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Teamschulung

Planung sorgt für Sicherheit

Pharmakotherapie chronischer Erkrankungen bei Schwangeren

Chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Epilepsie müssen auch während einer Schwangerschaft kontinuierlich mit Arzneimitteln therapiert werden. Patientinnen sollten einen Kinderwunsch mit dem behandelnden Facharzt besprechen, damit, falls nötig, die Medikation entsprechend umgestellt werden kann. Im Optimalfall werden Frauen im gebär­fähigen Alter generell mit schwangerschaftskompatiblen Wirkstoffen therapiert, da mehr als ein Drittel aller Schwangerschaften ungeplant entstehen [1]. Eine geplante Schwangerschaft sollte bei stabil eingestellter Medikation in eine Phase möglichst geringer Krankheitsaktivität fallen. | Von Sabine Werner 

Zahlreiche Arzneistoffe enthalten in der Fachinformation den Hinweis, dass mangels Erfahrungen keine Empfehlung für eine Einnahme während der Schwangerschaft gegeben werden kann. Informationen zur Sicherheit müssen dann aus herstellerunabhängigen Quellen gewonnen werden, z. B. auf der Webseite des Pharmakovigilanz- und Beratungs­zentrums für Embryonaltoxikologie der Charité (www.embryotox.de). Für viele Erkrankungen werden die Gesundheitsdaten von schwangeren Patientinnen sowie ihren Kindern in den ersten Lebensjahren gesammelt und ausgewertet, um mehr Therapiesicherheit für die Schwangerschaft zu gewinnen. Informa­tionen hierzu finden Sie im Netz, zum Beispiel zu:

  • rheumatischen Erkrankungen (rhekiss.de),
  • multipler Sklerose (ms-und-kinderwunsch.de),
  • Epilepsie (dgfe.org/service/eurap).

Grundsätzlich kann nicht nur die Einnahme von Arznei­mitteln zu einer Schädigung des ungeborenen Kindes führen, sondern auch die Exazerbation einer chronischen Grunderkrankung.

Lernziele

In diesem Beitrag erfahren Sie unter anderem

  • wie schwere Asthmaanfälle, die mit Risiken für Mutter und Kind verbunden sind, vermieden werden können
  • welche Medikation Schwangeren bei leichten und schweren Migräneattacken empfohlen werden kann
  • warum es wichtig ist, auf die Iod-Zufuhr zu achten
  • worauf Patientinnen mit multipler Sklerose besonders achten müssen
  • dass bei rheumatischen Erkrankungen die Basis­therapie frühzeitig umgestellt werden muss
  • wo Schwangere und Angehörige sich hersteller­unabhängig informieren können

Asthma: Standardtherapie ist sicher

Bei einer deutschlandweiten Prävalenz von über 5% bei Erwachsenen [2] ist Asthma eine häufige Grunderkrankung von Schwangeren. Statistisch lässt sich eine One-third-rule ableiten, nach der die Erkrankung bei einem Drittel der Schwangeren stabil bleibt, und sich die Symptome bei jeweils einem weiteren Drittel verschlechtern bzw. verbessern [3]. Für Anfalls- und Dauermedikation sind alle gängigen Wirkstoffe als sicher für Mutter und Kind eingestuft. Die Autoren von www.embryotox.de empfehlen vorrangig alte, gut untersuchte Wirkstoffe [3]: Salbutamol als kurzwirksames ß2-Sympathomimetikum, Budesonid als inhala­tives Glucocorticoid, Formoterol und Salmeterol als langwirksame ß2-­Sympathomimetika, Prednisolon als orales Glucocorticoid. Für Biologicals wie Omalizumab liegen so wenig Daten für den Einsatz in der Schwangerschaft vor, dass sie nur nach Ausschöpfung aller anderen Therapie­optionen eingesetzt werden sollen.

Problematisch ist, dass viele Schwangere ihre Dauermedikation eigenmächtig reduzieren oder sogar komplett absetzen und dadurch ihr Anfallsrisiko erhöhen. Ein schwerer Asthmaanfall, egal zu welchem Zeitpunkt in der Schwangerschaft, ist mit zahlreichen Risiken für Mutter und Kind verbunden [4]. Er ist immer ein Notfall, die Schwangere muss zur Vermeidung einer Hypoxie beim ungeborenen Kind mit Sauerstoff versorgt und stationär überwacht werden [5].

Die Schwangere sollte Allergene bzw. Anfallsauslöser strikt vermeiden. Mit einer Allergen-Immuntherapie sollte bei bekannter Schwangerschaft nicht begonnen werden, eine bereits begonnene Allergen-Immuntherapie, die gut ver­tragen wird, kann jedoch fortgesetzt und abgeschlossen werden [5]. Auf ungewöhnlich starke körperliche Belastung sollte verzichtet werden.

Migräne: Ibuprofen und Sumatriptan

Migräne hat die höchste Prävalenz zwischen 20 und 50 Jahren, wobei Frauen dreimal häufiger betroffen sind als Männer [6] – die Trefferquote unter Schwangeren ist also hoch. Die gute Nachricht: 50 bis 80% der Schwangeren haben, vor allem im zweiten und dritten Trimenon, weniger Migräne­attacken als zuvor. 8% der schwangeren Migräne­patientinnen erleben jedoch eine Verschlechterung, Mig­räneanfälle mit Aura treten oft erstmals auf [6]. Leidet die Mutter an Migräne, ist das keine Gefahr für das Ungeborene. Für die Schwangere besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie, Schwangerschaftsübelkeit oder Depressionen [7].

Während der Schwangerschaft sind Trigger von Migräneattacken möglichst zu vermeiden und es sollte regelmäßig und ausreichend geschlafen, getrunken und gegessen werden, auf Bewegung in Form von Ausdauersport ist zu achten [7]. Bei leichten Migräneattacken sollte versucht werden, die Kopfschmerzen nichtmedikamentös mit Ruhe, Reizabschirmung, Eispackungen oder Entspannungsübungen zu therapieren. Bei stärkeren Schmerzen ist in den ersten zwei Schwangerschaftsdritteln Ibuprofen, gefolgt von Acetylsalicylsäure, Mittel der Wahl [6]. Ab der 28. Schwangerschaftswoche sind die COX-Hemmer kontraindiziert, da die Gefahr eines vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus Botalli sowie einer Nierenschädigung beim Kind bestehen [7]. Bei mehrtägiger Exposition nach der 20. Schwangerschaftswoche sollte ein Monitoring des Kindes stattfinden, eine Ausnahme gilt nur für Acetylsalicylsäure [8]. Paracetamol, einst uneingeschränkt für Schwangere empfohlen, wurde 2021 in einer viel diskutierten Meta­analyse [9] sowie 2022 in einer systematischen Übersichtsarbeit [10] mit einem erhöhten Risiko für ADHS, Autismus, kognitiven Beeinträchtigungen und Sprachentwicklungsstörungen in Verbindung gebracht. Die Migräne-Leitlinie trägt dem Rechnung, indem sie Paracetamol in der Schwangerschaft nur als Reservemittel nach Ausschöpfung anderer medikamentöser Optionen empfiehlt [6]. Die Wissenschaftler des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité Berlin hinterfragen die Publikationen kritisch, warnen vor einer leichtfertigen Einnahme von Paracetamol, stufen es jedoch nach wie vor als Analgetikum der Wahl für Schwangere ein [7]. Bei schweren Migräneattacken ist Sumatriptan für Schwangere geeignet, wirkt es nicht ausreichend, können auch andere Triptane eingenommen werden. Kontraindiziert sind die neueren Migränetherapeutika der Gruppe der Gepante und Lasmiditan. Gegen begleitende Übelkeit kann Metoclopramid eingenommen werden [6, 7].

Zur Anfallsprophylaxe der Migräne sind Metoprolol, Propranolol sowie das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin geeignet. Die Betablocker sollten jedoch nicht bis zur Geburt genommen werden, bei Amitriptylin muss vor der Geburt die Dosis reduziert werden. Grundsätzlich möglich ist die Migräneprophylaxe mit Magnesiumpräparaten, dafür gibt es aber nur wenig Evidenz. Die einzunehmende Tagesdosis zur Migräneprophylaxe bei Schwangeren liegt bei 300 mg, diese Dosis ist ohnehin zur Einnahme in der Schwangerschaft empfohlen. Bei Nichtschwangeren wird erst bei einer Tagesdosis von 600 mg ein Effekt gesehen [6].

L-Thyroxin: Dosis anpassen

Bei allen Schwangeren muss auf eine ausreichende Iod-­Versorgung geachtet werden. Da der tägliche Iod-Bedarf in der Schwangerschaft von 230 µg über die Ernährung kaum erreichbar ist, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) eine Supplementation von 100 bis 150 µg [11]. Damit die als unbedenklich eingestufte Tagesdosis von maximal 500 µg nicht überschritten wird, ist zu Beginn der Schwangerschaft eine Iod-Anamnese sinnvoll [12].

Eine manifeste Schilddrüsenunterfunktion, bei der die Versorgung mit L-Thyroxin obligat ist, haben nur 0,4% der Schwangeren. Bei gesunden Schwangeren steigt die körpereigene Produktion der Schilddrüsenhormone im ersten Trimenon um 30%, im zweiten Trimenon um bis zu 50% im Vergleich zum Ausgangswert an. Darum sollte auch bei Hypothyreose-Patientinnen die L-Thyroxin-Dosis ent­sprechend erhöht werden. Der Spiegel des Thyreoidea-­stimulierenden Hormons (TSH) sollte engmaschig, alle vier Wochen, kontrolliert werden [13]. Vor allem bis zur 20. Schwangerschaftswoche ist eine gute Einstellung wichtig, um negative Auswirkungen auf das Kind zu vermeiden, danach beginnt die kindliche Schilddrüse selbst mit der Hormonproduktion [14]. Nach der Geburt wird die Levo­thyroxin-Dosis wieder auf die vor der Schwangerschaft übliche Dosis reduziert, und die Blutspiegel sollen nach vier Wochen kontrolliert werden.

Apotheke ist Teamarbeit

Der Alltag in der Apotheke ist nur zu bewältigen, wenn PKA, PTA und Apotheker zusammenarbeiten. Die Redaktionen der DAZ, der PTAheute und der PKAaktiv haben sich zusammengesetzt und ein Konzept für die Schulung des gesamten Apothekenteams entwickelt. Die daraus entstandene Serie „Team­schulung“ erscheint mehrmals jährlich und ist durch das gleich­namige Logo in den jeweiligen Zeitschriften gekennzeichnet. Die Beiträge einer Folge konzentrieren sich auf ein Thema und schulen zielgruppenspezifisch. So erfahren Apothekerinnen und Apotheker in den Beiträgen der DAZ vieles zu den Hintergrund­informationen der Krankheitsbilder und der Arzneimittel­therapie. Die Teamschulung der aktuellen Ausgabe adressiert das Thema „Schwangerschaft“. Dazu erscheinen je Zeitschrift zwei Artikel mit folgenden Schwerpunkten:

in dieser DAZ

  • Planung sorgt für Sicherheit: Pharmakotherapie chronischer Erkrankungen bei Schwangeren
  • Impfen für zwei: Schwangere anhand der aktuellen STIKO-Empfehlungen beraten

in der PTAheute 15+16/2023

  • Dinner for two – gut versorgt in der Schwangerschaft
  • Selbstmedikation in der Schwangerschaft inklusive Be­ratungsschema und Produkttabelle zum Download

in der PKAaktiv 4/2023

  • Dem Eisprung auf der Spur – Zyklus und Schwangerschaft (inklusive Produkttabelle zum Download)
  • Wenn die Beine Unterstützung brauchen – Kompressions­therapie in der Schwangerschaft

Mit der „Teamschulung“ können Sie in der DAZ auch „Lernen und Punkten“: Die Beiträge sind im Rahmen der zertifizierten Fortbildung bei der Bundesapothekerkammer akkreditiert. Beantworten Sie in dieser DAZ auf S. 40 die zehn Fragen zu den beiden Beiträgen und erhalten Sie einen Punkt für Ihr freiwilliges Fortbildungszertifikat!

Diabetes mellitus Typ 2: Insulin statt Tablette

Gestationsdiabetes ist in Deutschland die häufigste chronische Erkrankung in der Schwangerschaft und betrifft fast 6% der Frauen. Knapp 1% der Schwangeren leiden an einem bereits präkonzeptionell, also vor der Geburt bestehenden, Diabetes [15]. Erhöhte Blutzuckerspiegel sowie bereits bestehende Begleiterkrankungen stellen dabei sowohl für das ungeborene Kind als auch für die werdende Mutter ein erhebliches Risiko für zahlreiche Schwangerschaftskomplikationen dar. Vor einer Schwangerschaft sollte die Diabetikerin stabil auf einen HbA1c-Wert unter 7%, optimal unter 6,5% eingestellt sein [16]. Begleitend wird Diabetikerinnen mit Kinderwunsch empfohlen, zur Vorbeugung von Fehl­bildungen täglich mindestens 0,4 mg Folsäure sowie nach einer Kontrolle des TSH-Spiegels auch 100 bis 150 µg Iod zu supplementieren [17].

Für orale Antidiabetika liegen keine ausreichenden Erfahrungen zum Einsatz in der Schwangerschaft vor. Bei Kinderwunsch (spätestens bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft) werden daher Typ-2-Diabetikerinnen auf eine Insulintherapie umgestellt. Hier sind mittlerweile die Insulin­analoga, mit Ausnahme des kurzwirksamen Insulins glulisin, Mittel der Wahl [17]. Seit 2022 ist für Typ-2-Diabetikerinnen zusätzlich die Fortführung, nicht jedoch der Neubeginn einer Therapie mit einigen Metformin-haltigen Fertigarzneimitteln zugelassen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft empfiehlt den Einsatz nicht routinemäßig, sondern nur bei ausgeprägter Insulinresistenz [17].

Bei schwangeren Diabetikerinnen besteht ein erhöhtes Risiko einer Präeklampsie. Vorbeugend kann, nach Absprache zwischen Arzt und Patientin, Acetylsalicylsäure in einer Tagesdosis von 150 mg eingenommen werden. Die Prophy­laxe sollte vor der 16. Schwangerschaftswoche begonnen und nach der 35. Schwangerschaftswoche wieder abgesetzt werden [17].

Sulfasalazin plus Folsäure bei Rheuma

Beim Stichwort „Rheuma“ denkt man zunächst an Senioren – doch einige Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises können bereits bei jungen Erwachsenen manifest sein. Je nach Erkrankung fällt die Prognose für die Schwangerschaft unterschiedlich aus: Beispielsweise geht bei mehr als der Hälfte der Patientinnen mit rheumatoider Arthritis die Entzündungsaktivität der Gelenke während der Schwangerschaft zurück, in den ersten drei Monaten nach der Geburt ist mit einer Verschlechterung zu rechnen [18]. Frauen mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) müssen sich darauf einstellen, dass es während der Schwangerschaft häufiger zu Krankheitsschüben kommt [19].

Bei Kinderwunsch sollte das Basistherapeutikum früh­zeitig umgestellt werden [19, 20]. Unter Therapie mit Methotrexat (MTX), Leflunomid, Cyclophosphamid oder Myco­phenolsäure besteht ein hohes Risiko für Fehlbildungen des Ungeborenen. Eine zuverlässige Kontrazeption ist Voraussetzung für die Therapie mit den genannten Arzneimitteln. Auch JAK-Inhibitoren wie Baricitinib und Tofacitinib dürfen aufgrund mangelnder Daten nicht in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Hingegen geeignet ist Sulfasalazin. Begleitend sollte bereits bei Kinderwunsch Folsäure supplementiert werden, da während einer Therapie mit Sulfasalazin erniedrigte Folsäurespiegel beobachtet werden. Auch Hydroxy­chloroquin und in niedriger Dosis Azathioprin sowie Ciclosporin sind Therapieoptionen in der Schwangerschaft. Unter den Biologicals sind die TNF-α-Inhibitoren Adalimumab, Etanercept und Infliximab am besten untersucht und können, wenn die anderen Therapeutika nicht ausreichend wirksam sind, angewendet werden [21]. Kommt es zu einem akuten Entzündungsgeschehen, sind Gluco­corticoide in allen Abschnitten der Schwangerschaft geeignet. Bevorzugt werden Prednison oder Prednisolon, da sie die geringste Plazentagängigkeit aufweisen. Aus der Gruppe der NSAID ist Ibuprofen Mittel der Wahl, gefolgt von Diclofenac. Die NSAID sollten allerdings auch hier nach der 28., spätestens der 30. Schwangerschaftswoche nicht mehr angewendet werden.

Multiple Sklerose: Medikation absetzen

Multiple Sklerose ist die häufigste chronisch-entzündliche ZNS-Erkrankung bei jungen Menschen in Deutschland. Patientinnen wird empfohlen bereits bei Kinderwunsch 800 µg Folsäure, bis zu 4000 IE Vitamin D und 100 bis 150 µg Iod zu supplementieren [22]. Ohne Medikation nimmt das Schubrisiko während der Schwangerschaft kontinuierlich ab, nach der Geburt steigt es wieder auf das Ausgangsniveau an.

Die MS-Therapeutika zur Schubprophylaxe lassen sich im Hinblick auf die Eignung in der Schwangerschaft in drei Gruppen einteilen [vgl. 23]: Teriflunomid, Fingolimod, Ozanimod, Siponimod, Ponesimod und Cladribin sind teratogen, in der Schwangerschaft streng kontraindiziert und müssen mehrere Monate vor dem geplanten Beginn einer Schwangerschaft abgesetzt werden. Gleiches gilt für den CD-52-­Antikörper Alemtuzumab, der zwar nicht als teratogen eingestuft wird, aber vermehrt zu Aborten führt, und die CD-20-Antikörper Ocrelizumab und Rituximab. Dimethylfumarat und Diroximelfumarat sollen unmittelbar nach Bekanntwerden der Schwangerschaft abgesetzt werden. Am meisten Daten gibt es für den Einsatz von Beta-­Interferonen und Glatirameracetat in der Schwangerschaft: sie gelten als sicher, werden normalerweise bei Bekanntwerden der Schwangerschaft abgesetzt, können aber nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung die komplette Schwangerschaft über angewendet werden. Gleiches gilt für den CD-20-­Antikörper Ofatumumab sowie in Einzelfällen für den α4β1-Integrin-Antikörper Natalizumab.

Für die Therapie eines MS-Schubs sind im zweiten und dritten Trimenon die Glucocorticoide Methylprednisolon und Prednisolon in hoher Dosis Mittel der Wahl. Im ersten Trimenon sind sie kontraindiziert, da sie das Risiko einer Kiefer-Lippen-Gaumenspaltung erhöhen.

Antiepileptika: Dosis erhöhen

Epilepsien sind chronische Erkrankungen, bei denen Frauen im gebärfähigen Alter bereits vor Kinderwunsch gut betreut werden müssen. Zahlreiche Antiepileptika, z. B. Carbamazepin, Phenobarbital, Primidon, Phenytoin, Felbamat und in hohen Dosen auch Oxcarbazepin und Topiramat sind Induktoren von Cytochrom-P450-Enzymen und können somit zum „Pillenversagen“ führen [24, 25]. Im Gegenzug können hormonelle Kontrazeptiva die Clearance von Antiepileptika, vor allem Lamotrigin, steigern und zu erniedrigten Plasmaspiegeln führen [26]. Die optimale Kontrazeption für Epilepsie-Patientinnen sind daher Gestagen-haltige Intrauterinpessare. Ist eine orale Kontrazeption gewünscht, sollten Einphasenpräparate in der doppelten Tagesdosis im Lang­zyklus über drei bis neun Monate eingenommen werden [24]. Bei Kinderwunsch wird Epilepsie-Patientinnen empfohlen, zur Vorbeugung von Fehlbildungen hoch dosiert (bis zu 5 mg/Tag) Folsäure zu supplementieren [28].

Zahlreiche Antiepileptika, allen voran Valproinsäure, sind als bekannte Teratogene in der Schwangerschaft absolut kontraindiziert. Als sicher werden Lamotrigin und Levetir­acetam eingestuft [24]. Auch Oxcarbazepin gilt als geeignet [25]. In einer aktuellen Studie wurde das Risiko für das Kind untersucht, in späteren Jahren eine psychiatrische Erkrankung zu entwickeln. Die Ergebnisse weisen nicht nur bei Valproin­säure auf zahlreiche Spätfolgen hin, sondern zeigen auch bei der Einnahme von Levetiracetam einen Zusammenhang mit Angststörungen und ADHS. Lamotrigin und Oxcarbazepin gelten bis dato auch in dieser Hinsicht als sicher [27].

Im Verlauf der Schwangerschaft kann für Lamotrigin, Levetiracetam und Oxcarbazepin eine Dosiserhöhung nötig sein, da, bedingt durch eine verstärkte Clearance der Wirkstoffe, das Anfallsrisiko steigt. Nach der Geburt muss die Dosis wieder auf den Ursprungswert reduziert werden [28].

Krankheitsunabhängig sollte bei jeder Schwangeren mit Dauermedikation die Entbindung in einer Klinik mit angeschlossener Neonatologie stattfinden und die Entbindungsstation über die Grunderkrankung informiert sein. |

Literaturtipp

Sicher therapieren und beraten

Die Risiken bei der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln im Zusammenhang mit Ungeborenen und Säuglingen sind hinreichend bekannt. Jedoch ist nicht der generelle Verzicht auf Arzneimittel, sondern das fundierte Wissen um Unbedenklichkeiten und die gezielte Empfehlung entscheidend für eine fachkundige Betreuung.

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Interessenkonflikte

Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

Literatur

 [1] Dathe K, Schaefer C. Arzneimittelbehandlung der Schwangeren. Dtsch Arztebl Int 2019;116:783-90, doi 10.3238/arztebl.2019.0783

 [2] Nationale Versorgungsleitlinie Asthma. S3-Leitlinie, AWMF-Register-Nr.: nvl-002, Stand: September 2020

 [3] Asthma bronchiale. Information des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie des Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité, www.embryotox.de

 [4] Daniela C, Bravo-Solarte MD, Danna P, Garcia-Guaqueta MD, Sergio E, Chiarella MD. Asthma in pregnancy. Allergy Asthma Proc 2023; 44:24–34, doi: 10.2500/aap.2023.44.220077

 [5] Fachärztlichen Diagnostik und Therapie von Asthma. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V, AWMF-Registernr. 020-009, Stand: Mai 2023,

 [6] Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), AWMF-Registernummer: 030/057, Stand: Oktober 2022

 [7] Migräne. Information des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie des Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité, www.embryotox.de

 [8] NSAID-haltige Arzneimittel zur systemischen Anwendung während der Schwangerschaft. Information des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Stand: August 2022, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/TA/Recommendations/TA_nsaids.html

 [9] Bauer AZ, Swan, SH, Kriebel D et al. Paracetamol use during pregnancy – a call for precautionary action. Nat Rev Endocrinol 2021;17: 757–766, https://doi.org/10.1038/s41574-021-00553-7

[10] Patel R, Sushko K, van den Anker J, Samiee-Zafarghandy S. Long-Term Safety of Prenatal and Neonatal Exposure to Paracetamol: A Systematic Review. Int J Environ Res Public Health 2022;19(4):2128, doi: 10.3390/ijerph19042128

[11] Iod. Information der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V.,www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/Iod/

[12] Iod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft. Information des Bundesinstitut für Risikobewertung, Stand Dezember 2021, www.bfr.bund.de/cm/350/Iod-folat-folsaeure-und-schwangerschaft.pdf

[13] Chaker L, Razvi S, Bensenor IM, Azizi F, Pearce EN, Peeters RP. Hypothyroidism. Nat Rev Dis Primers 2022;8(1):30, doi: 10.1038/s41572-022-00357-7. Erratum in: Nat Rev Dis Primers 2022 Jun 10;8(1):39. PMID: 35589725

[14] Hypothyreose. Information des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie des Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité, www.embryotox.de

[15] Reitzle L, Heidemann C, Baumert J, Kaltheuner M, Adamczewski H, Icks A, Scheidt-Nave C: Pregnancy complications in women with pregestational and gestational diabetes mellitus. Dtsch Arztebl Int 2023;120: 81-6, doi: 10.3238/arztebl.m2022.0387

[16] Diabetes in der Schwangerschaft. S2e-Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft, AWMF-Registernummer: 057-023, Stand November 2021

[17] DDG Praxisempfehlung: „Diabetes und Schwangerschaft“. Diabetologie 2022;17 (Suppl 2): S205 – S214, doi 10.1055/a-1901-0499

[18] Reumatoide Arthritis. Information des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie des Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité, www.embryotox.de

[19] So kommen Sie mit Rheuma sicher durch Schwangerschaft und Stillzeit. Information der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V., www.rheuma-liga.de/rheuma/alltag-mit-rheuma/schwangerschaft

[20] Rheumamedikamente in Schwangerschaft und Stillzeit.Information der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V., www.rheuma-liga.de/rheuma/therapie/medikamententherapie/schwangerschaft

[21] Schenk M. Rheuma und Schwangerschaft: Ein gesundes Kind trotz Therapie. Dtsch Arztebl 2019;116(37): A-1601 / B-1322 / C-1300

[22] MS und Kinderwunsch. Register des Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum, www.ms-und-kinderwunsch.de/allgemeine-informationen.html

[23] Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen.S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN), Living Guideline, WMF-Registernummer: 030/050, Stand: November 2022

[24] Epilepsie. Information des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie des Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité, www.embryotox.de

[25] Elger CE, Berkenfeld R et al. S1-Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter 2017. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, www.dgn.org/leitlinien

[26] Fachinformation Lamictal®, Stand Januar 2022

[27] Werenberg Dreier J, Bjørk M, Alvestad S et al. JAMA Neurol 2023;80(6):568-577, doi:10.1001/jamaneurol.2023.0674

[28] Błaszczyk B, Miziak B, Pluta R, Czuczwar SJ. Epilepsy in Pregnancy-Management Principles and Focus on Valproate. Int J Mol Sci 2022; 23(3):1369, doi: 10.3390/ijms23031369. PMID: 35163292;PMCID: PMC8836209

Autorin

Dr. Sabine Werner studierte Pharmazie in München und Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie in einer Krankenhausapotheke in Tansania, später in einer öffent­lichen Apotheke in Deutschland. Seit 2010 unterrichtet sie an der Berufsfachschule für pharmazeutisch-technische Assistenten in München.

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