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Chancen nutzen!
Ein Gastkommentar des VdPP-Vorstands
Gesundheitskioske und andere Einrichtungen der Primärversorgung ohne Apotheker? So könnte man meinen, sucht man im Referentenentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) doch vergebens nach den Begriffen Apotheke, Pharmazie, Medikamente oder Arzneimittelversorgung.
Dennoch zielt der Entwurf auf etwas wirklich Neues ab, etwas, was bisher in Einzelpraxen/Einzelapotheken nur selten funktionierte: auf interdisziplinäre, integrative Zusammenarbeit, Prävention und Gesundheitsförderung und Fokussierung auf besonders unterstützungsbedürftige Menschen, auf eine Arbeitsteilung und den optimalen Einsatz der jeweiligen beruflichen Kompetenzen, heilberuflicher und sozialer Art. Das ist bitter nötig, sollen die Probleme, die durch den demografischen Wandel, Fachkräftemangel und die unzureichende Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen bestehen, gelöst werden.
Der VdPP
Im Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) sind Kolleginnen und Kollegen organisiert, die sich nicht mit der jetzigen Situation im Gesundheitswesen abfinden möchten. Zu den Zielen gehören unter anderem eine patientenorientierte Arzneimittelberatung und -versorgung, eine evidenzbasierte Pharmazie, eine Demokratisierung des Gesundheitswesens und der Standesorganisationen, die Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen sowie der Zugang aller Menschen weltweit zu einer ausreichenden Arzneimittelversorgung. www.vdpp.de
Chancen für die Einbindung pharmazeutischer Kompetenz
Die Kommunen sollen Möglichkeiten erhalten, die vor Ort bestehenden besonderen Herausforderungen anzugehen. Ihr öffentlicher Gesundheitsdienst könnte mittels Gesundheitsberichterstattung und Versorgungs- wie Gesundheitsplanung wichtige Grundlagen bereitstellen.
Im Entwurf stecken also durchaus Chancen für die Einbindung pharmazeutischer Kompetenzen, ja diese Einbindung ist geradezu zwingend notwendig.
Zum Beispiel „Primärversorgungszentren“: Diese speziell für ältere, multimorbide Patienten gedachten Einrichtungen sollen mit dem „in erreichbarer Nähe liegenden Gesundheitskiosk oder der jeweiligen Kommune und andererseits mit […]weiteren nicht-ärztlichen Leistungserbringern“ kooperieren. Muss man da besonders fantasievoll sein, um an die pharmazeutischen Dienstleistungen zu denken? Multimedikation, Selbstmedikation und „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ sind doch zwingend mitzudenken, wenn man eine bessere Versorgung dieser besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe will.
Gute Beispiele vorhanden
Gute Beispiele sind ja durchaus schon vorhanden, z. B. in Hamburg, in Berlin oder anderswo. Oder „Gesundheitsregionen“: Hier sollen einzelne Kreise und kreisfreie Städte Netzwerke initiieren oder moderieren „zur Behebung regionaler Defizite der Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Versorgung, der Überwindung von Schnittstellen oder der Verbesserung des Zugangs zur regionalen Versorgung“. Gerade im ländlichen Raum wird es immer dringlicher, in solchen Netzwerken zu denken, um eine persönliche Versorgung vor Ort zu gewährleisten. Ohne niedrigschwellige Kompetenzzentren für Arzneimittel, ohne Apotheken und ihr pharmazeutisches Personal? Schwer vorstellbar.
Oder Gesundheitskioske: Es wird explizit erwähnt, dass mobile Gesundheitskioske „in die bereits vor Ort bestehenden Strukturen eingebettet (werden können), etwa über eine enge Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen“. Und das sind z. B. Apotheken; sie sind oftmals zentral an kleineren Orten niedrigschwellig und gut erreichbar und bieten meist ausreichend Parkgelegenheit für einen Bus, der im Auftrag eines Gesundheitskiosks unterwegs ist. Spätestens in solchen Fällen ist es mehr als naheliegend, Arzneimittel und deren Nutzen und Risiken zum Präventions- und Versorgungsthema zu machen.
Der Entwurf bietet also einiges. Aber Nutzen und Risiken von Arzneimitteln sowie die Potenziale von Apotheken und Apothekern sind bei vielen gesundheitspolitisch Verantwortlichen nicht automatisch im Blick. Da muss nachgeholfen werden. Die Apothekerschaft hat sich aber leider zu oft nachlässig gezeigt, in Kooperationen mit anderen zu denken.
Deswegen wäre eine Ablehnung der neuen Primärversorgungseinrichtungen, wie wir sie derzeit von Seiten der Kammern und Verbände hören, fahrlässig. Jetzt bestehen Chancen, in Zusammenarbeit mit den Kommunen, den Krankenkassen und den anderen Versorgern konstruktive und überzeugende Lösungen zu entwickeln – bevor große Konzerne über Versand, Telepharmazie und Shuttle-Services für die Politik vermeintlich interessantere Lösungen anbieten.
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