Arzneimittel und Therapie

Hepatitis-B-Impfung: Ist schneller auch besser?

Nur zwei Impfdosen in vier Wochen dank Wirkverstärker

Zur Grundimmunisierung gegen Hepatitis B sind bei den meisten Impfstoffen drei Impfdosen innerhalb von sechs Monaten erforderlich. Ein langer Zeitraum, bis ein vollständiger Impfschutz gegeben ist. Mit dem seit 2021 in der EU zugelassenen Impfstoff Heplisav-B® geht es deutlich schneller – hier sind zwei Impfungen im Abstand von vier Wochen ausreichend.

Unter den viral bedingten Hepatitiden zählt die Hepatitis B zur weltweit am häufigsten auftretenden Form. Der Krankheitsverlauf ist individuell – bis zu 10% der infizierten Erwachsenen entwickeln eine chronische Hepatitis, die in einer Leberzirrhose oder einem hepatozellulären Karzinom münden kann. Zum Schutz vor einer Erkrankung stehen sowohl monovalente Hepatitis-B-Impfstoffe wie z. B. Engerix-B als auch Kombinationsimpfstoffe (z. B. Twinrix®, gegen Hepatitis A und Hepatitis B) zur Verfügung. Eine vollständige Grundimmunisierung erfolgt nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) mit drei Impfstoff­dosen im Alter von zwei, vier und elf Lebensmonaten. Bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung sollte diese bis zum 18. Lebensjahr nachgeholt werden.

Indikationsimpfung für Erwachsene

Im Erwachsenenalter empfiehlt die STIKO eine Impfung gegen das Hepatitis-B-Virus (HBV) für besonders gefährdete Personen. Hierzu zählen Personen, bei denen wegen einer Immundefizienz oder einer Vor­erkrankung (z. B. Infektion mit dem HI-­Virus) mit einem schweren Verlauf einer Hepatitis-B-Erkrankung zu rechnen ist, sowie Personen mit einem erhöhten Expositionsrisiko. Dazu zählt ein Kontakt zu Personen, die zwar symptomfrei sind, aber das Hepatitis-B-Virus übertragen können (HBsAg-Träger), zum Beispiel in der Familie oder Wohngemeinschaft oder Personal in medizinischen Einrichtungen. Des Weiteren wird je nach individueller Gefährdungsbeurteilung eine Reiseindikationsimpfung empfohlen. Für die Indikationsimpfungen empfiehlt die STIKO eine Kontrolle des Impferfolges mittels Bestimmung des Antikörpertiters im Blut. Ein Anti-HBs-Wert ≥ 100 IE/l vier bis acht Wochen nach der letzten Impf­dosis gilt als für einen Infektionsschutz ausreichend.

Abb.: Übermittelte Hepatitis-B-Virus-Infektionen nach Meldejahr und Infek­tionsstadium in Deutschland. 2021 wurden insgesamt 8353 Hepatitis-B-Fälle an das RKI gemäß Fall- und Referenzdefinition übermittelt. FD = Falldefinition, *Fälle, die die Referenzdefinition nicht erfüllen, ohne chronische Fälle [Behnke A-L et al. 2022]

Beschleunigtes Impfschema in Ausnahmefällen

Das für Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren geltende Impfschema von drei Impfdosen innerhalb von sechs Monaten kann je nach Situation zu lange sein. In diesen Fällen kann laut der Fachinformation zu Engerix-B bei Erwachsenen auch ein beschleunigtes Impfschema mit Impfungen in den Monaten 0, 1 und 2 angewendet werden. Hier ist aber eine zusätzliche vierte Dosis nach zwölf Monaten erforderlich, um einen Langzeitschutz zu gewährleisten. Für Erwachsene ab 18 Jahren kommt in Aus­nahmefällen auch ein Impfschema mit drei Injektionen an den Tagen 0, 7 und 21 infrage– auch hier ist eine vierte Dosis nach zwölf Monaten erforderlich.

Nur zwei Impfdosen nötig dank Wirkverstärker

Wem das immer noch nicht schnell genug geht bzw. zu aufwendig ist, dem steht seit Mai 2022 der Impfstoff Heplisav-B® zur Verfügung, von dem zwei Dosen mit einem Monat Abstand verabreicht werden müssen. Er ist für Erwachsene ab 18 Jahren zur aktiven Immunisierung zugelassen und enthält im Vergleich zu den anderen Hepatitis-B-Vakzinen den Wirkverstärker Cytidin-Phospho-Guanosin (CpG) 1018. Dieser soll zur Bildung einer hohen Anzahl an Anti-HBs-Antikörper-sezernierenden Plasmazellen und HBsAg-spezifischen B- und T-Gedächtniszellen beitragen und somit zu einer starken und anhaltenden Antikörperantwort führen.

Langer Weg bis zur Zulassung

Die EU-Zulassung erfolgte 2021 – der Weg bis dahin war jedoch für den US-amerikanischen Hersteller Dynavax (Vertrieb über Bavarian Nordic) mit herben Rückschlägen verbunden. Der erste Antrag im Jahr 2014 wurde anlässlich möglicher Verstöße gegen Good-Clinical-Practice-Regeln in einer Studie und unzureichender Daten zur Sicherheitsbewertung zurückgezogen. In den USA erfolgte die Zulassung im Jahr 2017 auch erst im zweiten Anlauf und nicht ohne Gegenwind: Klinische Reviewer der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA hatten sich dagegen ausgesprochen.

Höhere Seroprotektionsraten

In drei randomisierten, aktiv kontrollierten, gegenüber dem Beobachter verblindeten, multizentrischen Phase-III-Zulassungsstudien wurde die Immunogenität von Heplisav-B® im Vergleich zum bewährten Hepatitis-B-Impfstoff Engerix-B an Erwachsenen im Alter von 18 bis 70 Jahren untersucht. Dabei konnten unter dem neueren Impfstoff deutlich höhere Seroprotektionsraten (definiert als Anti-HBs-Antikörper-Wert ≥ 10 mIE/ml) erzielt werden (95,7% vs. 79,5%). Auch in Subgruppenanalysen bei Personen, die schlechter auf eine HBV-Immunisierung ansprechen (z. B. Typ-2-Diabetiker), überzeugte Heplisav-B® – die Ansprechraten waren signifikant höher. Allerdings zeigte sich dieser Vorteil nur bei Älteren – bei den unter 40-Jährigen war die Differenz gering.

In zwei der drei Zulassungsstudien [Halperin et al. 2012; Heyward et al. 2013] wurden ab dem Tag der Impfung über sieben Tage lang mögliche Impfreaktionen mittels Tagebuch erfasst. Diese waren bei beiden Impfstoffen ähnlich. Am häufigsten wurde über Schmerzen an der Injektions­stelle, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Muskelschmerzen berichtet.

Welt-Hepatitis-Tag

Mit dem jährlich am 28. Juli stattfindenden Welt-Hepatitis-Tag soll auf die Risiken, Verbreitung aber auch auf die Schutz- und Behandlungsmöglichkeiten von infektiösen Hepatitiden aufmerksam gemacht werden. Global wird der Welt-Hepatitis-Tag von der World Hepatitis Alliance ausgerichtet. Unter dem Motto „Ich warte nicht. Ich handele!“ erinnert in Deutschland die Deutsche Leberhilfe e. V. in diesem Jahr daran, sich impfen, testen und gegebenenfalls behandeln zu lassen, um sich selbst vor den möglichen Folgen einer Hepatitis und andere vor einer Ansteckung zu schützen. Übrigens übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten eines Hepatitis-B-Tests seit 2021 einmalig im Rahmen des Gesundheits-Check-ups für Personen ab 35 Jahren. Außerdem gehört der Test auf Hepatitis B zu den Untersuchungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge angeboten werden.

Weitere Informationen finden Sie unter www.welthepatitistag.info

Risikosignale beachten

In der größten Zulassungsstudie (HBV-23, Jackson et al. 2018) traten während des einjährigen Beobachtungszeitraums in der Heplisav-B®-Gruppe im Vergleich zur Engerix-B-Gruppe Herzinfarkte signifikant häufiger auf (0,25 vs. 0,04%, relatives Risiko [RR]: 6,97), wobei alle Betroffenen mindestens einen kardialen Risikofaktor aufwiesen. Auch Herpes zoster trat unter Heplisav-B® im Vergleich zu der herkömmlichen Vakzine häufiger auf (0,7% vs. 0,3%, RR: 2,1). Diese Risiko­signale wurden in einer Postmarketingstudie nicht bestätigt und Heplisav-B® eine Nicht-Unterlegenheit bescheinigt [Bruxvoort et al. 2022]. Zweifel am Design dieser Postmarketingstudie äußerte das arznei-telegramm®. Der Hauptkritikpunkt ist, dass Herzinfarkte, die nicht in den teilnehmenden Studienzentren behandelt wurden, möglicherweise nicht erfasst und ausgewertet wurden.

Fazit

Heplisav-B® zeigt einige Benefits wie höhere Seroprotektionsraten und das kurze Impfschema mit nur zwei Dosen – für viele Impfwillige ein Entscheidungskriterium. Demgegenüber stehen die nach Einschätzung des arznei-telegramms® nicht vollständig ausgeräumten Risikosignale: In einer kürzlich veröffentlichen Stellungnahme bevorzugen die Autoren nach aktueller Datenlage die HBV-Impfstoffe, für die schon mehr Erfahrungen vorliegen. |

Literatur

Ackerson B et al. Post-licensure safety study of new-onset immune-mediated diseases, herpes zoster, and anaphylaxis in adult recipients of HepB-CpG vaccine versus HepB-alum vaccine. Vaccine 2023;41(30):4392-4401

Behnke A-L, Brandl M, Wohlleben J et al. Welt-Hepatitis-Tag: Virushepatitis B und D im Jahr 2021. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Epidemiologisches Bulletin 2022;30:1-21, www.rki.de

Bruxvoort K et al. Association Between 2-Dose vs 3-Dose Hepatitis B Vaccine and Acute Myocardial Infarction. JAMA 2022;327(13):1260-1268

Engerix-B Erwachsene. Fachinformation der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG. Stand: August 2021, https://gskpro.com/content/dam/global/hcpportal/de_DE/produktinformationen/engerix-b/FI_ENGERIX-B_Erwachsene_Fertigspritze_082021.pdf

Halperin SA et al. Comparison of safety and immunogenicity of two doses of investigational hepatitis B virus surface antigen co-administered with an immunostimulatory phosphorothioate oligodeoxyribonucleotide and three doses of a licensed hepatitis B vaccine in healthy adults 18-55 years of age. Vaccine 2012;30(15):2556-2563, doi: 10.1016/j.vaccine.2012.01.087

Hepatitis B. Informationen von DocCheck Flexikon, Stand: 9. Februar2022, https://flexikon.doccheck.com/de/Hepatitis_B,

Hepatitis-B-Impfstoff Heplsiav B. Arznei-telegramm® 2023;54:50-52

Hepatitis-B-Reiseimpfung für Kurzentschlossene: Heplisa-B ermöglicht Grundimmunisierung nach einem Monat. Presseinformation der Bavarian Nordic GmbH vom 12. Juli 2023, https://ipg-pr.screengrab.de/wp-content/uploads/2023/07/2023-07-12_PM_Heplisav-B_Hepatitis-B_Reiseimpfung_final.pdf

Heplisav®. Produktionformation der EMA. Stand: 23. Mai2023, www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/heplisav-b-epar-product-information_en.pdf

Heyward WL et al. Immunogenicity and safety of an investigational hepatitis B vaccine with a Toll-like receptor 9 agonist adjuvant (HBsAg-1018) compared to a licensed hepatitis B vaccine in healthy adults 40-70 years of age. Vaccine 2013;31(46):5300-5305, doi: 10.1016/j.vaccine.2013.05.068

Jackson S et al. Immunogenicity of a two-dose investigational hepatitis B vaccine, HBsAg-1018, using a toll-like receptor 9 agonist adjuvant compared with a licensed hepatitis B vaccine in adults. Vaccine. 2018;36(5):668-674, doi: 10.1016/j.vaccine.2017.12.038

Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut 2023. Epid Bull 2023;4:3-68, DOI 10.25646/10829.3

Summary Basis for Regulatory Action. Information der FDA. Stand: 9. November 2017, www.fda.gov/media/109808/download

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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