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Teamschulung

Impfen für zwei

Schwangere anhand der aktuellen STIKO-Empfehlungen beraten

Werdende Mütter sind bei anstehenden Impfungen verunsichert, ob sie dem Ungeborenen schaden. Frauenärztin oder Frauenarzt sind für sie die wichtigsten Ansprechpartner. Das Beratungsgespräch in der Apotheke mit Hinweisen zur Sicherheit und Effektivität empfohlener Impfungen ist eine Unterstützung bei der Entscheidung. | Von Alexandra Hinsken 

Veränderungen im Immunsystem ermöglichen eine Toleranz der werdenden Mutter gegenüber dem semiallogenen Föten und der Plazenta. Trotz dieser Anpassungsreaktion sind Schwangere in der Lage, nach einer Impfung eine Immunantwort aufzubauen. Impfungen in der Schwangerschaft schützen die werdende Mutter durch aktive und das Kind durch passive Immunisierung. Kardiovaskuläre, respiratorische und hormonelle Umstellungen können zu einem schwereren Verlauf von Infektionskrankheiten während der Schwangerschaft führen. Das Immunsystem der Mutter ist Grundlage für die passive Immunisierung des Babys. Immunglobulin G (IgG) gelangt ab der 13. Schwangerschaftswoche (SSW) durch Transzytose über die Plazenta zum Fötus. Maternale Antikörper überbrücken mit dem Nestschutz die funktionelle Unreife des Neugeborenen.

Schwangere impfen?

Mit entsprechender Qualifizierung dürfen in Apotheken Personen gegen Influenza und das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden, die älter als zwölf Jahre sind, in Deutschland leben und in einer deutschen Krankenversicherung versichert sind. Grundimmunisierungen sollten vor einer geplanten Schwangerschaft abgeschlossen sein. Nötige Impfungen werden in der Regel nach dem Ende des ersten Trimenons empfohlen.

In Studien wurde keine erhöhte Zahl von schweren Reaktionen aufgrund einer Grippeimpfung festgestellt. Vom Robert Koch-Institut ausgewertete Daten belegen die Sicherheit der mRNA-Impfung in der Schwangerschaft. Es gibt keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Fehl-, Tot- und Frühgeburten oder Fehlbildungen als Folge der Impfung. Folglich bestehen keine Bedenken, Schwangere in der Apotheke gegen Influenza oder COVID-19 zu impfen.

Von der STIKO empfohlen

Frauen mit Kinderwunsch sollten vor der geplanten Schwangerschaft gegen COVID-19, Masern, Röteln und Windpocken geimpft sein. Während der Schwangerschaft empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) Impfungen gegen COVID-19, Influenza und Pertussis. Immunisierungen gegen Tetanus und Hepatitis B sind möglich und werden nach Exposition empfohlen. Vakzinationen mit Lebendimpfstoffen gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken sind laut Robert Koch-Institut kontraindiziert. Kontaktpersonen des Säuglings sind in die Impfempfehlungen mit eingeschlossen (Konkonstrategie), damit die Konfrontation mit Erregern für das Neugeborene möglichst lange hinausgezögert wird.

Influenza ab dem zweiten Trimenon

Schwangere Frauen werden gegenüber nicht schwangeren Frauen bei einer Influenzaerkrankung siebenmal häufiger ins Krankenhaus eingewiesen (55,3 Einweisungen gegen 7,7 pro 100.000 Grippeerkrankten). Das Risiko für eine Frühgeburt, einen Kaiserschnitt oder eine Totgeburt steigt bei Schwangeren mit Hospitalisierung oder respiratorischen Symptomen. Immunologische Veränderungen führen zu einer Verlagerung von zellvermittelter hin zu humoraler Immunität und macht dadurch werdende Mütter empfänglicher für virale Pathogene. Eine saisonale Auffrischung mit dem inaktivierten, quadrivalenten Grippeimpfstoff wird mit Beginn des zweiten Trimenons empfohlen. Bei entsprechenden Vorerkrankungen wie zum Beispiel Asthma, Diabetes mellitus und Bluthochdruck kann schon im ersten Trimenon gegen Grippe geimpft werden. Die Fehlgeburtsrate wird nicht durch die Impfung erhöht. Erkranken Säuglinge an der Grippe, sind sie von schweren Symptomen, Fieberkrämpfen oder tödlichen Verläufen bedroht. Eine aktive Grippeimpfung ist bei Babys erst ab dem siebten Lebensmonat möglich. Bis dahin können sie passiv durch die Influenza-Impfung während der Schwangerschaft mit geschützt werden.

Für die Praxis

Das Robert Koch-Institut hat eine zweiseitige Zusammenfassung der Impfempfehlung für Schwangere herausgebracht mit Schwerpunkt Keuchhusten. Geben Sie den Webcode I3DV4 in die Suchmaske auf daz.online ein und Sie gelangen direkt zum Faktenblatt.

Pertussis – Antikörpertiter nimmt schnell ab

Wurde die Mutter während der Schwangerschaft nicht gegen Pertussis geimpft, dann erkranken 11 von 10.000 Säuglingen an Keuchhusten. Das Risiko des Säuglings zu erkranken, reduziert sich um 90%, wenn seine Mutter in der Schwangerschaft geimpft worden ist. Bis zu 60% der erkrankten Babys müssen wegen Apnoen und Pneumonien ins Krankenhaus eingewiesen werden. Infektionen bei Jugendlichen und Erwachsenen verlaufen oft unbemerkt. Die Ansteckung mit Bordetella pertussis erfolgt meistens über die Geschwister (16 bis 43%), die Mutter (39%) oder den Vater (5%). Der Antikörpertiter sinkt innerhalb eines Jahres nach der Impfung oder einer Infektion wieder recht schnell, deshalb empfiehlt die STIKO jeder Schwangeren, sich unabhängig von ihrem Impfstatus im frühen dritten Trimenon (28. bis 32. Schwangerschaftswoche) gegen Pertussis impfen zu lassen und bei drohender Frühgeburt schon im zweiten Trimenon. In Deutschland steht zurzeit kein monovalenter Pertussis-Impfstoff zur Verfügung. Es wird die Verwendung des Tdap-Impfstoffes mit Tetanustoxoid (T), reduziertem Diphtherietoxoid (d) und azellulärem Pertussis (ap) empfohlen (Covaxis® oder Boostrix®). Bei entsprechender Indikation ist auch die Verabreichung des Tdap-IPV-Kombinations­impfstoffes mit inaktivierter Poliovakzine (IPV) möglich.

Für alle engen Kontaktpersonen des Neugeborenen wird spätestens vier Wochen vor der Geburt eine (Auffrischungs-) Impfung empfohlen, falls die letzte Pertussis-Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt. Möchte die Mutter sich nicht während der Schwangerschaft impfen lassen, sollte sie das in den ersten Tagen nach der Geburt nachholen.

Lernziele

In diesem Beitrag lernen Sie unter anderem,

  • welche Impfungen schon vor einer geplanten Schwangerschaft durchgeführt werden sollten,
  • welche Impfungen von der STIKO für Schwangere als Schutzimpfung empfohlen werden,
  • welche Impfungen mit Totimpfstoffen in der Schwangerschaft möglich sind und
  • welche Lebendimpfstoffe in der Schwangerschaft kontraindiziert sind.

COVID-19-Impfung wie bei anderen Gesunden

Erkranken schwangere Frauen an COVID-19, besteht im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen ein erhöhtes Risiko, dass sie intensivmedizinisch behandelt werden müssen oder an Corona versterben. Die STIKO empfiehlt bei bestehendem Kinderwunsch für Frauen im gebärfähigen Alter eine Grundimmunisierung plus eine Auffrischungsimpfung. Optimal ist eine Basisimmunität, die durch dreimaligen Kontakt mit Erregerbestandteilen aufgebaut wird (darunter mindestens zwei Impfungen). Somit ist die Empfehlung für gesunde Schwangere dieselbe wie für Erwachsene ohne Vorerkrankungen unter 60 Jahren. Ab dem zweiten Trimenon wird ungeimpften Schwangeren eine Grundimmunisierung mit dem mRNA-basierten COVID-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer mit anschließender Auffrischungsimpfung empfohlen. Eine Impfung mit Nuvaxovid und Valneva in der Schwangerschaft und Stillzeit kann nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung in Betracht gezogen werden, wenn bei einer Schwangeren oder Stillenden eine produktspezifische, medizinische Kontraindikation für mRNA-Impfstoffe besteht. Impfinduzierte Antikörper gegen SARS-CoV-2 wurden im Nabelschnurblut und der Muttermilch nachgewiesen. Das deutet auf einen potenziellen Schutz im Sinne einer Leihimmunität hin.

Auf einen Blick

  • Ziel der Impfimmunisierung in der Schwangerschaft ist der Schutz der Schwangeren, des Ungeborenen, des Neugeborenen und jungen Säuglings.
  • Das Impfen naher Angehöriger ist ein weiterer Schutz für die Mutter und das Ungeborene.
  • Von der STIKO sind Influenza, Pertussis und COVID-19 als Schutzimpfung empfohlen.
  • Impfungen gegen Tetanus, Hepatitis B und Totimpfstoffe sind in der Schwangerschaft möglich.
  • Ein aktueller Impfstatus vor einer geplanten Schwangerschaft ist optimal für Mutter und Kind.

Bei entsprechender Exposition sind Impfungen gegen Tetanus und Hepatitis B möglich. Impfungen gegen Diphtherie, Poliomyelitis (IPV-Impfstoff), Meningokokken C, Pneumokokken und HPV-Impfung (Humane Papillomviren) können mit Totimpfstoffen durchgeführt werden. Vakzinationen gegen Tollwut, Typhus mit parenteralem Totimpfstoff, Japanische Enzephalitis, Meningokokken ACWY sowie Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Hepatitis A sind bei Aufenthalten in Risikogebieten auch für Schwangere mit Totimpfstoffen möglich. Eine Kontraindikation besteht für Impfung mit Lebendimpfstoffen gegen Masern, Mumps, Röteln, Varizellen und Gelbfieber. Eine vor der Schwangerschaft begonnene Grund­immunisierung gegen humane Papillomviren (HPV) sollte nach der Geburt fortgesetzt werden. |

Interessenkonflikte

Der Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Literatur

FAQ: Impfapotheken. Information des Deutschen Apothekenportals, DAP Networks GmbH, Stand März 2021, www.deutschesapothekenportal.de/download/public/merkblaetter/dap_faq_impfapotheken.pdf

Influenza, Synonyme oder assoziierte Erkrankungen. Informationen von Embryotox, Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité – Universitätsmedizin, Campus Virchow- Klinikum, Stand 14. Juni 2023, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/influenza/

Impfung bei Schwangeren, Stillenden und bei Kinderwunsch. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: 25. Mai 2023, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Impfung_Schwangere_Stillende.html

Schutzimpfung gegen Pertussis: Häufig gestellte Fragen und Antworten. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: September 2021, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Pertussis/FAQ-Liste_Pertussis_Impfen.html#FAQId13871892

Warum wird die saisonale Influenza-Impfung für Schwangere empfohlen? Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand 16. September 2022, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/FAQ09.html

Fachinformation Vaxigrip Tetra® 2022/2023. Informationen von Sanofi Pasteur, Stand Juni 2022, Stand: 25. Mai 2023,

Zöllkau J, Hagenbeck C., Schleußner E. Impfen in der Schwangerschaft. Gynäkologie + Geburtshilfe 2022;27(2):46–53, doi: 10.1007/s15013-022-4327-y

Autorin

Apothekerin Alexandra Hinsken studierte Pharmazie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seitdem arbeitet sie in öffentlichen Apotheken und als Autorin für die DAZ.

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