Mittwoch vergangene Woche zu sprechen. „Der 14. Juni 2023 geht in die Apothekergeschichte ein,“ so die Kammerpräsidentin. In ganz Deutschland haben Apotheker und Apothekenteams für bessere Rahmenbedingungen, für die dringend notwendige Änderung der wirtschaftlichen Basis, für erleichterte Arzneimittel- und damit eine verbesserte Patientenversorgung, für eine Abschaffung sinnloser Bürokratie und für mehr Attraktivität der Apothekenberufe in der Apotheke demonstriert. Sie appellierte an die Kolleginnen und Kollegen, „den Geist vom Mittwoch zu bewahren und weiterzuentwickeln“. „Nur gemeinsam sind wir stark, gemeinsam können wir etwas bewegen! Bilder vom Mittwoch prägen – lassen wir gemeinsam nicht nach, ziehen wir weiterhin an einem Strang, um unsere Forderungen umzusetzen!“

Vor dem Start der Fortbildung stand noch eine Ehrung an, die Verleihung der Conrad-Moench-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Kammer. Conrad Moench war der erste Apotheker, der einen Lehrauftrag an der Uni Marburg hatte. Die Medaille wird verliehen an Kolleginnen und Kollegen, die sich in „herausragender Weise“ um die Fortbildung der hessischen Apothekerschaft verdient gemacht haben. Verliehen wurde sie an Professor Theo Dingermann.

Foto: LAK Hessen

Kammerpräsidentin Ursula Funke und Professor Theo Dingermann mit der Medaille.

„Ein Glücksfall für Hessens Apothekerschaft“

Es sei ein Glücksfall für die Apothekerschaft in Hessen und ganz speziell in Frankfurt gewesen, dass er 1990 den Ruf auf die C4-Professur für Pharmazeutische Biologie an die Goethe-Universität in Frankfurt angenommen hatte und Frankfurt trotz mehrerer Rufe u. a. nach Jena und Zürich, die er nicht angenommen hatte, treu geblieben war. Er sei für damalige Verhältnisse kein „typischer“ Pharmazeutischer Biologe gewesen, denn für „Pflanzenbestimmungen, Spaltöffnungen oder Calciumoxalat-Drusen“ habe er nur wenig übriggehabt. Stattdessen seien Gentechnik, Biotechnik, Immunologie und Stratifizierte Pharmakotherapie seine Themen gewesen – diese rückten in den Fokus in Lehre und Fortbildung. Funke lobte zudem Dingermanns rege Vortragstätigkeit. Seine Vorträge garantierten ein volles Haus. Auch was Digitalisierung angeht, habe er in der Frankfurter Pharmazie Maßstäbe gesetzt. So sei ihm der frühzeitige Einsatz von Internet und Tablets in der Lehre zu verdanken. Darüber hinaus sei er berufspolitisch engagiert als langjähriges Mitglied der Delegiertenversammlung.

Im Namen des Vorstands und der Geschäftsführung, aber auch aller hessischen Apothekerinnen und Apotheker, dankte Funke Dingermann für seinen „riesigen und unermüdlichen Einsatz, für seine Ideen, sein Mitdenken, sein Mitgestalten und für das Übernehmen von Verantwortung. Er habe sich für die hessischen Apothekerinnen und Apotheker sehr eingesetzt. „Du bist in Aus-, Fort- und Weiterbildung einer derjenigen, der Maßstäbe gesetzt hat und an dem sich Kollegen in Zukunft messen müssen,“ so Funke. „Wir sind froh und auch stolz, dass du zu unserer Kammer gehörst, und ich freue mich sehr, Dir nun die Conrad-Moench-Medaille zu verleihen.“

Parkinson, Schlaganfall und ALS

Weiter ging es mit weniger erfreulichen Themen – neurodegenerativen Erkrankungen, wenngleich auf hohem fachlichem Niveau. Den Anfang machte Prof. Dr. med. Andreas Meisel, Neurologe an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er widmete sich dem Schlaganfall – mit kritischem Blick. So gehöre dieser unverändert zu den häufigsten Todesursachen und sei der wichtigste Grund dauerhafter Behinderung in der westlichen Welt. Trotz bedeutender Erfolge in der Therapieentwicklung der letzten drei Jahrzehnte blieben die nach einem Schlaganfall entstandenen Folgen für ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit erheblichen Einschränkungen in der Teilhabe am Leben und enormen familiären und sozialen Belastungen verbunden. Meisel kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem das Fehlen einer strukturierten Nachsorge für Schlaganfallpatienten. Eine bedarfsgerechte Versorgung der Betroffenen sei weitgehend die Ausnahme.

Weiter ging es mit Morbus Parkinson. Hier stellte Prof. Dr. Dr. Wolfgang Oertel von der Philipps-Universität Marburg in Aussicht, dass es in den nächsten zehn Jahren eine Therapie geben wird, die verhindert, dass Patienten von der Prodromalphase, die lange vor Auftreten der ersten Symptome beginnt, in die Bewegungsstörung rutschen. Laut Oertel ist das Auftreten einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung (REM Sleep Behaviour Disorder – abgekürzt RBD) in Kombination mit anderen Markern ein guter Prädiktor, ob jemand an Parkinson erkranken wird. Er versucht nun, Probanden mit RBD für eine Studie zu rekrutieren, um eine neuroprotektive Therapie, die den Switch zur symptomatischen Erkrankung verhindern soll, unter randomisierten placebokontrollierten Bedingungen zu testen.

Im dritten Vortrag, dem letzten am Samstag, erläuterte Dr. Bertold Schrank, DKD Helios Klinik Wiesbaden, das Krankheitsbild der ALS, die häufigste Muskelschwunderkrankung mit Beginn im Erwachsenenalter. Die Optionen sind hier überschaubar: Bislang ist Schrank zufolge in der EU nur ein Medikament zugelassen, bei dem ein – wenn auch geringer – günstiger Einfluss auf die Erkrankung nachgewiesen werden konnte, nämlich Riluzol. Vielversprechend seien zumindest bei bestimmten ALS-Formen Ansätze für eine Antisense-Oligonucleotid-Therapie. Bislang spiele aber eine supportive Behandlung wie die Bereitstellung von Hilfsmitteln die größte Rolle.

Demenz und MS am Sonntag

Frisch ausgeruht durften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann dem einzigen Apotheker unter den Referenten lauschen, Prof. Dr. Carsten Culmsee, der in Marburg einen Lehrstuhl für Klinische Pharmazie innehat. Sein Thema: Morbus Alzheimer. Neben einem Überblick über die bestehenden Therapieansätze, die Culmsee zufolge überschaubar sind, ging Culmsee auch auf die aktuelle Forschung, unter anderem zu Antikörpern, ein. Die Belege, dass diese Ansätze wirksam sind, stehen allerdings noch aus.

Neurologin Dr. Ann-Sophie Lauenstein von der DKD Helios Klinik Wiesbaden widmete sich dann der multiplen Sklerose. Ein Krankheitsbild, bei dem sich tatsächlich in den letzten Jahren viel getan habe. Man habe teils sogar die Qual der Wahl, was die Wirkstoffe betrifft. Die schubförmige Variante ließe sich mittlerweile gut in Schach halten. Weiterhin stelle aber sowohl die primäre als auch die sekundäre Progredienz eine Herausforderung dar. Diese könnten zwar verlangsamt werden, aber es fehlten unter anderem Strategien zur Remyelinisierung und um die Inflammation im ZNS in den Griff zu bekommen.

Zum Schluss ging Psychiater Dr. Peter Wagner vom Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt auf herausforderndes Verhalten bei Demenz ein. Neuropsychiatrische Symptome (oder auch herausforderndes Verhalten) betreffen Wagner zufolge im Verlauf bis zu 90% der Demenzpatienten. Dabei gelte es immer erst, die Ursachen abzuklären. Möglicherweise stecke Schmerz hinter der Aggressivität. Er ging dann auf die möglichen pharmakologischen und psychosozialen Maßnahmen ein und thematisierte aber auch, welche Herausforderung die zu erwartende Zunahme an Demenzpatienten bei gleichzeitig immer schlimmer werdendem Mangel an Pflegekräften mit sich bringt.

Die nächste zentrale Fortbildung der Kammer findet im Herbst dann wieder digital statt. |

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