Arzneimittel und Therapie

Wer von der Fixkombination Paracetamol / Ibuprofen profitiert

Neues Kombinationspräparat seit 1. Januar 2023 in der Sichtwahl

„Nehmen Sie Ibuprofen und Para­cetamol mit ausreichendem Abstand ein“ – dieser Beratungshinweis gehört im Handverkauf der Vergangenheit an. Die bisher verschreibungspflichtige Kombination beider Analgetika kann künftig rezeptfrei verkauft werden. Synofen® Film­tabletten stehen seit Anfang 2023 für die Indikation kurzzeitige Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen zur Verfügung. Wir haben uns die Sachlage etwas genauer angeschaut.

Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hat bereits im Juli 2021 darüber entschieden, Präparate mit einer Kombination von Ibuprofen und Paracetamol in den OTC-Bereich zu entlassen [1]. Im Februar 2022 hat der Bundesrat einer Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) zugestimmt. Bevor als apothekenpflichtig deklarierte Packungen in den Handel kommen, musste das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zunächst die Anträge der Hersteller bewilligen. Nun ist die Marktein­führung erfolgt.

Foto: Ratiopharm

Das Kombinationspräparat ist bei Erwachsenen ab 18 Jahren indiziert zur kurz­zeitigen symptomatischen Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen, speziell anwendbar bei Schmerzen, die durch alleinige Anwendung von Ibuprofen oder Paracetamol nicht gelindert werden können.

Was kommt?

Im Speziellen geht es um Präparate zur oralen Anwendung, die je Einzeldosis maximal 500 mg Paracetamol (Tageshöchstdosis 3000 mg) und 200 mg Ibuprofen (Tageshöchstdosis 1200 mg) enthalten. Je Packung darf eine Gesamtwirkstoffmenge von 10 g Paracetamol und 4 g Ibuprofen nicht überschritten werden. Das entspricht 20 Tabletten. Entsprechende Packungsgrößen wurden bereits zuvor von den bisherigen Rx-Arzneimitteln Duoval® sowie den Generika von Acino und Ratiopharm angeboten. Sie sind in Deutschland ab 18 Jahren zugelassen. Das Anwendungsgebiet umfasst die kurzzeitige symptomatische Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen. Laut der Fachinformation soll die Kombination speziell bei Schmerzen angewendet werden, die durch eine alleinige Anwendung von Ibuprofen oder Paracetamol nicht gelindert werden können [7].

Was sind die Vorteile?

Eine Kombination von Paracetamol und Ibuprofen gilt wegen der unterschiedlichen Wirkmechanismen als sinnvoll, da synergistische Effekte vermutet werden. Ibuprofen ist ein peripher wirkendes Analgetikum mit antientzündlichen Eigenschaften. Die schmerzlindernde Wirkung von Paracetamol kommt vermutlich auf zentraler Ebene im Gehirn und im Rückenmark zustande. Es gibt mehrere Studien, die eine Überlegenheit der Kombination im Vergleich zu den Einzelsubstanzen zeigen. Die bisherige Evidenz stammt hauptsächlich aus dem Rx-Bereich.

In einer Studie von Ostojic et al. bewirkte die Kombination von Ibuprofen und Paracetamol bei Patienten mit akuten Kreuzschmerzen eine schnel­lere und längere Schmerzlinderung als eine Ibuprofen-Monotherapie [2]. In Hinblick auf Schmerzen infolge von Verletzungen der Extremitäten (Frakturen, Verstauchungen, Zerrungen und Muskelschmerzen) vermochte die Kombination von 1000 mg Paracetamol plus 400 mg Ibuprofen eine vergleichbare Linderung zu erzielen wie die Kombination Oxycodon (5 mg) plus Paracetamol (325 mg) [3]. Auch nach einer Zahnextraktion bot die Kombination im Rahmen einer Dose Ranging Study eine sichere und bessere Schmerzlinderung als Placebo [4].

Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 bescheinigte der Fixkombination von Ibuprofen und Paracetamol eine eindeutige Wirksamkeit in der Behandlung postoperativer Schmerzen im Vergleich zu Placebo [5]. Die Autoren beschreiben sie auch in höheren Dosen von bis 400 mg Ibuprofen und 1000 mg Paracetamol als gut verträglich. Allerdings waren die Ergebnisse zur Sicherheit zwischen den eingeschlossenen Studien nicht eindeutig.

In einer randomisierten, doppelblinden, aktiv kontrollierten Studie mit 892 Probanden im Alter von 40 bis 84 Jahren wurden Wirksamkeit und Sicherheit einer kurz- und einer längerfristigen Einnahme von Paracetamol (dreimal täglich 1000 mg), Ibuprofen (dreimal täglich 400 mg) oder einer Kombination beider Wirkstoffe (dreimal täglich 500 mg Paracet­amol/200 mg Ibuprofen bzw. dreimal täglich 1000 mg Paracetamol/400 mg Ibuprofen) zur Linderung von Knieschmerzen in der Selbstmedikation untersucht [6]. Nach kurzfristiger Einnahme waren die Kombinationen (vor allem die hoch dosierte) wirksamer als Paracetamol, aber nicht wirksamer als Ibuprofen. Langfristig bewerteten die Patienten, die ein Kombinationspräparat eingenommen hatten, den Therapieerfolg besser als jene, die nur Paracet­amol erhalten hatten. Ibuprofen wurde besser bewertet als Paracet­amol. Unter der Kombina­tionstherapie traten aber mehr un­erwünschte Wirkungen auf als unter den Mono­therapien.

Was sind die Risiken?

Die Nebenwirkungen und Kontraindikationen der Kombination ergeben sich prinzipiell aus den Spektren der Einzelsubstanzen. Ibuprofen ist berüchtigt für seine gastrointestinalen, kardio- und zerebrovaskulären Effekte, Paracetamol für seine Hepatotoxizität. Das Auftreten von Nebenwirkungen ist generell abhängig vom Dosisbereich und der Anwendungsdauer. (Die bekannten Nebenwirkungen werden zeit- und dosisabhängig erhöht.)

Aus dem Protokoll des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht geht hervor, dass nicht alle Mitglieder von der Sicherheit der Fixkombination als OTC-Arzneimittel zweifelsfrei überzeugt waren [1]. Als Risiken wurden die Gefahr für akute Nierenfunktionseinschränkungen und erosive Gastritis genannt. Es gebe Arbeiten, die für die Kombination der beiden Wirkstoffe eine überadditive gastrointestinale Nebenwirkungsrate gezeigt hätten. Gefährdet seien ins­besondere Ältere und Patienten mit vielen Komorbiditäten.

Andere Ausschussmitglieder sahen unter der Voraussetzung der vorgesehenen Beschränkung der Einzeldosis sowie der Gesamtwirkstoffmenge pro Packung und der Kurzzeitanwendung die Kombination als sicher an. Der Ausschuss empfahl am Ende mehrheitlich die Entlassung der Kombina­tion aus der Verschreibungspflicht unter den Bedingungen einer Kurzzeitanwendung. Der Pharmakologe Prof. Dr. Thomas Herdegen, Kiel, hält die Fixkombi in Bezug auf die Nierenfunktion sogar für sicherer als eine Monotherapie mit Ibuprofen, wie er im Interview erläutert (siehe unten "Vorteil für ältere Nierenkranke"). |

 

Literatur

[1] Ergebnisprotokoll der Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht am 13. Juli 2021. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Ausschuesse-und-Gremien/Verschreibungspflicht/Protokolle/84Sitzung/protokoll_84.html;jsessionid=10BE26EBA435E05551FAB93CCB2806C5.intranet262?nn=594592

[2] Ostojic P et al. Ibuprofen plus paracetamol versus ibuprofen in acute low back pain: a randomized open label multicenter clinical study. Acta Reumatol Port 2017;42(1):18-25

[3] Chang AK et al. Effect of a Single Dose of Oral Opioid and Nonopioid Analgesics on Acute Extremity Pain in the Emergency Department. JAMA 2017;318:1661-1667

[4 Arkinson HC et al. Combination paracetamol and ibuprofen for pain relief after oral surgery: a dose ranging study. Eur J Clin Pharmacol 2015;71(5):579-87

[5] Abushanab D et al. Efficacy and Safety of Ibuprofen Plus Paracetamol in a Fixed-Dose Combination for Acute Postoperative Pain in Adults: Meta-Analysis and a Trial Sequential Analysis. CNS Drugs 2021;35(1):105-120

[6] Doherty M et al. A randomised controlled trial of ibuprofen, paracetamol or a combination tablet of ibuprofen/paracetamol in community-derived people with knee pain. Ann Rheum Dis 2011;70:1534-1541

[7] Fachinformation Synofen Filmtabletten, Ratiopharm GmbH, Stand: Oktober 2022

Apothekerin Rika Rausch

Vorteil für ältere Nierenkranke

Ein Interview

Die Fixkombination von Ibuprofen und Paracetamol steht nun für die Selbstmedikation zur Verfügung. Wir fragten Prof. Dr. Thomas Herdegen, Pharmakologe am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie in Kiel, welche Patienten besonders von der neuen Therapieoption profitieren könnten.

Prof. Dr. Thomas Herdegen

DAZ: Kann man vereinfacht sagen, dass durch die gleichzeitige Gabe von Paracetamol Ibuprofen eingespart werden kann?
Herdegen: Wir dürfen von einem Einspareffekt ausgehen, wie wir es von Kombipräparaten mit Acetyl­salicylsäure, Paracetamol und Coffein her kennen. Eventuell gibt es komplementäre Effekte, da Para­cet­amol etwas anders wirkt als Ibuprofen. Die Wirkung von Ibuprofen 200 mg/Paracetamol 500 mg darf ungefähr als identisch gelten mit derjenigen von 1000 mg Paracet­amol oder 400 mg Ibuprofen. Es gibt Studiendaten, dass die Kombination effektiver ist als eine Ibuprofen-Monotherapie.

DAZ: Kommt die Kombination zum Beispiel für Personen infrage, die mit Ibuprofen eine gute Wirkung erzielen, es aber nur schlecht vertragen? Welche Patienten könnten darüber hinaus profitieren?
Herdegen: Grundsätzlich sind die Kontraindikationen die gleichen wie die der Einzelsubstanzen. Dennoch gilt auch, dass die von der COX-Hemmung verursachten unerwünschten Wirkungen dosisabhängig sind. Das heißt, durch die Einsparung von Ibuprofen sollte es weniger Probleme mit dem Magen bzw. Gastrointestinaltrakt und den Nieren geben sowie noch weniger Herzprobleme. Eine erhöhte Organtoxizität durch eine „überadditive“ Wirkung sehe ich nicht, zumal bei der niedrigen Einzeldosis von 200 mg Ibuprofen. Es profitieren damit die älteren Risikopatienten, bei denen zwar Ibuprofen noch indiziert ist (Kontraindikation: glomeruläre Filtrationsrate [GFR] < 30 mg/ml!), aber die gerne mehr Arzneimittel­sicherheit hätten.

DAZ: In welchen Indikationen erscheint ein Therapieversuch in der Selbstmedikation besonders sinnvoll?
Herdegen: Kopfschmerzen, Regelschmerzen (sind dann in der Regel keine Älteren), letztlich alle Schmerzen, bei denen COX-Inhibitoren wirken. Fieber ist keine Indikation der Fixkombination, aber fiebrige Infekte gehen häufig mit muskulo-skelettalen Schmerzen einher, sodass bei diesen Schmerzen die antipyretische Wirkung mitgenutzt werden kann.

DAZ: Von Seiten der Hersteller ist zu lesen, dass sie die Fixkombination Ibuprofen/Paracetamol als eine Möglichkeit erachten, Zeit bis zum Einsatz von Opioiden zu gewinnen, zum Beispiel im Fall einer Osteo­arthritis. Würden Sie dieser Aus­sage zustimmen?
Herdegen: Dieser Ansatz ist doch sehr fraglich. Entweder COX-Inhibitoren helfen, dann brauche ich keine Opioide (außer bei Kontraindikationen). Oder ich brauche Opioide, vor allem bei neuropathischen Symptomen. Eine Osteoarthritis wird ja nicht regelhaft mit Fortschreiten der Symptome Opioid-pflichtig, und das UAW-Spektrum beider Analgetika-Gruppen ist verschieden. Die Kombination Paracetamol/Ibuprofen ist von der Wirkung her keine Alternative zu Opioiden. Bei Osteoarthritis/Arthrose sind COX-Inhibitoren vorzuziehen, bei Tumorschmerz oder neuropathischem Schmerz Opioide. Dazwischen rangiert Metamizol.

DAZ: Im Prozess um die Entlassung aus der Verschreibungspflicht wurde die Sorge um Risiken wie akute Nierenfunktionseinschränkungen geäußert. Wie bewerten Sie die Sicherheit der Fixkombi Ibuprofen/Paracetamol, insbesondere mit Blick auf die Selbstmedikation?
Herdegen: Grundsätzlich halte ich die Fixkombi für sicherer, vor allem in Bezug auf die Nierenfunktion. Paracetamol gilt ja sogar in der postoperativen Anästhesie als Mittel der Wahl. Das akute Nierenversagen unter COX-Inhibitoren ist besonders eine Frage der Volumendepletion (Brechdurchfall, Exsikkose) und der Nichtbeachtung der Kontraindikation schwere Niereninsuffizienz. Die Fachinformationen machen allerdings hier einen Eiertanz: Paracet­amol wird über einen so weiten Bereich der glomerulären Filtrationsrate von 50 ml/Minute (noch einigermaßen funktionierende Nieren) bis 10 ml/Minute (kurz vor der Dialysepflicht) auf viermal 500 mg beschränkt – eine solche nierenpharmakologische Undifferenziertheit ist wohl einmalig. Ibuprofen gilt bis zu einer GFR von 30 ml/Minute als mehr oder weniger unbedenklich, darunter ist es kontraindiziert. Im Internet findet sich die Aussage des Schweizer Kantonsspitals Thurgau, Paracetamol sei bei Niereninsuffizienz „bedenkenlos anwendbar (keine Nephrotoxizität, keine renale Ausscheidung)“. Das kann man für die meisten Anwender so stehen lassen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass gerade bei eingeschränkter Nierenfunktion die Fixkombi mit weniger Ibuprofen gegenüber Ibuprofen-Monotherapie aus renaler Sicht sicherer ist.

DAZ: Und wie steht es um gastrointestinale Nebenwirkungen?
Herdegen: Gastrointestinal muss auch mit erosiven Gastritiden gerechnet werden (wenn auch nicht bei Vier-Tage-Einnahmedauer in der Selbstmedikation), da auch Paracet­amol die COX-2 hemmt und bei Tagesdosierungen > 2000 mg auch die gastrointestinale Schleimhaut schädigen kann. Die selektive COX-2-Hemmung macht ca. 50% weniger Läsionen im Gastrointestinaltrakt als die unselektive COX-Hemmung. Es gibt allerdings auch Studiendaten, wonach nach vier Wochen Einnahme die Kombination etwas mehr UAW im Gastrointestinaltrakt provozierten als die Ibuprofen-Monotherapie. Im Zweifel immer PPI dazunehmen!

DAZ: Wie lautet Ihr Fazit: lieber Monotherapie oder Fixkombi?
Herdegen: Mit dreimal täglich 500 mg Paracetamol plus 200 mg Ibuprofen bin ich sicherer als mit dreimal 1000 mg Paracetamol bezüglich einer Leberproblematik und bin sicherer als mit dreimal 400 mg (oder mehr) Ibuprofen bezüglich Ulzera im Gastrointestinaltrakt, Kardiotoxizität und Nieren-Dysfunktion, insbesondere auch vor dem Hintergrund von Volumendepletion (Exsikkose), Niereninsuffizienz und einer Komedikation mit RAAS-Hemmstoffen. Der exsikkierte und/oder niereninsuffiziente Ältere, der davon häufig nichts weiß und Hemmstoffe des RAAS einnimmt, kann so zu einem echten Profiteur der Kombi werden.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

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