Aus den Ländern

Pharmazie an den Schnittstellen

Tag der Offizinpharmazie der DPhG und Landesapothekerkammer Baden-Württemberg

TÜBINGEN (gg) | Vom 7. bis 10. Oktober fand die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) in Tübingen statt. Am Samstagnachmittag gab es mit dem Tag der Offizinpharmazie ein besonderes und kostenloses Angebot der DPhG und der baden-württembergischen Apothekerkammer für die etwa 100 angemeldeten, interessierten Kolleginnen und Kollegen.

Die drei Vorträge dieser Veranstal­tungen beleuchteten, wie Pharmazie an den Schnittstellen Ver­ordnung/Anwendung von Arzneimitteln, stationäre/ambulante Versorgung und Forschung/Apo­thekenpraxis erfolgreich gelingt.

pDL für mehr Sicherheit an den Schnittstellen

Um die Schnittstelle zwischen Verordnung und Anwendung von Inhalativa ging es im ersten Vortrag von PharmD Ina Richling. Bei der Anwendung inhalativer Arzneimittel geht regelmäßig alles schief, was nur schiefgehen kann, erinnerte Richling Zur Verdeutlichung zeigte sie Abbildungen von einer an der falschen Seite geöffneten Kartusche und einem Inhalator, in den statt des Wirkstoffes Trockenmittel eingebracht wurde. Auch wenn dies vielleicht Extremfälle sind, Fehler wie nach der Inhalation den Atem nicht anzuhalten, das Gerät nicht zu schütteln (bei Wirkstoff­suspensionen) oder nach einer Cortison-Inhalation den Mund nicht auszuspülen, macht fast jeder Dritte. Umso sinnvoller und wichtiger ist es, dass Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) erbringen und die korrekte Anwendung des Inhalativums mit den Patientinnen und Patienten geübt wird. Darüber hinaus fördern pDL auch die Patientenwertschätzung, die Kundenbindung und helfen sogar dabei, PhiPs für die eigene Apotheke zu begeistern. Anschließend räumte Richling mit häufigen Fehlannahmen auf: Das Üben der korrekten Inhalationstechnik darf nicht nur Personen mit Asthma oder COPD angeboten werden, sondern indikationsunabhängig allen, die erstmals ein Inhalations-Device verordnet bekommen oder bei denen das Device gewechselt wurde. Nicht abgerechnet werden kann die pDL hingegen bei der Verordnung von Hilfsmitteln wie dem Pari Boy. Durchgeführt werden darf die pDL sowohl in der Apotheke als auch in Heimen, nicht jedoch im Krankenhaus. Neben zahlreichen weiteren Praxistipps gab Richling den Teilnehmenden abschließend auch noch einige Ideen mit, wie in Apotheken auf das neue Angebot der pDL hingewiesen werden kann: etwa durch Flyer, Aktionen z. B. am Welt-Asthma-Tag, Artikeln in der Lokalpresse oder dem Besuch von Ärztezirkeln. Aber auch, dass das ganze Team, inklusiven Reinigungskräften und Boten Bescheid weiß, trägt dazu bei, dass sich das Angebot rasch herumspricht. Nicht zu vergessen ist auch die politische Dimension der pDL: Sie sind „der heiße Scheiß“ um gute Arbeitsplätze in der Apotheke zu sichern und sich deutlich von den Versendern abzu­heben, so Richling.

Foto: Nadine Metzger

Zufrieden mit der Veranstaltung Prof. Dr. Stefan Laufer (Uni TÜ; DPhG), Ina Richling PharmD (Referentin), Nadine Metzger (DPhG), Dr. Anke Ritter (DPhG), Prof. Dr. Hans-Peter Lipp (Uni-Apotheke TÜ), Dr. Martin Braun (Präsident LAK BW), Patrick Schäfer (LAK BW) (v. l.).

Sicher und lückenlos?

Mit dem Entlassmanagement und damit einer ganz anderen Schnittstelle beschäftigte sich der zweite Vortrag, der von Prof. Dr. Hanna Seidling und Nadine Metzger konzipiert und aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung von Metzger allein präsentiert wurde. Seit mittlerweile sechs Jahren gibt es den Rahmenvertrag Entlassmanagement, der den Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung lückenlos und sicher gestalten soll. Zu der Frage, ob dies im Bereich der Arzneimittelversorgung auch gelungen ist, gibt es jedoch keine Auswertung. Um dies zu ändern, haben sich DPhG und der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) zu einem gemeinsamen Projekt zusammengetan, das diese Datenlücke schließen und die Zusammenarbeit zwischen stationär und ambulant tätigen Apothekerinnen und Apothekern stärken will. In vier Arbeitsgruppen beschäftigten sich Mitglieder beider Organisationen mit dem Medikationsplan, dem Entlass­gespräch, -rezept und -brief. Sie entwickelten Lösungsideen für identifizierte Probleme, aber auch Fragen für einen übergeordneten Fragebogen, der anschließend Apothekenleitungen und Krankenhausapotheken zugeschickt wurde. Während die Auswertung der Fragebögen noch nicht abgeschlossen ist, konnte Metzger schon einige Teilergebnisse aus den einzelnen Arbeitsgruppen vorstellen. Die Arbeitsgruppe Medikationsplan konstatierte, dass der Bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) noch viel zu wenig genutzt wird und oft veraltete Informationen enthält. Damit er „in die Fläche“ kommt, wäre beispielsweise hilfreich, wenn dieser auch im stationären Kontext verwendet werden würde. Die Arbeitsgruppe Entlassrezepte prüfte unterdessen, welche Schwierigkeiten mit diesen Verordnungen verbunden sind. Dies ergab unter anderem, dass die abzugebenden N1-Packungen (wenn vorhanden) tatsächlich oft den Arzneimittelbedarf bis zum nächsten Arztbesuch abdecken kann – nicht jedoch im Fall von Metamizol, wo die zehn enthaltenen Tabletten gerade etwas mehr als eine Tageshöchstdosis (acht Tabletten) darstellen. Beim Entlassmanagement besteht also durchaus noch Optimierungsbedarf – DPhG und ADKA werden dranbleiben.

Foto: DAZ/gg

Zeit für Gespräche während der Pause in der Eingangshalle.

Tyrosinkinasehemmer – aus der Forschung in die Praxis

Im letzten Vortrag nahmen sich Prof. Dr. Stefan Laufer und Prof. Dr. Hans-Peter Lipp der Wirkstoffklasse der Tyrosinkinaseinhibitoren an, die etwas mehr als 20 Jahre nach der Markteinführung des ersten Vertreters, Imatinib, mehr und mehr Einzug in den Therapiealltag hält. Im ersten Vortragsteil nahm Laufer das Publikum mit auf einen Crash-Kurs durch die Geschichte dieser Arzneimittel. Ins­besondere rief er in Erinnerung, wie vielfältig Tyrosinkinasen sind. Die BCR-ABL-Tyrosinkinase, die durch eine Chromosomentranslokation die meisten Fällen der chronisch myelo­ischen Leukämie verursacht und bei der Imatinib erstmals zu einer Remission geführt hatte, ist etwa ein „ein­faches“ Target, da sie in gesunden Zellen nicht vorkommt. Auch sind Mutationen bei Tyrosinkinasen möglich, durch die die Zellen eine Resistenz gegen das Arzneimittel erwerben und ein Wechsel auf einen anderen Tyrosinkinasehemmer nötig wird. Die Vielzahl der Mittel am Markt ist vor diesem Hintergrund wichtig – und wird wohl auch weiter wachsen. Derzeit sind zahlreiche Präparate in der klinischen Prüfung. Als neue Indika­tionsfelder werden aktuell vor allem Virusinfektionen und ZNS-Erkrankungen wie multiple Sklerose in Angriff genommen. Welche Aspekte im Versorgungsalltag eine wichtige Rolle spielen, ergänzte Lipp im zweiten Vortragsteil. Auch hier spielte die Vielfalt der Tyrosinkinasen und entsprechenden Hemmer eine wichtige Rolle. Substanzklasseneffekte gibt es hier nicht, so Lipp. Treten quälende Nebenwirkungen auf, ist also ein Wirkstoffwechsel eine Option. Insbesondere ob das Medikament nüchtern oder zur Mahlzeit einzunehmen ist, sollte zudem beachtet werden. Bei einigen Tyrosinkinasehemmern kann sich die Exposition etwa durch Nahrungsfette stark steigern, andere verursachen nüchtern eingenommen häufig Übelkeit. Aufzupassen ist auch bei der parallelen Anwendung von Protonenpumpeninhibitoren, die die Exposition beispielsweise bei Dasatinib um 60% reduzieren. Den richtigen Tyrosin­kinasehemmer für den jeweiligen Patienten zu finden, ist „die Kunst, in der wir uns bewegen“ und neben der Erkrankung auch davon abhängig, was für die jeweiligen Patienten wichtig und erträglich ist. |

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