Arzneimittel und Therapie

Psilocybin als „Übergangsarzneimittel“?

Einmalige Gabe sorgt für längerfristigen Effekt

Psychedelika werden gegen verschiedenste Erkrankungen ge­testet. Welches Potenzial steckt in Psilocybin gegen Migräne? Eine erste Studie ermutigt zu weiterer Forschung.

Bei einem Psychedelikum wie Psilocybin sind bei Migräne zwei Wirkungsweisen denkbar: Erstens könnte Psilocybin den Migräne­anfall unterbrechen, denn der Wirkstoff ähnelt als Tryptamin chemisch den Triptanen. Zweitens könnte Psilocybin durch seine dissoziative, sinnes- und wahr­nehmungsverändernde Wirkung die Patienten von ihrem Migräneschmerz ablenken. Jedoch ist es wenig praktikabel für Migräniker mit häufigen Attacken, wären sie dauerhaft wahrnehmungsverändert.

In einer aktuellen Übersichtsarbeit zu psychedelischen Stoffen bei Migräne [1] werden u. a. die Ergebnisse einer Doppelblindstudie berücksichtigt, in der niedrig dosiertes Psilocybin einmalig gegeben wurde [2].

Weniger Migränetage

Migräniker im Alter von 21 bis 65 Jahren mit mindestens zwei Attacken pro Woche hatten in einer ersten Sitzung eine Placebokapsel, zwei Wochen später eine identisch aussehende Kapsel mit Psilocybin (0,143 mg pro kg Körpergewicht) erhalten. Ihre Migräneattacken, Symptome und Erfahrungen hielten sie in einem Kopfschmerztagebuch fest. Das Ergebnis: Die Patienten berichteten nach Einnahme von Psilocybin über signifikant, etwa 50%, weniger Migränetage pro Woche (1,65 Tage weniger, ausgehend von 3,35 Migränetagen pro Woche) als nach der wirkstofffreien Kapsel (0,15 Tage weniger, ausgehend von 3,2 Migränetagen pro Woche). Ausgewertet wurden die Daten von zehn Patienten, fünf litten an episodischer Migräne (weniger als 15 Migränetage pro Monat). Die Zeit bis zur ersten Migräne­attacke nach der Behandlung unterschied sich in beiden Gruppen nicht signifikant, wohl aber die Zeit bis zur zweiten Attacke: Nach der Gabe von Psilocybin trat diese nach 10,3 Tagen auf und in der Placebogruppe bereits nach 5,0 Tagen. Dabei war die Verringerung der Attacken­anzahl unabhängig von akuten psychotropen Effekten von Psilocybin, die Patienten hatten das Psychedelikum gut vertragen. Diese Studie liefert Hinweise, dass bereits die einmalige Verabreichung von Psilocybin anhaltend bei Migränekopfschmerzen wirkt, schrieben die Studienautoren 2021. Auch sei die Erkenntnis wichtig, dass die akute psychotrope Wirkung von der anhaltenden therapeutischen Wirkung getrennt gewesen sei.

Auch in der aktuellen Übersichts­arbeit wird der Nutzen einer Psilocybin-Behandlung weniger in der akuten oder chronischen Therapie gesehen, sondern als „Übergangsbehandlung“ – also einer einmaligen oder kurzen Intervention, die jedoch einen längerfristigen oder dauerhaften therapeutischen Nutzen mit sich bringt. |

Literatur

[1] Schindler EAD. The Potential of Psychedelics for the Treatment of Episodic Migraine. Curr Pain Headache Rep 2023;27(9):489-495, doi: 10.1007/s11916-023-01145-y

[2] Schindler EAD. Exploratory Controlled Study of the Migraine-Suppressing Effects of Psilocybin. Neurotherapeutics 2021;18(1):534-543, doi: 10.1007/s13311-020-00962-y

Apothekerin Celine Bichay

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