DAZ aktuell

Nicht mehr direkt vom Arzt zur Apotheke

In der Heimversorgung droht mit dem E-Rezept die Rolle rückwärts

jb | In der Heimversorgung landen Rezepte im Regelfall direkt von der ausstellenden Arztpraxis in der versorgenden Apotheke. Dieser Spezialfall stellt eine Ausnahme vom Zuweisungsverbot dar. Mit Einführung des E-Rezepts könnte dies allerdings vorbei sein. Denn zu­mindest nach aktuellem Stand muss eine elektronische Verordnung immer erst vom Arzt ans Heim geschickt werden – und von dort aus in die Apotheke.

Die direkte Zuweisung von Rezepten von Arztpraxen an eine Apotheke ist bekanntermaßen im Regelfall nicht zulässig – dies gilt sowohl für herkömmliche als auch für elektronische Verordnungen. Eine Ausnahme gibt es in der Heimversorgung. Hier hatte sich der Bundesverband der Versorgungsapotheken seinerzeit dafür eingesetzt, dass auch im Gesetz klargestellt wird, was im Versorgungsalltag längst an der Tagesordnung war. Nämlich dass Arztpraxen Rezepte direkt an die heimversorgende Apotheke geben, ohne einen Umweg über das Heim zu gehen. Mit dem Patienten­datenschutzgesetz wurde dieser langgehegte Wunsch dann umgesetzt und die Ausnahme festgezurrt. Ergänzend zu § 11 Abs. 1 ApoG wurde klargestellt, dass das Verbot nicht für gesetzlich vorgesehene Rechts­geschäfte und Absprachen gilt. Dazu gehören laut Begründung auch Heimversorgungsverträge.

Vertrag ist Voraussetzung

Wichtig ist dabei, dass sowohl die Pflegeeinrichtung als auch die Arztpraxis das Rezept für einen Bewohner oder eine Bewohnerin der Pflegeeinrichtung aufgrund dieser Ausnahmeregelung nur dann an eine Apotheke weiterleiten dürfen, wenn mit dieser ein Heimversorgungsvertrag nach § 12a Apothekengesetz abgeschlossen wurde. Zudem muss sich der betreffende Patient beziehungsweise die Patientin für die Teilnahme an der zentralen Versorgung entschieden haben.

Wenn im kommenden Jahr E-Rezepte für Arzneimittelverordnungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen und somit auch in der Heimversorgung wirklich Pflicht werden, droht aber möglicherweise die Rolle rückwärts. Die Gematik schreibt dazu in ihrem Feature „KIM-Nachrichten für das E-Rezept“ zu dem Thema „Rezeptanforderung durch eine Pflegeeinrichtung oder heimversorgende Apotheke“ nämlich Folgendes: „Die Apotheke sendet die Rezeptanforderung mit allen relevanten Informationen an die Pflegeeinrichtung. Die Pflegeeinrichtung leitet die Rezeptanforderung an den Verordnenden weiter. Das Weiterleiten kann automatisiert erfolgen. Der Verordnende erstellt ein E-Rezept und sendet die Informationen zum Rezept zurück an die Pflegeeinrichtung. Diese leitet die Informationen zum E-Rezept an die Apotheke weiter. Das Weiterleiten kann automatisch erfolgen.“ Und auch wenn die Pflegeeinrichtung das Rezept selbst beim Arzt anfordert, soll der Arzt die Verordnung zunächst ans Heim weiterleiten, was diese dann wiederum an die heimversorgende Apotheke schickt. All dies soll also über die TI-Anwendung „Kommunikation im Medizin­wesen“ (KIM) geschehen.

Gematik: Der Umweg übers Heim muss sein

Das heißt: Aus Sicht der Gematik muss ein Rezept immer erst an die Pflegeeinrichtung gehen, die es dann an die Apotheke weitergeben kann. Sie verweist allerdings bezüglich konkreter Rechtsauslegungen an das Bundes­gesundheitsministerium (BMG).

Die DAZ hat daher beim BMG nach­gefragt. Ein Ministeriumssprecher erklärte daraufhin, dass das Vertragsverhältnis für die Heimversorgung nur zwischen dem Heim und der Apotheke bestehe. Arztpraxen seien in diese Verträge nicht einbeziehbar. Auf das Zuweisungs- oder Abspracheverbot zwischen Arzt und Apotheke haben diese Verträge somit keine Auswirkung; eine direkte Zuweisung von Rezepten vom Arzt an eine Apotheke sei ausgeschlossen.

Unklar wann alle Heime KIM-Zugänge haben

Der Umweg der Rezepte übers Heim soll über KIM laufen. Wann der Dienst in Heimen flächendeckend verfügbar ist, ist fraglich. Hat allerdings ein Heim kein KIM, könnten weiter Papierrezepte ausgestellt werden. Denn bei technischen Schwierigkeiten soll die E-Rezept-Pflicht ausgesetzt werden. Oder die Praxen schicken einfach das Rezept direkt per KIM an die Apotheke, ohne es an die große Glocke zu hängen, denn Arztpraxen müssen KIM bereits eingerichtet haben, bei den Apotheken ist das im kommenden Jahr der Fall. Dann sollten heimversorgende Apotheken aber auf eine erneute Klarstellung hinwirken. Denn der Umweg der Rezepte erschwert, sofern es keine automatisierte Weiterleitung gibt, die Heimversorgung immens.

Weitere ungelöste Probleme in der Heimversorgung

Und die Weiterleitung der E-Rezepte ist nicht das einzige ungelöste Problem in der Heimversorgung. Auch noch völlig unklar ist, wie Apotheken, die patientenindividuell verblistern, der Pflicht, bei E-Rezepten die Charge zu übermitteln, nachkommen können. |

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