Arzneimittel und Therapie

Was kommt im Herbst auf uns zu?

Experten rechnen mit ähnlicher COVID-19-Situation wie im vergangenen Jahr

gg | Die Tage werden kürzer, die COVID-19-Fallzahlen steigen. Womit müssen wir in Sachen COVID-19 in diesem Herbst rechnen? Dazu befragte das Science Media Center am 6. September 2023 drei Experten. Diesen bereitet der Personalmangel im Gesundheits­wesen mehr Sorge als die neue Virusvariante namens Pirola. Ältere Personen und Risikopatienten sollten unbedingt ihren Impfschutz mit einem angepassten Impfstoff auffrischen lassen.

Seit Anfang Juli 2023 steigen die COVID-19-Fallzahlen in Deutschland auf niedrigem Niveau an. Fast die Hälfte der Fälle entfällt dabei derzeit auf die Omikron-Subvariante Eris (EG.5). Auch vor dem Hintergrund der nun beginnenden Impfsaison stellt sich die Frage: Wie wird der Corona-Herbst 2023?

Für Schlagzeilen sorgt aktuell die neue Virusvariante Pirola (BA.2.86). Wie bei Eris handelt es sich hierbei um eine Omikron-Subvariante. BA.2.86 unterscheidet sich von BA.2 und von XBB.1.5 durch jeweils über 30 Mutationen, erläutert Prof. Dr. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie des Universitätsklinikums Frankfurt. In Deutschland sei bislang noch kein Fall von einer Infektion mit dieser Variante nachgewiesen, das könne aber auch an der stark zurückgefahrenen Surveillance liegen, die in Deutschland derzeit betrieben wird. Zwar gibt es bislang erst wenige Daten zu dieser sehr neuen Variante, ein Grund für große Sorge ist sie laut Ciesek jedoch nicht. Weite Teile der Bevölkerung seien durch Infektionen oder Impfungen bereits mit Omikron-Varianten in Kontakt gekommen, wodurch ein gewisser Schutz vor schweren Ver­läufen bestehe.

Foto: Tyler Olson/AdobeStock

Zu wenig Personal im Gesundheitssektor beun­ruhigt Experten mehr als neue Virusvarianten.

Wem nützt eine Impfung?

Mit Comirnaty® Omikron XBB.1.5 können Apotheken derzeit einen angepassten COVID-19-Impfstoff bestellen. Genaue Vorhersagen zur Schutz­wirkung einer Impfung mit diesem Vakzin könne man noch nicht treffen, erklärt Prof. Dr. Leif Erik Sander, Direktor der Abteilung für Infektiologie und Leiter der Arbeitsgruppe für personalisierte Infektionsmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die aktuelle Datenlage spreche aber dafür, dass sich durch eine Impfung mit den angepassten Impfstoffen die Anti­körper-Antwort verbreitert und beispielsweise Eris gut kreuzneutralisiert werde. Hinsichtlich der Frage, für wen eine (weitere) Impfung anzuraten ist, verweist Sander auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Für die dort erwähnten Personengruppen – wie etwa Ältere, Vorerkrankte oder medizinisches Personal – sei der Nutzen einer weiteren Impfung erwiesen. Eine Grippeimpfung könne man bei der Ge­legenheit „in einem Abwasch“ gleich miterledigen. Mit dem Vorurteil, dass viele Auffrischungsimpfungen der Schutzwirkung schaden würden, räumt Sander auf: Es gebe keinerlei Hinweise, dass mehrfach geimpfte Personen schlechter geschützt wären. Vollkommen gesunde Menschen würden aber auch nicht von häufigen Impfungen profitieren. Bei bislang noch ungeimpften Personen rät Sander zu drei Impfungen, falls noch keine COVID-19-Erkrankung durchgemacht wurde, und zu einer Impfung nach bereits überstandener Erkrankung.

Bedrohung Personalmangel

Mehr Sorge als die neuen Virus­varianten bereitet Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensiv­medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, die angespannte Personalsituation im Gesundheits­wesen. Aufgrund dessen könnten derzeit etwa 25% der Intensivbetten nicht belegt werden. Vor diesem Hintergrund und auch um das Risiko für schwere Verläufe oder Long-COVID zu verringern, ist die Impfung auch in diesem Jahr eine sinnvolle Schutzmaßnahme. Auch die Maske könne in bestimmten Situationen wieder nützlich sein – etwa, wenn man trotz Erkältungssymptomen Bus oder Bahn benutzen muss. Für eine generelle Maskenpflicht sei das Infektionsgeschehen aktuell nicht ausgeprägt genug.

Insgesamt rechnen die drei Experten in diesem Herbst mit einer ähnlichen Situation wie im vergangenen Jahr. Es ist wahrscheinlich, dass sich viele Menschen mit SARS-CoV-2 infizieren werden. Angespannte Situationen in der ambulanten und stationären Versorgung sind aufgrund der knappen Personaldecke möglich. Eine Situation wie etwa 2020/21 sei jedoch nicht zu erwarten. „Wir sind aus der Pandemie raus, aber die Viren sind noch da“, schloss Prof. Sander die Konferenz. |

Literatur

ARE-Wochenbericht des RKI: Aktuelles zu akuten respiratorischen Erkrankungen, 35. Kalenderwoche (28.8. bis 3.9.2023). Informationen des Robert Koch-Instituts

Was erwartet uns im Corona-Herbst 2023? Press-Briefing des Science Media Centers, 6. September 2023

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