Aus den Ländern

Ein offenes Ohr für den Apothekenprotest

SPD-Landtagsabgeordnete zu Besuch in der Kuhlenkamp-Apotheke Minden

Lieferengpässe und ein nicht mehr auskömmliches Honorar: Die SPD-Landtagsabgeordnete Christina Weng hat sich in der Mindener Kuhlenkamp-Apotheke ein Bild von den aktuellen Herausforderungen in der Arzneimittelversorgung und der Stimmung in den Apothekenteams gemacht.

Gesundheit ist ein Anliegen der aus­gebildeten Intensivkrankenschwester und Gesundheitsökonomin Christina Weng (SPD), die Mitglied im Gesundheitsausschuss des Landtages ist. Alarmiert von den dramatischen Lieferengpässen bei Arzneimitteln und durch Protestaktionen der Apotheken hat sich Weng nun in der Mindener Kuhlenkamp-Apotheke ein Bild von der aktuell schwierigen Lage gemacht.

Foto: AVWL

Manuela Schier, Vorstandsmitglied des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, die Landtagsabgeordnete Christina Weng (SPD) und Apothekenmitarbeiterin Andrea Harting (v. l.) diskutierten über die aktuellen Probleme in der Arzneimittelversicherung.

Eine alarmierende Lage

Inhaberin Manuela Schier, zugleich Vorstandsmitglied des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), erklärte den Apothekenbetrieb und zeigte, wo die Herausforderungen liegen. Das Thema Lieferengpässe begleitet die Apotheken nicht erst seit der Corona-Pandemie, hat sich aber in den letzten Jahren immer weiter zugespitzt – das weiß auch Christina Weng. „Die aktuelle Lage ist alarmierend“, kommentierte sie die Situation.

Die Apothekenteams tun ihr Bestes, um die Lieferengpässe zu managen und ihre Patienten zu versorgen, so Manuela Schier, müssten dabei aber hohe bürokratische Hürden überwinden. Das sei mühsam und zeitaufwendig. Zwar gebe es seit Juni ein Engpass-Gesetz, allerdings werde dieses das Problem nicht wirklich lösen, so Schier weiter. Deshalb müssten die Apotheke flexibel reagieren können, wenn ein dringend benötigtes Mittel nicht lieferbar ist. „Während der Corona-Pandemie galten Sonderregelungen zum Austausch von Medikamenten“, sagt Manuela Schier. „Das neue Gesetz zur Engpassbekämpfung schränkt unseren Handlungsspielraum nun leider wieder ein. Unter anderem können wir ein Medikament nicht mehr einfach in anderer Darreichungsform abgeben, also beispielsweise Fiebersäfte statt Zäpfchen. Wir brauchen hier dringend mehr Handlungsfreiheit. Dass wir auch bei Lieferengpässen kostengünstig und effizient Wege zur Patientenversorgung finden können, haben wir Apotheken während der Pandemie bewiesen.“

„Vom Patienten her denken“

Ein weiteres Ärgernis und hohes wirtschaftliches Risiko für die Apotheken sind drohende Regressforderungen der Krankenkassen. Apothekenmit­arbeiterin Andrea Harting erläutert: „Wenn ein Patient ein Medikament erhält, muss die Apotheke dieses zunächst auf eigenes Risiko einkaufen und vorfinanzieren. Es geschieht immer wieder, dass die Krankenkassen im Anschluss aufgrund kleinster Formfehler auf dem Rezept die Kostenübernahme verweigern. Bei sogenannten Nullretaxationen erhalten wir nicht einmal unseren Wareneinsatz zurück. Und das, obwohl der Patient versorgt wurde. Das fühlt sich für uns an wie eine Ohrfeige – und ist teils existenzgefährdend!“ Christina Weng stimmt zu, dass derartige Vorgehensweisen unangemessen erscheinen und abgeschafft werden sollten: „Wir müssen mehr vom Patienten her denken. Das geschieht im deutschen Gesundheitssystem leider oftmals nicht. Viele bürokratische Erfordernisse fressen Zeit und Ressourcen, die eigentlich besser in die Patientenversorgung investiert wären. Hier müssen wir dringend Hürden abbauen.“

Honorar nicht auskömmlich

Manuela Schier rechnete der Politikerin außerdem vor, warum die Honorierung der Apotheken nicht auskömmlich ist. In den vergangenen 20 Jahren sei die reglementierte Vergütung der Apotheken nur ein einziges Mal um wenige Cent erhöht und in diesem Jahr sogar noch gekürzt worden. Bei steigenden Personal- und Sachkosten, explodierenden Energiepreisen und einer immensen Inflation sei die Vergütung real deutlich abgeschmolzen. Es gebe Studien, dass die Apotheken mittlerweile pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung, die ein gesetzlich versicherter Patient erhalte, 27 Cent drauflegen müssen – und dass dieser Verlust sich künftig sogar auf einen Euro erhöhen könnte. Eine Steigerung des Ertrags sei nicht ohne Weiteres möglich, weil die Apotheken an die Arzneimittelpreise gebunden sind: „Ich kann meine Medikamente nicht einfach teurer verkaufen, wie etwa ein Bäcker es mit seinen Brötchen tun kann“, erläuterte Manuela Schier.

Zuspruch der Patienten

Probleme gibt es reichlich, und doch liebt die Inhaberin die Arbeit in der Offizin und mit den Patienten – obwohl sie immer seltener dazu kommt, weil sie so viel Zeit am Schreibtisch verbringen muss. Die Apotheken seien niedrigschwellige Anlaufstellen für die Bevölkerung und würden damit eine unersetzliche Funktion übernehmen. Täglicher Zuspruch aus der Kundschaft würde sie darin bestärken, dass es wichtig sei, für das Versorgungsnetz der Apotheken zu kämpfen, so Manuela Schier. „Wir sind ein Bindeglied zwischen Patienten und den anderen Gesundheitsstrukturen.“

Christina Weng hörte aufmerksam zu, machte sich Notizen und entgegnete: „Ich kann den Protest der Apotheken sehr gut verstehen. Ich bin damals selbst in die Politik gegangen, um die Zustände im Gesundheitssystem zum Besseren zu verändern.“ Sie kündigte an, die besprochenen Anliegen der Apotheken im Landtag vorzutragen. Außerdem möchte sie baldmöglichst ein Praktikum in der Kuhlenkamp-Apotheke absolvieren – um noch mehr über die Apotheken und ihren Arbeitsalltag zu lernen. |

Apothekerverband Westfalen-Lippe

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