Neue Arzneimittel

Tezepelumab bessert Asthma-Kontrolle

Neues First-in-class-Therapeutikum erweitert Optionen bei schwerer Erkrankung

Der monoklonale Antikörper Tezepelumab (Tezspire®) ist gegen thymisches stromales Lymphopoietin gerichtet und als Add-on-Erhaltungstherapeutikum für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren mit schwerem Asthma bronchiale vorgesehen. Die Substanz wird eingesetzt, wenn die Erkrankung unzureichend auf hochdosierte inhalative Corticosteroide und weitere Arzneimittel zur Erhaltungstherapie anspricht. Durch Tezepelumab wird eine Reduktion von Asthma-Exazerbationen und damit eine signifikant verbesserte Erkrankungskontrolle erreicht.

Eine schwere Asthmaerkrankung stellt für die Betroffenen eine immer präsente Belastung dar. Insbesondere, wenn alle bislang verfügbaren Therapieansätze wie inhalative oder systemische Corticosteroide, langwirksame β2-Sympathomimetika wie Olodaterol sowie Xanthine oder Substanzen aus der Gruppe der Parasympatholytika keine zuverlässige Kontrolle bieten. Der im November 2022 auf dem deutschen Markt eingeführte IgG2λ-Antikörper Tezepelumab besitzt mit thymischem stromalem Lympho­poietin (TSLP) ein völlig innovatives Target.

Als epitheliales Zytokin hat TSLP wichtige immunregulatorische Funktionen im Rahmen von entzündlichen und malignen Erkrankungen. Offenbar steht es am Anfang mehrerer Entzündungskaskaden und wird als Warnsignal auf verschiedene Reize, unter anderem durch Allergene, Zigarettenrauch, Bakterien- oder Viren­befall, aus Geweben wie Lungen- oder Darmepithelzellen freigesetzt. Als Folge kommt es zu einer Aktivierung von dendritischen Zellen, die ihrerseits eine Reifung von T-Helferzellen vom Subtyp 2 auslösen. Weiterhin bewirkt das Zytokin eine Aktivierung von angeborenen lymphatischen Zellen und Makrophagen, die wiederum eosinophile und neutrophile Granulozyten sowie Mastzellen anlocken. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das thymische stromale Lymphopoietin an der Pathophysiologie von Asthma bronchiale, aber auch von atopischer Derma­titis, Nahrungsmittelallergien und malignen Erkrankungen wie Mamma-, Kolon- und Pankreaskarzinomen sowie der akuten B-Zell-Leuk­ämie beteiligt.

Tezepelumab blockiert den TSLP-Signalweg

Der monoklonale IgG2λ-Antikörper Tezepelumab ist gegen thymisches stromales Lymphopoietin gerichtet und verhindert dessen Interaktion mit dem zugehörigen heterodimeren Rezeptor. Bei Asthmapatienten, deren TSLP-Spiegel aufgrund von allergischen und/oder nicht-allergischen Auslösern hochreguliert ist, wird durch die Blockade des TSLP-Signalwegs die Ausschüttung von verschiedenen Biomarkern und proinflammatorischen Zytokinen reduziert, die mit Atemwegsentzündungen assoziiert sind. Beispielsweise wurde durch Tezepelumab eine klinisch relevante und anhaltende Abnahme von Immunglobulin-E-, FeNO-, Interleukin-5- und -13-Werten sowie von Eosinophilen-Konzentrationen im Blut und in der Atemwegsschleimhaut festgestellt. Aufgrund seines verzögerten Wirkungseintritts ist der Antikörper allerdings nicht zur Behandlung von akuten Asthma-Exazerbationen geeignet.

Abb.: Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine Das epitheliale Zytokin thymisches stromales Lymphopoietin (TSLP) wird aufgrund verschiedener Reize durch Allergene, Zigarettenrauch, Bakterien- oder Virenbefall aus Geweben wie den Lungenepithelzellen freigesetzt. Über die Bindung an den zugehörigen heterodimeren TSLP-/Interleukin-7α-Rezeptor (TSLPR) kommt es zur Phosphorylierung von Januskinasen (JAK) und STAT-Proteinen und als Folge zur Ausschüttung einer ganzen Reihe von proinflammatorischen Zytokinen, die bei Asthmapatienten zu verstärkten Exazerbationen führen können (links). Der monoklonale Antikörper Tezepelumab verhindert über die Bindung an thymisches stromales Lymphopoietin dessen Interaktion mit dem heterodimeren Rezeptor. Bei Asthmapatienten, deren TSLP-Spiegel meist hochreguliert sind, wird der TSLP-Signalweg unterbunden, sodass eine verbesserte Kontrolle des Erkrankungsgeschehens möglich ist (rechts).

Selbstapplikation alle vier Wochen

Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren erhalten gleichermaßen alle vier Wochen 210 mg Tezepelumab als subkutane Injektion. Die Applikation kann an stets wechselnden Stellen in den Oberschenkel, den Oberarm oder den Bauch erfolgen. Nach entsprechender Schulung ist auch eine Injektion durch den Patienten selbst oder entsprechende Betreuungspersonen möglich, allerdings sollten in diesen Fällen keine Applikationen in den Oberarm vorgenommen werden. Tezepelumab hat ein nur geringes Interaktionspotenzial und ist gut verträglich. Nach derzeitigem Kenntnisstand muss in erster Linie mit Pharyngitis, Hautausschlägen, Arthralgien sowie Reaktionen an der Injektionsstelle gerechnet werden. Insbesondere innerhalb der ersten Stunden nach der Applikation besteht die Gefahr von Überempfindlichkeitsreaktionen.

Vorsicht bei Infektionen und Wurmbefall

Eine unter Tezepelumab-Therapie potenziell mögliche Reduktion der laufenden Corticosteroid-Dosierung sollte stufenweise und stets unter ärztlicher Kontrolle stattfinden. Thymisches stromales Lymphopoietin kann bei der Immunantwort gegen manche Helminthosen involviert sein. Betroffene sollten am besten bereits vor dem ersten Einsatz von Tezepelumab ein effektives Anthelmintikum erhalten. Die Blockade von thymischem stromalem Lymphopoietin durch Tezepelumab ist möglicherweise mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Infektionen assoziiert. Bereits bestehende oder während der Therapie auftretende Infektionen müssen umgehend behandelt werden. In schweren Fällen ist eine Unterbrechung der Tezepelumab-Anwendung zu erwägen. Derzeit besteht der Verdacht, dass der Antikörper schwer­wiegende kardiale Ereignisse verursachen kann. Bis zum eindeutigen Nachweis eines kausalen Zusammenhangs sollte während der Tezepelumab-Therapie verstärkt auf entsprechende Symptome wie Brustschmerzen, Dyspnoe, Unwohlsein, Benommenheit oder Ohnmacht geachtet werden.

Zulassungsstudien zeigen verbesserte Asthmakontrolle

Die Zulassung von Tezepelumab beruht auf zwei randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien mit insgesamt mehr als 1500 Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren, die trotz Anwendung mehrerer Therapeutika, einschließlich Corticosteroiden und langwirkenden β-Sympathomimetika, unter unzu­reichend kontrolliertem Asthma bronchiale litten.

In der Phase-III-Untersuchung NAVIGATOR mit 1059 Teilnehmern kam es unter der Anwendung von vierwöchig 210 mg Tezepelumab innerhalb eines Jahres zu durchschnittlich 0,93 schweren Asthmaanfällen, im Vergleich zu 2,10 nach Placebo-Gabe (p < 0,001, Risikoreduktion 56%). In der Sub­gruppe von Patienten mit weniger als 300 Eosinophilen pro Mikroliter Blut lagen die entsprechenden annualisierten Anfallsraten bei 1,02 und 1,73 (p < 0,001), sodass hier ebenfalls ein signifikanter Vorteil für die Antikörper-Therapie bestand. Nach 52 Therapiewochen lag das forcierte Einsekundenvolumen (FEV1) vor Anwendung eines Bronchodilatators im kompletten Verum-Arm mit 0,23 Litern signifikant höher als im Placebo-Arm mit 0,09 Litern (p < 0,001). Auch wurden die Asthmakontrolle nach Einschätzung der Patienten und die asthma­bezogene Lebensqualität in der Tezepelumab-Gruppe als signifikant besser beurteilt.

In der Phase-II-Studie PATHWAY mit 550 Teilnehmern erhielten die Patienten der Verum-Gruppen alle vier Wochen alternativ 70, 210 oder 280 mg Tezepelumab. Die entsprechenden jährlichen Raten mit schweren Exazerbationen betrugen durchschnittlich 0,27, 0,20 bzw. 0,23 im Vergleich zu 0,72 in der Placebo-Gruppe. Dies entsprach einer prozentualen Abnahme der Asthmaanfälle um 62%, 71% bzw. 66% im Vergleich zur Placebo-Gabe (p < 0,001 für alle Vergleiche). Wie in der NAVIGATOR-Studie konnte auch in dieser Untersuchung keine Abhängigkeit der Tezepelumab-Wirkung von den Eosinophilen-Zahlen festgestellt werden. Nach 52 Therapiewochen lagen die forcierten Einsekundenvolumina (FEV1) vor Anwendung eines Bronchodilatators in den Verum-Armen signifikant höher als unter Placebo-Gabe.

Relevanter therapeutischer Fortschritt

Der Wirkstoff Tezepelumab ist für gegenüber Standardtherapeutika refraktäre Asthmapatienten nach derzeitigem Kenntnisstand als relevanter therapeutischer Fortschritt anzusehen. Das potenzielle „First-in-class“-Therapeutikum verhindert letztlich die Freisetzung einer ganzen Reihe von proinflammatorischen Zytokinen. Aufgrund der übergeordneten Zielstruktur TSLP ist es dabei offenbar weitgehend unerheblich, welcher Auslöser für das schwere Asthma-Geschehen verantwortlich ist, sodass sehr viele Betroffene von einer Tezepelumab-Therapie profitieren könnten. Besonders zu begrüßen ist auch, dass der TSLP-Antikörper bereits bei Jugend­lichen ab zwölf Jahren verwendet werden kann. Mit Spannung bleibt zu erwarten, ob Tezepelumab auch bei weiteren entzündlichen oder malignen Erkrankungen wie atopischer Dermatitis oder verschiedenen Tumorformen von klinischem Nutzen sein könnte. |

Neue Arzneimittel 2023

In der bisher monatlich erschienenen DAZ-Beilage „Neue Arzneimittel“ stellte Apothekerin Dr. Monika Neubeck neue Wirkstoffe ausführlich vor und ordnete sie in die bestehenden Therapie­optionen ein. Ein Archiv mit den seit 2000 eingeführten Wirkstoffen finden Sie auf DAZ.online unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de im Bereich „Pharmazie“.

Seit Januar 2023 finden Abonnenten der DAZ die Vorstellung und Einordnung der neu einge­führten Wirkstoffe auf DAZ.online unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/arzneimittel, in der Print-Ausgabe der DAZ stellen wir in der Rubrik „Neue Arzneimittel“ regelmäßig die für die Offizin bedeutsamen Arzneistoffe vor.

Literatur

[1] Fachinformation zu Tezspire®, Stand November 2022

[2] Menzies-Gow A, Corren J, Bourdin A et al. Tezepelumab in adults and adolescents with severe, uncontrolled asthma. N Engl J Med 2021; 384:1800-1809

[3] Corren J, Parnes JR, Wang L et al. Tezepelumab in adults with uncontrolled asthma. N Engl J Med 2017; 377:936-946

[4] EPAR summary for the public. Tezspire® Tezepelumab. EMA/661947/2022; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Autorin

Dr. Monika Neubeck hat in Frankfurt am Main Pharmazie studiert und ordnet für die DAZ regelmäßig die neuen Arzneimittel ein.

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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