Die Seite 3

System in Gefahr

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Seit Jahren veröffentlicht die ABDA in ihrem Apothekenwirtschaftsbericht nur das durchschnittliche Betriebsergebnis der Apotheken. Dass Angaben zur Verteilung mehr Erkenntnisse bringen, verdeutlicht nun eine Präsentation der Steuerberatung Treuhand Hannover. Dr. Sebastian Schwintek zeigte, wie die Ergebnisse der Apotheken Anfang 2022 „gekippt“ sind (siehe Seite 9 in dieser DAZ). Inzwischen erwirtschaftet ein Drittel der Apotheken Betriebsergebnisse unter 75.000 Euro, die ein Inhaber auch ohne wirtschaftliches Risiko als Angestellter erzielen könnte. Ein Zehntel der Apotheken schreibt sogar rote Zahlen. Nach der Präsentation dieser Daten betonte der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, Berend Groeneveld, dass die Betriebs­ergebnisse – anders als andere Unternehmensgewinne – auch das Entgelt für die Arbeit der Inhaber enthalten.

Betriebswirtschaftlich bedeutet das: Würden kalkulatorische Kosten berücksichtigt, wäre ein Drittel der Apotheken defizitär. Solche Apotheken werden praktisch nur betrieben, weil die Inhaber auf die Rente oder das Auslaufen des Mietvertrags warten. Ihr Ende zu einem Stichtag steht schon fest. In Verbindung mit den neuen Daten bedeutet das, dass die Apothekenzahlen künftig noch viel stärker als bisher abnehmen werden.

Bisher reagieren aber die Politik und sogar die Partner im Gesundheitswesen nur sehr verhalten auf die sinkenden Apothekenzahlen. Zu tief sitzt offenbar das alte Vorurteil, dass weniger Apotheken im System auch weniger Kosten verursachen würden. Das war schon früher kein Sparrezept, weil die patientenbezogenen Leistungen den größten Kostenfaktor in Apotheken bilden und diese Kosten in großen Apotheken nicht geringer sind. Inzwischen ist das alte Vorurteil nicht nur falsch, sondern zunehmend muss sogar das Gegenteil erwartet werden. Nach vielen Apothekenschließungen haben die verbliebenen Apotheken ihre Skalen­effekte längst realisiert. Weiteres Wachstum würde zusätzliche Investitionen nötig machen und damit sogar mehr Geld erfordern. Wenn weitere Apotheken schließen, geht vorhandene wertvolle Infrastruktur ver­loren, die in anderen Apotheken erst wieder aufgebaut werden müsste. Das macht das System zumindest auf mittlere Sicht teurer, nicht billiger. Nebenbei bemerkt: Versand bringt auch keine Einsparung, denn die Versender schreiben seit jeher rote Zahlen.

Die Apotheken vor Ort sind offenbar das kostengünstigste System, aber dieses System hat seine Grenze überschritten. Mit den vorhandenen Mitteln ist es langfristig nicht mehr stabil. Ob das System auftragsgemäß funktioniert, ist auch nicht allein an der Erreichbarkeit von Apotheken im ländlichen Raum zu messen. Dazu gehört auch eine gewisse Apothekendichte in urbanen Räumen, denn diese bietet Wahlmöglichkeiten, Wettbewerb und eine dezentrale Struktur für Stabilität in Krisensituationen. Wenn aber ein Drittel der Apotheken gefährdet ist, ist dieses System in Gefahr. Dagegen hilft nur mehr Geld.

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