Praxis

Apotheke? – Nein danke!

Wie sich Erfahrungen im praktischen Jahr auf die Karriere auswirken

Nach dem Studium eine Karriere in einer öffentlichen Apotheke einzuschlagen, erscheint für zahlreiche Uniabsolventen unattraktiv. Welchen Teil trägt der Eindruck des praktischen Jahres (PJ) zu dieser Einstellung bei, und wie kann dieser Eindruck verbessert werden?

Spätestens mit dem Ende des Pharmaziestudiums und erfolgreich abgelegtem dritten Staatsexamen stellt sich für junge Pharmazeuten die Frage: Wo möchte ich gerne arbeiten? Ist vielleicht die öffentliche Apotheke der richtige Ort für mich? Wer zu Beginn des Studiums noch keine Erfahrung mit der täglichen Praxis in einer öffentlichen Apotheke in Schüler­praktika oder Ähnlichem gesammelt hatte, der konnte sich im Laufe der Jahre durch die Famulatur und mindestens einem halben Jahr PJ in einer Apotheke ein Bild machen. Oftmals ist das im praktischen Jahr gezeichnete Bild düster. Regale einräumen, im Akkord Kunden abfertigen. Da bleibt oft nur wenig Zeit für Fragen und persönliches Lernen.

Pharmazeuten im Praktikum, sogenannte PhiP, sind gern gesehene Mitarbeiter: Im Grunde fertig mit dem Studium, sind sie in Vollzeit angestellte, günstige Arbeitskräfte. Böse Zungen behaupten, dass mancher Apothekeninhaber in ihnen nur die billige Arbeitskraft sieht. Doch angehende Approbierte sollen eigentlich etwas lernen, auf das dritte Staatsexamen und letzten Endes den praktischen Beruf vorbereitet werden. Die pharmazeutischen Kenntnisse aus dem Pharmaziestudium werden vertieft und erweitert. Der Pharmazeut im Praktikum muss lernen, sie in der Praxis anzuwenden. Ein in der Ausbildungsapotheke hauptberuflich arbeitender Apotheker ist dazu da, die Ausbildung zu leiten. PhiP dürfen in ihrer praktischen Ausbildung nur für Tätigkeiten eingesetzt werden, welche die Ausbildung fördern. In der Realität sieht das leider manchmal etwas anders aus: PhiPs, die hauptsächlich Kunden „abarbeiten“, in der Hoffnung, dass irgendetwas aus der Praxis schon hängen bleiben wird.

Apotheke: ja, nein, vielleicht

Beide Fälle kommen vor: So mancher Pharmazeut in Praktischen Jahr, der ursprünglich eine Laufbahn in einer öffentlichen Apotheke einschlagen wollte, war von der Realität im Apothekenalltag derart enttäuscht, dass er sich noch einmal umentschied und der Apotheke den Rücken kehrte – für immer. Eine verlorene Kraft in Zeiten des Personalmangels.

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, wenn sich jemand dazu entscheidet, doch in die Apotheke zu wollen, auch wenn er ursprünglich andere Pläne hatte. Dabei stellt sich die Frage: Was hat denjenigen zu dieser Entscheidung bewogen? Hat seine Praktikumsapotheke vielleicht etwas anders gemacht, als andere?

PhiP fühlen sich mitunter alleine gelassen und in ein Haifischbecken geworfen. Sich ab und zu Zeit für den Schützling nehmen, detailliert auf Fragen eingehen, Fachgespräche führen und regelmäßig Verbesserungsvorschläge rückmelden ist ein guter Ansatz, damit der PhiP einen Wert aus dem praktischen Jahr ziehen kann und mit seiner Tätigkeit nicht nur der Apotheke von Nutzen ist.

Führungskräfte in Apotheken tun gut daran, sich verstärkt um Deutschlands Apothekennachwuchs zu kümmern. Wer weiß, vielleicht gefällt es dem angehenden Approbierten sogar so gut, dass er in seiner PJ-Apotheke bleiben möchte.

Leitfaden der Bundesapothekerkammer

Woran kann man sich also als Inhaber orientieren? Von der Bundesapothekerkammer gibt es einen Leitfaden für die praktische Ausbildung von Pharmazeuten im Praktikum, der die Wichtigkeit des praktischen Jahres unterstreicht und Empfehlungen gibt. Dieser wurde 2015 von der Mitgliederversammlung der Bundesapothekerkammer verabschiedet.

Es ist ratsam, sich diesen Leitfaden als Inhaber oder PJ-Verantwortlicher regelmäßig zu Gemüte zu führen, gerade wenn ein neuer PhiP in der Apotheke sein Praktikum beginnt, denn die Arbeitsbögen werden stetig überarbeitet und immer wieder aktualisiert und veröffentlicht.

Die Empfehlungen der Bundesapothekerkammer umfassen drei Teile: den Musterausbildungsplan (siehe Kasten), 29 Arbeitsbögen und Evaluationsbögen. Sie sind als beschreibbare pdf-Dateien zum Herunterladen erhältlich.

Der Musterausbildungsplan ist für sechs Monate ausgelegt, kann aber ebenso auf zwölf Monate angewendet werden. Er gibt Impulse für die zeit­liche und inhaltliche Ausgestaltung und ist in mehrere thematische Gruppen eingeteilt, die aufeinander auf­bauen. Die vom PhiP zu erlangenden Handlungskompetenzen sind darin beschrieben. Ergänzt wird er durch die Arbeitsbögen, deren Bearbeitung während der Arbeitszeit in der Apotheke angedacht ist. Durch sie beschäftigt sich der PhiP eigenständig mit unterschiedlichen Themen, die auf den jeweiligen Leitlinien, Arbeitshilfen und Leitfäden der Bundesapothekerkammer bzw. ABDA fußen, soweit diese vor­handen sind. Die bearbeiteten Bögen werden vom ausbildenden Apotheker kontrolliert und zeitnah mit dem PhiP besprochen und ausgewertet.

Die Arbeitsbögen können dann für die Vorbereitung auf den dritten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung verwendet werden.

Es stehen zwei Arten von Evaluationsbögen zur Verfügung: einer für ausbildende Apotheker und einer für PhiP.

Foto: Vital Apotheke Bad Saulgau

Überzeugt im PJ: Tatjana Buck (rechts) ist es gelungen, ihren PhiP Jakob Härle für die Arbeit in der öffentlichen Apotheke zu begeistern.

PhiP für die Apotheke begeistern

Soweit die Theorie. Aber was machen diejenigen Apotheker anders, bei denen PhiP über das praktische Jahr hinaus bleiben wollen und die somit, zumindest vorerst, eine Laufbahn in der öffentlichen Apotheke einschlagen?

Apothekerin Tatjana Buck aus dem baden-württembergischen Bad Saulgau hatte die Möglichkeit ihren PhiP, Jakob Härle, nach dem praktischen Jahr und seinem dritten Staatsexamen auch als Apotheker in einer ihrer Apotheken anstellen zu dürfen. Die Orientierung am Leitfaden war nur eine der Maßnahmen, die sie getroffen hat. Buck führte mit ihm zusammen zwei Seminare zur Beratung in der Selbstmedikation durch. Damit wurden mit dem PhiP die typischen Themen aus der Selbstmedikation abgedeckt, Themen im Sinne eines Fresh-ups wiederholt und die Grenzen der Selbstmedikation, auch mit Hinblick auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen, aufgezeigt. Hinzu kamen evidenzbasierte und leitliniengerechte Therapieempfehlungen. Buck sprach mit ihrem PhiP über praktische Tipps und ging mit ihm zusammen Applikationshilfen, etwa bei Augentropfen, durch. Zusätzlich besprachen beide, was bei besonderen Patientengruppen, wie Schwangeren, Stillenden, Kindern und geriatrischen Personen zu beachten ist. Geübt wurde alles in Übungsaufgaben, unterschieden in Rx und Non-Rx.

Zusätzlich „musste“ der PhiP jedes Produkt aus der Sichtwahl buchstäblich in die Hand nehmen und sich zum Anwendungsgebiet, den Dosierungen und Interaktionen informieren.

Insgesamt, so glaubt Apothekerin Buck, war es aber auch eine Leistung des Apothekenteams, den PhiP neben all dem Wissen und der Praxisarbeit, für die Apotheke vor Ort zu begeistern und diesen besonderen Arbeitsplatz in einem guten Licht darzustellen und wertzuschätzen.

Auch Mitarbeiterbindung spielt eine wichtige Rolle

Tatjana Bucks Maßnahmen sind jedoch nur eine der Möglichkeiten, wie es aussehen kann, sich aktiv um die Ausbildung eines PhiP zu kümmern. Sich Zeit für den PhiP zu nehmen, aktiv an der Wissensvermittlung zu arbeiten und ihm das Gefühl zu geben nicht alleine gelassen zu werden, gehört sicherlich dazu. Aber auch das Einhalten der allgemeinen Grundsätze zur Mitarbeiterbindung spielt eine wichtige Rolle, damit ein angehender Approbierter langfristig das eigene „Warum“ für die öffentliche Apotheke finden kann. |

Literatur

www.abda.de/fuer-apotheker/berufsaus­uebung/ausbildung/ (abgerufen am 01.08.2023)

BAK-Leitfaden für die praktische Ausbildung von PhiP in der Apotheke

Gespräch mit Apothekerin Tatjana Buck

Michaela Theresia Schwarz, PTA, Apothekerin

Musterausbildungsplan

Der Musterausbildungsplan der BAK schlägt folgende zeitliche und inhalt­liche Strukturierung vor:

1. Monat

Einführung

  • Betriebsablauf, insbesondere Arbeits­zeiten, Pausen, Urlaub, Arbeitsschutz, Schweigepflicht, Datenschutz beschreiben
  • Ablauf der Ausbildung beschreiben
  • Erwartungen des Ausbilders und des PhiP an das Praktikum beschreiben
  • Kollegen und deren Zuständigkeiten, insbesondere im Rahmen der pharmazeutischen Tätigkeiten, unterscheiden

Warenwirtschaft/Apothekenbetrieb

  • Bei der Warenbestellung, Waren­annahme, Warenlagerung mitwirken. Mit dem Warenwirtschafts- und dem Kassensystem umgehen
  • Die Funktion der ABDADatenbank2 in der Praxis nutzen
  • Fertigarzneimittel unterscheiden
  • Das Warensortiment, insbesondere apothekenübliche, apothekenpflichtige und verschreibungspflichtige Waren und Arzneimittel, unterscheiden
  • Preise für die verschiedenen Waren­gruppen bilden und kalkulieren
  • Chemikalien, Arzneimittel, Medizinprodukte und Verpackungen umweltgerecht entsorgen
  • Telefongespräche annehmen, Anfragen und Bestellungen erfassen

Prüfung und Herstellung

  • Sicherheitsvorschriften beachten, Gefährdungsbeurteilungen prüfen und erstellen sowie Schutz- und Sicherheitsvorkehrungen treffen
  • Gefahrstoffe kennzeichnen
  • Ausgangsstoffe prüfen und die Prüfung dokumentieren
  • Fertigarzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte prüfen und die Prüfung dokumentieren
  • Bei der Arzneimittelherstellung mitwirken

Information und Beratung

  • An Beratungsgesprächen teilnehmen und diese erläutern 
  • Im Rahmen der Selbstmedikation Beratungen nachbereiten und doku­mentieren.

 

2. Monat

Warenwirtschaft / Apothekenbetrieb

  • Aufgaben im Rahmen der Warenbestellung, Warenannahme, Warenlagerung ausführen
  • Das apothekenspezifische Qualitäts­managementsystem beschreiben und bei dessen Umsetzung mitwirken 
  • Gezielt Informationen beschaffen und bewerten 
  • Bei Dokumentationspflichten mitwirken, insbesondere bei BtM, Arzneimittel­importen, Tierarzneimitteln, TFG-Artikeln, T-Rezepten, Medizinprodukten 
  • Vertragliche Vereinbarungen mit Krankenkassen und anderen Leistungsträgern beachten
  • Bei der Rezeptkontrolle und -abrechnung mitwirken
  • Ggf. bei der Heimversorgung und dem Versandhandel mitwirken 
  • Frei- und Sichtwahl pflegen und dort das Warenangebot beurteilen

Prüfung und Herstellung

  • Unter pharmazeutischer Anleitung Arzneimittel prüfen und herstellen, die dabei notwendigen Dokumentationen vorbereiten

Information und Beratung

  • Unter pharmazeutischer Anleitung über Arzneimittel informieren, beraten und diese abgeben 
  • Verschreibungspflichtige Arzneimittel charakterisieren 
  • Im Rahmen der Selbstmedikation Beratungen vor-/nachbereiten und dokumentieren 
  • Medizinprodukte und apothekenübliche Waren, insbesondere ihre Funktion, Eigenschaften und Anwendung beschreiben 

 

3. und 4. Monat

Warenwirtschaft / Apothekenbetrieb

  • Aufgaben im Rahmen der Warenbewirtschaftung selbstständig ausführen
  • Mit Arzneimittelrisiken umgehen
  • Dokumentationen unter Berücksichtigung gesetzlicher Vorgaben vorbereiten, insbesondere bei BtM, Arzneimittelimporten, Tierarzneimitteln, TFG-Artikeln, T-Rezepten 
  • Zur Verbesserung des apothekenspezi­fischen Qualitätsmanagementsystems beitragen 

Prüfung und Herstellung

  • Arzneimittel weitgehend selbstständig prüfen und herstellen, die dabei notwendigen Dokumentationen vorbereiten

Information und Beratung

  • Über Arzneimittel informieren, beraten und diese abgeben 
  • Merkmale von Arzneimittelmissbrauch und -abhängigkeit beschreiben 
  • Mit schwierigen Beratungssituationen umgehen, dabei Grenzen der pharmazeutischen Beratung einschätzen
  • Beratungsgespräche über Medizinprodukte und apothekenübliche Waren, insbesondere auch Gefahrstoffe, führen und diese abgeben 
  • Auf Interaktionen prüfen und Maß­nahmen einleiten 
  • Vertragliche Vereinbarungen mit Krankenkassen und anderen Leistungsträgern im Rahmen der Beratung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten berücksichtigen 
  • Bei apothekenüblichen Dienstleistungen hospitieren und diese erläutern
  • Erklärungsbedürftige Darreichungsformen in ihrer Anwendung beschreiben 

 

5. und 6. Monat

Warenwirtschaft / Apothekenbetrieb

  • Die Apotheke als wirtschaftliches Unternehmen erläutern
  • Pharmazeutische Aufgaben im Rahmen des Apothekenbetriebes ausführen
  • Verpflichtungen der Apotheke im Rahmen der Apothekenbetriebsordnung erläutern, insbesondere Notfallsortiment, Notfalldepot und Dienstbereitschaft 
  • Verhandlungen mit Firmenvertretern führen

Prüfung und Herstellung

  • Arzneimittel prüfen und herstellen, die dabei notwendigen Dokumentationen vorbereiten

Information und Beratung

  • Patienten und Heilberufler über Arzneimittel, Medizinprodukte und apothekenübliche Waren informieren, beraten und diese abgeben (Arbeitsbogen 25)
  • Mit Arzneimittelmissbrauch und -abhängigkeit umgehen 
  • Schwierige Beratungssituationen bewältigen, dabei die Grenzen der pharma­zeutischen Beratung berücksichtigen
  • Apothekenübliche Dienstleistungen durchführen und darüber beraten 
  • Beim Medikationsmanagement mitwirken, z. B. Medikationsanalysen durchführen und dabei arzneimittelbezogene Probleme erkennen und lösen 
  • Mitarbeiter- oder Patientenschulungen vorbereiten und durchführen

Zu jedem Abschnitt werden passende Arbeitsbögen empfohlen, zudem sind monatliche Feedbackgespräche vorgesehen.

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