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Aus den Ländern
„Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“
Einblicke in die ABDA-Öffentlichkeitsarbeit auf der Kammerversammlung der LAK Brandenburg
Wer in der Apotheke arbeitet, weiß es: Die Lage hat sich in den vergangenen Monaten zugespitzt: steigende Kosten, Inflation, eine verschärfte Personalsituation – und eine Schließungswelle, die weiter Fahrt aufgenommen hat. Bundesweit ist die Apothekenzahl unter 18.000 abgesackt – und auch Brandenburg ist von diesem Trend nicht verschont geblieben. Wie Dobbert berichtete, schlossen 2022 zehn Apotheken im Land für immer. Im laufenden Jahr kamen weitere sieben hinzu, sodass es jetzt noch 546 Apotheken in Brandenburg gibt. „Und ich vermute: Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“, sagte Dobbert. Auch die finanzielle Situation ist bekannt: Der Kassenabschlag ist im vergangenen Februar auf 2 Euro gestiegen, während das apothekerliche Fixhonorar seit über einem Jahr stillsteht. Die Versorgung gesetzlich Versicherter ist nach den Daten der Treuhand Hannover zum Zuschussgeschäft geworden.
Was die – längst nicht überwundenen – Lieferengpässe betrifft, so erklärte der Kammerpräsident, es sei immer öfter festzustellen, dass der Großhandel Arzneimittel nicht liefern könne. Frage man bei den Herstellern selbst, seien die Präparate verfügbar – allerdings ohne die gewohnten Konditionen. Zugleich haben die Apotheken es mit einem Bundesgesundheitsminister zu tun, dessen Haus ein „Faktenblatt“ an Journalistinnen und Journalisten herausgibt, das zeigt, dass man dort von Betriebswirtschaft wenig weiß. Nicht nur für Dobbert ist klar: „Bei der Vergütung muss etwas passieren.“
Immerhin: Beim Arzneimittellieferengpassbekämpfungsgesetz (ALBVVG) gab es Bewegung. Nullretaxationen sind künftig in bestimmten Fällen – unter anderem bei Nichteinhaltung von Rabattverträgen – untersagt und das Präqualifizierungsverfahren für die Hilfsmittelabgabe in der Apotheke Geschichte. Angesichts der jüngsten Retaxationen der IKK Classic wegen einer fehlender Dosierangabe auf Rezepten für Rezepturen hofft Dobbert nun, dass die Kassen die Zeit bis zum Inkrafttreten des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) nicht dazu nutzen, noch weitere Retaxwellen zu starten.
Positive Resonanz zum Protesttag
Und Dobbert sieht weitere positive Wendungen: Aus der Imagekampagne der ABDA seien die Plakate mit den Sprüchen: „Geht nicht gibt’s nicht“ oder „Weil’s Spaß macht“ verschwunden. Zudem ist der Protesttag am 14. Juni klar als Erfolg zu verbuchen. Zwar habe es auch in Brandenburg Apotheken gegeben, die aus verschiedenen Gründen nicht mitprotestieren wollten – der Kammerpräsident selbst tauschte seinen Notdienst an diesem Tag mit einer Kollegin, die ihn offenbar gern übernahm. Dennoch: Die Resonanz war zumeist positiv – ob im direkten Gespräch mit den Menschen oder auch in der Publikumspresse. Auch wenn es vereinzelt noch immer Medien gebe, die komplexe Sachverhalte nicht verstünden und es bequemer fänden, „Porsche fahrende Apotheker durchs Dorf zu jagen“.
Keine Kammerversammlung in Potsdam, in der die so dringend ersehnte Etablierung eines Pharmaziestudiengangs in Brandenburg nicht Thema ist. Seit Jahren kämpft die Kammer darum und führt Gespräche über Gespräche. Ganz aktuell habe er nochmals an Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wissenschaftsministerin Manja Schüle (beide SPD) geschrieben, berichtete Dobbert. Ob es nicht doch Zeit wäre, an einem neuen Standort in der Lausitz eine Hochschule für Heilberufe zu etablieren. Schon 2021 hatte sich die Apothekerkammer zu diesem Zweck mit den Ärzten und Zahnärzten im Land zusammengetan. Doch nach wie vor bleibt das Pharmaziestudium liegen – während sich für die Ärzte und Zahnärzte neue Möglichkeiten auftun.
ABDA-Öffentlichkeitsarbeit: Es wird zurückgegiftet
Nach dem Bericht des Präsidenten stellte sich ABDA-Kommunikationschef Rohrer den Delegierten vor – er hatte zum 15. April den neuen Posten übernommen und seitdem bereits einiges zu tun. Auch in Brandenburg, wo man zuvor ein massives Problem mit der ABDA-Pressearbeit hatte, ist man froh über den frischen Wind. Rohrer stand dem Kammerpräsidenten und den Delegierten Rede und Antwort. Dabei machte er deutlich, dass sich in den vergangenen Wochen bereits viel in der Pressearbeit verändert habe. Die Anfragen von Medien haben sich massiv erhöht – natürlich auch bedingt durch den Protesttag. Aber Rohrer versprach, auch sonst bei einem neuen Stil zu bleiben: „Wenn uns irgendjemand angiftet – wie zum Beispiel die IKK Classic – dann giften wir zurück“. So etwas werde er sich nicht mehr gefallen lassen.
Die Sommer-Strategie der ABDA
Wissen wollten Dobbert und die Delegierten natürlich, ob die ABDA nun so lautstark wie zuletzt bleiben werde. Das konnte Rohrer nur mit einem bedingten Ja beantworten. Der Protesttag am 14. Juni sei ein „vorläufiger Höhepunkt“ in der Eskalationsstrategie gewesen, der sich nicht eins zu eins wiederholen lasse. Diese Strategie habe die ABDA-Mitgliederversammlung beschlossen, um den Zehn-Punkte-Forderungskatalog durchzusetzen. Nachdem es erste Signale aus der Politik für ein Entgegenkommen gab, allerdings nicht beim Honorar, sei man Schritt für Schritt vorangegangen. Mittlerweile sind mit dem Engpassgesetz drei Punkte aus dem Forderungskatalog umgesetzt worden. Der Protesttag hatte da ein wohlbedachtes Timing, wie Rohrer betonte. „Im August nochmal so ein Ding zu machen, würde verpuffen“, erklärte er. Stattdessen habe sich der ABDA-Vorstand entschieden, über den Sommer eine „Nadelstichstrategie“ zu fahren. Man werde immer wieder mit kleineren Maßnahmen an die Forderungen erinnern. Denn die Forderung nach einer Honoraranpassung wird die ABDA nicht fallen lassen. Rohrer versprach: Hier werde weitergebohrt – auch wenn noch nicht ganz klar sei, auf welchem Weg. Zugleich warnte er auch vor zu hohen Erwartungen: Selbst wenn man im Herbst nochmals eine Welle schlage, heiße das nicht, dass das Fixhonorar erhöht werde. Eine Kausalität zwischen Lautstärke und Honorar gebe es nicht. Und die Politik sei einfach sehr weit weg davon, hier etwas zu tun. Vielmehr scheinen die Ampelvertreter zu erwarten, dass die Apotheken erst einmal dankbar dafür sind, was mit dem ALBVVG für sie erreicht wurde.
Die Guerilla-Truppe der ABDA
Eine weitere Frage rankte um die Nachwuchsinitiative AByou. Nicht für jeden scheint auf den ersten Blick verständlich, welche Aufgabe diese zwar vergleichsweise jungen, aber doch etablierten Apothekerinnen und Apotheker übernehmen. Wo sei ihre Legitimation, und laufe man nicht Gefahr, dass so etwas geschieht wie beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden, dem man viele Möglichkeiten der Beteiligung eingeräumt hat, der aber zum Beispiel bei der Zukunftsklau-Kampagne nicht dabei sein wollte. Rohrer betonte, dass hinter AByou authentische junge Kollegen und Kolleginnen stünden, die auch noch in 30 Jahren ihre Apotheken führen wollen. Sie seien nicht in den ABDA-Gremien, „aber sie gehen für uns viral“. Auch das sei für die Kommunikation wichtig. „Sie sind unsere Guerilla-Truppe“, sagte Rohrer.
Sorgenkind pDL
Daneben setzt die ABDA weiter auf ihre bekannten Kampagnen – im Vordergrund stehen dabei derzeit das E-Rezept, die pharmazeutischen Dienstleistungen und die Nachwuchsgewinnung. Was die pharmazeutischen Dienstleistungen betrifft, ermunterte Rohrer die Apothekerinnen und Apotheker erneut, diese anzubieten – „messen Sie zumindest Blutdruck!“. Die jüngsten Zahlen zu den abgerechneten Dienstleistungen seien „ernüchternd“. Das Geld im Fonds werde immer mehr – wenn hier nicht was passiere, werde man Argumentationsprobleme bekommen. Die ABDA setzt durch ihre Kampagne nun auch darauf, die Nachfrage zu erhöhen. Damit die Apothekenkunden und -kundinnen die Leistungen nachfragen, müssen sie sie natürlich auch kennen.
PTA-Schule wirbt um Spenden
Zum Abschluss der Kammerversammlung wandte sich noch Clemens Tründelberg, Schulleiter der PTA-Schule Eisenhüttenstadt – Brandenburgs einziger PTA-Schule – an die Delegierten. Er warb vor allem um Spenden für seine Schule. Denn für Investitionen, etwa in neue Geräte, gebe es vom Land kein Geld. „Solange die PTA-Ausbildung in Brandenburg nur eine freiwillige Leistung ist, bekommen wir keine Mittel“. Zudem appellierte Tründelberg nochmals, für Apothekenberufe wie den der PTA zu werben. Denn die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber für die nicht vergütete Ausbildung ist nach wie vor äußerst gering. |
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