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Verkehrte Welt in Österreich
Liberalisierungspläne für Apotheken finden Zustimmung bei der Kammer / Was sind die Gründe?
Der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch erläuterte seine Pläne, die bereits Anfang kommenden Jahres wirksam werden sollen: „Die österreichweit 1400 Apotheken sind für viele Menschen erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen. Mit dem neuen Gesetz können wir die hohe Kompetenz der Mitarbeiter:innen noch besser nützen“.
Neben der Einführung der Gesundheitstests soll die zulässige Gesamtöffnungszeit von 48 auf maximal 72 Stunden pro Woche angehoben werden. Apotheken können werktags zwischen 6 und 21 Uhr und samstags zwischen 6 und 18 Uhr öffnen. Auch sollen Apotheker künftig Abgabestellen mit eingeschränktem Angebot und Öffnungszeiten betreiben können, wenn es in ihrem Versorgungsgebiet Ortschaften ohne eigene Apotheke oder ärztliche Hausapotheke gibt. Die Zahl der Filialapotheken wird zudem von eine auf maximal drei erweitert. So werde die flächendeckende Versorgung auch in ländlichen Gebieten erleichtert, verspricht das Ministerium.
Zum Hintergrund muss man wissen: Das Apothekensystem in Österreich funktioniert anders als in Deutschland: Es gibt keine Niederlassungsfreiheit, sondern eine Bedarfsplanung. Wer eine Apotheke eröffnen will, braucht eine Konzession. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass es mindestens einen Arzt in der Gemeinde gibt, der Mindestabstand zur nächsten Apotheke mindestens 500 Meter beträgt und mindestens 5500 Menschen im Umkreis versorgt werden. Die Apotheke muss zudem nur zu mehr als 50 Prozent in Hand eines Pharmazeuten sein.
Kammer (fast) zufrieden
Und was sagt die Österreichische Apothekerkammer zu diesen Plänen? Die neue Regelung taste die Bedarfsplanung nicht an, stellt die Kammer gegenüber der DAZ klar. „Bestehende Apotheken sind insofern weiterhin ‚geschützt‘, als dass die Zahl der von ihnen jeweils zu versorgenden Personen durch die Errichtung der Filialapotheke nicht auf unter 5500 fallen darf.“ Überhaupt zeigt sich die Kammer zufrieden mit den Plänen. Kein Wunder, sie entsprechen einigen Forderungen, beispielsweise mit Blick auf die Filialgründungen oder die Öffnungszeiten, die die Kammer bereits 2019 aufgestellt hatte. „Vor allem im ländlichen Raum kann diese Neuerung die Versorgung der Bevölkerung verbessern“, so die Kammer gegenüber der DAZ. Einziger Kritikpunkt: Im Gegensatz zu anderen Ländern dürfen Österreichs Apotheker immer noch nicht impfen – und daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern.
ÖÄK: Pharmazeut ist kein Arzt
Die Ärzteschaft hingegen schäumt. „Anstatt die wohnortnahe, ärztliche Versorgung tatsächlich zu stärken, soll also nun vieles an die Apotheken ausgelagert werden“, kritisierte Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) in einer Pressemitteilung. „Das ist aber der falsche Weg, ein Pharmazeut ist kein Arzt, der seine Patienten nun einmal am besten kennt und daher bestens versorgen kann“, betonte der ÖÄK-Präsident. Der Ärzteschaft missfällt auch, dass sie nicht in die Reformüberlegungen mit einbezogen wurde.
Mit der geplanten Reform geht auch der Streit um ärztliche „Hausapotheken“ in die nächste Runde. In Österreich haben Ärzte unter bestimmten Bedingungen ein Dispensierrecht, etwa wenn der Weg zur nächsten Apotheke zu weit ist. Die geplanten „Abgabestellen“ werten sie als weiteren Angriff darauf.
Der Entwurf wird nun von Ministerien und Verbänden begutachtet. Das Gesetz soll Anfang 2024 in Kraft treten. |
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