E-Rezept

Neuer Anlauf für das E-Rezept

Am 1. Juli soll die Einlösung mittels Versichertenkarte möglich sein

Ab dem 1. Juli 2023 sollen Versicherte ihre elektronischen Rezepte in der Apotheke vor Ort auch mit der Versichertenkarte (eGK) abrufen können. Diesen Starttermin hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ­bekräftigt. Wir haben uns das Verfahren einmal angesehen. | Von Florian Giermann 
Foto: imago images/Zoonar

Die ursprüngliche von der Gematik angedachte Variante zum Abruf von E-Rezepten mittels der Versichertenkarte war kurz vor dem geplanten Start vergangenes Jahr vom Bundes­datenschützer gekippt worden, weil nicht sichergestellt war, dass nur Berechtigte E-Rezepte abrufen können. Hintergrund war eine Sicherheitslücke, die es erlaubte, allein mit der Krankenversichertennummer (KVNR) und einem TI-Zugang, ohne weiteren Prüfnachweis, wie der zur jeweiligen eGK gehörenden PIN oder einer anderen Form der Identitätsprüfung, auf Ver­sichertendaten zuzugreifen. Weiter gedacht war damit nicht auszuschließen, dass beispielsweise Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter oder IT-Personal die auf dem Gematik-Server gespeicherten E-Rezepte abrufen.

Mitte Februar 2023 legte die Gematik eine neue Spezifikation mit zwei technischen Verfahren vor, die sicherstellen sollen, dass die Karte im Moment des Abrufs der Verordnungsinformationen auch wirklich im Kartenleser steckt. Dadurch, so die Argumentation, liege zumindest nahe, dass sich auch Patientinnen und Patienten oder deren Vertreter in der Apotheke befinden, in deren Geschäftsräumen das Kartenlesegerät bereitsteht.

Eines dieser Verfahren mit dem Namen VSDM++ wurde zwischenzeitlich freigegeben. Bereits von den Warenwirtschaftsanbietern umgesetzt, befindet es sich derzeit in Auslieferung und sollte im Juli bei den Anwenderinnen und Anwendern in Betrieb genommen werden. Das Akronym VSDM steht dabei für Versichertenstammdaten­management, einer der zentralen Anwendungen in der Telematikinfrastruktur (TI). Es war sogar die allererste Anwendung in der TI, seine Relevanz hatte es jedoch vor allem in Arztpraxen und Kliniken, wo regel­mäßig durch Stecken der Karten die Stammdaten der Versicherten erfasst werden. Apotheken kamen bislang mit dem Versichertenstammdatenmanagement nicht in Berührung. Die beiden Pluszeichen hinter „VSDM“ stehen für einen strukturierten Prüfungsnachweis, der an zwei Stellen im Prozess unabhängig voneinander generiert wird. Dabei müssen Versicherte nicht notwendigerweise selbst mit ihrer eGK in der Apotheke anwesend sein, sondern sie können auch Vertreter durch Übergabe der Karte zum Einlösen ihrer E-Rezepte autorisieren. Auf die physische Präsenz der eGK kommt es letztlich an, um als Patientin oder Patient mit ihr die Berechtigung zum Abruf von E-Rezepten zu erhalten.

Der technische Ablauf

Vereinfacht gesagt prüft der VSDM-Fachdienst nach Stecken der eGK in der Apotheke zunächst die Gültigkeit der Karte. Aus diesem Grund sollten Versicherte den Verlust ihrer Karte auch stets unverzüglich bei der Krankenkasse anzeigen, da sie ansonsten, ähnlich wie eine Kreditkarte, missbraucht werden kann. Ist die Karte gültig, wird eine Prüfziffer gebildet, die gemeinsam mit den Versichertenstammdaten und dem Prüfnachweis an die Warenwirtschaft geliefert wird. In der Warenwirtschaft wird daraufhin ein zweiter Dienst in der TI, der E-Rezept-Fachdienst, aufgerufen und die Prüfziffer an diesen übermittelt. Dieser verifiziert die Prüfziffer mit einem kryptografischen Verfahren. Bei Übereinstimmung wird die Prüfziffer als authentisch betrachtet. Liegt der in der Prüfziffer enthaltene Zeitstempel in einem definierten Zeit­fenster zum aktuellen Zeitpunkt, so können die E-Rezepte der Versicherten abgerufen werden.

Ein großer Vorteil des VSDM++-Verfahrens ist, dass die Prozesse der Apotheken wie das Abrufen, das Zurückweisen, das Löschen des E-Rezeptes sowie das Abrufen der Quittung und die Kommunikation mit dem Versicherten unverändert bleiben. Für die Apotheke wird lediglich ein Prozess ergänzt, mit dem die Informationen für das Abrufen von E-Rezepten eines Versicherten vom E-Rezept-Fachdienst ermittelt werden können, wenn die eGK eines Versicherten präsentiert wird. Für Krankenhausapotheken ist der Prozess nicht vorgesehen.

Der Vorteil dieser Vorgehensweise für Apotheken vor Ort liegt auf der Hand. Die Versichertenkarte ist ein wichtiges Dokument. Die meisten Menschen tragen sie in ihrer Handtasche oder in ihrem Portemonnaie stets bei sich. So kann sie beim Apothekenbesuch jederzeit präsentiert und ins Kartenterminal gesteckt werden. Kaum jemand wird hingegen auf die Idee kommen, seine eGK postalisch an eine Versandapotheke im Ausland zu schicken, nur um sich E-Rezepte liefern zu lassen.

Für die Versender bleiben weiterhin die bisherigen Übertragungswege: die komplett digitale Übermittlung des E-Rezeptes direkt aus der Gematik-App heraus oder über den Token. Bei letzterem handelt es sich um einen QR-Code mit einem alphanumerischen Schlüssel, der zum Abruf des E-Rezeptes vom E-Rezept-Fachdienst berechtigt. Der Token befindet sich auf den Ausdrucken zum Abruf von E-Rezepten, den an das Muster-16 angelehnten DIN-A-5-Ausdrucken, welche die Rezeptinformationen in bekannter Struktur enthalten, ergänzt durch bis zu vier dieser QR-Codes. Diese können einfach abfotografiert und versendet werden, beispielsweise mit einer verschlüsselten E-Mail. Auch in der E-Rezept-App der Gematik lassen sich E-Rezepte als Token darstellen. In der Apotheke vor Ort können diese gescannt werden, woraufhin das dazu­gehörige E-Rezept vom Server abge­rufen wird. Aber natürlich kann man von ihnen auch Screenshots mit dem Smartphone erstellen und diese dann ebenfalls digital verschicken.

Wie immer beim E-Rezept bleibt die Spannung hoch, ob der Zeitplan diesmal eingehalten wird. Aus Sicht der Apotheken vor Ort wäre dies zu begrüßen. Da sich aktuell die Anzahl der E-Rezepte auf einem überschaubaren Niveau eingependelt hat, ist deren sprunghafter Anstieg zum 1. Juli 2023 nicht wahrscheinlich. Zwar wurde kürzlich dieser Starttermin von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bekräftigt, die Kassenärzt­liche Bundesvereinigung (KBV) hat hohen Erwartungen jedoch unmittelbar danach einen Dämpfer verpasst. Auch der Zeitplan der Gematik geht von einer kontrollierten Inbetriebnahme der Funktionalität bis Ende Juli aus. |

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