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Medizin

Wenn Hormone den Blutzucker hochtreiben

Unterschiedliche Formen des Typ-3-Diabetes im Fokus

Beim Stichwort Diabetes geht die erste Assoziation meist in Richtung der Diabetes-mellitus-Typen 1 oder 2. Auch der Schwangerschaftsdiabetes ist eine allgemein bekannte Form der Stoffwechselerkrankung. Daneben gibt es jedoch noch weitere Diabetes-Typen. So können verschiedene Hormonstörungen den Zuckerstoffwechsel beeinflussen und dadurch einen Diabetes auslösen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick darüber, welche Hormonerkrankungen dies genau sind und was bei der Diagnose und Therapie zu beachten ist. | Von Stefan Oetzel

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch einen chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel (Hyperglyk­ämie) gekennzeichnet ist [1]. Dadurch steigt das Risiko der Betroffenen für verschiedene Begleit- bzw. Folgeerkrankungen deutlich an [1]. In Deutschland sind etwa 8,7 Millionen Menschen an einem Diabetes mellitus erkrankt (Stand: November 2022) – Tendenz steigend [2]. Zusätzlich geht man von einer Dunkelziffer von mindestens zwei Millionen Menschen aus [2]. Etwa 95% aller Diabetes-Patientinnen und -Patienten haben einen Typ-2-Diabetes, der sich als Folge von verminderter Insulin-Wirkung (Insulin-Resistenz) und gestörter Insulin-Sekretion entwickelt [2]. Etwa 341.000 Erwachsene und 32.000 Kinder bzw. Jugendliche sind an einem Typ-1-Diabetes erkrankt, bei dem die insulinbildenden B-Zellen des Pankreas durch Autoimmunreaktionen zerstört werden [2]. Neben diesen beiden häufigsten Diabetes-Typen und dem auch als Typ-4-Diabetes bezeichneten Schwangerschaftsdiabetes gibt es weitere Formen der Erkrankung, die unter der Bezeichnung Diabetes mellitus Typ 3 subsumiert werden. Hierzu gehört auch die insgesamt selten vorkommende Untergruppe D des Typ-3-Diabetes, bei der sich der erhöhte Blutzuckerspiegel infolge von hormonellen Erkrankungen (Endokrinopathien) entwickelt. Die ätiologische Klassifikation des Diabetes mellitus nach den Kriterien der American Diabetes Association (ADA) ist in vereinfachter Form im Kasten „Ätio­logische Klassifikati­on“ dargestellt [3, 4].

Ätio­logische Klassifikati­on

Nach den von der Ameri­can Diabetes Asso­cia­ti­on (ADA) revi­dier­ten Kriteri­en werden erhöhte Blutzuckerspiegel infolge von hormonellen Erkrankungen (Endokrino­pathien) in die Untergruppe D des Typ-3-Diabetes eingeordnet:

  • 1. Diabetes mel­li­tus Typ 1 (zerstörte B-Zellen)im­muno­logisch, idio­pa­thisch
  • 2. Diabetes mel­li­tus Typ 2 (In­sulin­-Resistenz und/oder In­sulin­-Mangel)
  • 3. an­de­re spezifische Diabetes-Ty­pen (Typ-3-Diabetes)
    A: genetische De­fekte der B-Zell­funkti­on
    B: genetische De­fekte der In­sulin­wirkung
    C: Erkrankungen des exo­krinen Pankreas (z. B. Pankreati­tis, Trauma, Pankrea­tektomie, Neo­plasma, zystische Fibrose)
    D: En­dokrino­pathi­en (z. B. Akro­megalie, Cus­hing-Syn­drom, Gluca­gonom, Phäo­chromo­zytom, Hyperthyreose, Somatostatinom, Aldostero­nom)
  • 4. Ge­stati­ons­diabetes (Typ-4-Diabetes)

(nach [3, 4])

Welche Endokrinopathien können zu Diabetes führen?

Geht eine Erkrankung des Hormonsystems mit einem Überschuss an solchen Hormonen einher, die über verschiedene Mechanismen als Gegenspieler des blutzuckersenkenden Insulins wirken, können diese einen Anstieg des Blutzuckerspiegels bis hin zum Diabetes mellitus verursachen (Tab. 1) [5  – 7].

Tab. 1: Endokrinopathien, die zu einer Hyperglykämie bzw. einem Diabetes mellitus führen können (nach [5 – 7, 15]).
Endokrinopathie
überproduziertes Hormon
Auswirkungen auf den Zucker­stoffwechsel
Cushing-Syndrom
Cortisol
  • Insulin-Resistenz↑
  • Glukoneogenese↑
  • Lipolyse↑
Akro­megalie
Somatotropin
  • Insulin-Resistenz↑
  • Glukoneogenese↑
  • Lipolyse↑
Hyper­thyreose
Trijodthyronin (T3), Thyroxin (T4) bzw. freies T3 (fT3) und T4 (fT4)
  • Insulin-Resistenz↑
  • Insulin-Ausschüttung↓
  • enterale Glucoseaufnahme↑
  • Glukagon-Sekretion↑
  • Glykogenolyse↑
  • Glukoneogenese↑
Phäochromozytom
Adrenalin, Noradrenalin (Katecholamine)
  • Insulin-Resistenz↑
  • Insulin-Ausschüttung↓
  • Glukagon-Sekretion↑
  • Glykogenolyse↑
  • Glukoneogenese↑
Conn-Syndrom
Aldosteron
  • Insulin-Resistenz↑
  • Insulinausschüttung↓
Glukagonom
Glukagon
  • Glykogenolyse↑
  • Glukoneogenese↑
Somato­statinom
Somatostatin
  • Insulin-Ausschüttung↓

Cushing-Syndrom
Das Cushing-Syndrom ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch erhöhte Blutcortisol-Spiegel gekennzeichnet ist [8]. Hierfür gibt es verschiedene mögliche Ursachen. So kann ein gut- oder bösartiger Tumor in der Nebennierenrinde für die übermäßige Cortisol-Produktion direkt verantwortlich sein. Es ist auch möglich, dass ein Tumor der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) oder ein sogenannter neuroendokriner, also hormonproduzierender, Tumor dazu führt, dass zu viel Adrenocorticotropin gebildet wird. Dies veranlasst wiederum die Nebenniere, vermehrt Cortisol auszuschütten. Neben diesen endogenen Formen können auch als Medikamente verabreichte Glucocorticoide zu einem exogenen Cushing-Syndrom führen. Das Stresshormon Cortisol verstärkt die Insulin-Resistenz der Zellen in Leber und Muskeln, so dass diese weniger Glucose aufnehmen [9]. Gleichzeitig stimuliert es die Produktion von Glucose in der Leber (Glukoneogenese). Dadurch erhöht Cortisol über zwei unterschiedliche Mechanismen den Blutzuckerspiegel, was bei Patientinnen und Patienten mit Cushing-Syndrom letztlich zu einem Diabetes mellitus führen kann. Neben der diabetischen Stoffwechsellage sind unter anderem Vollmondgesicht, Stammfettsucht, Stiernacken sowie Muskelschwäche und -atrophie charakteristische Symptome eines Cushing-Syndroms [8].

Akromegalie
Patientinnen und Patienten, die an einer Akromegalie erkrankt sind, schütten zu viel vom Wachstumshormon Somatotropin aus. Ursache hierfür ist in 99% der Fälle ein meist gutartiger Tumor der Hypophyse [5]. Somatotropin stimuliert zunächst die Insulin-Ausschüttung, wirkt in einer zweiten Phase dann aber als Gegenspieler des Insulins, indem es die Insulin-Empfindlichkeit der Zellen vermindert und so die Glucose-Aufnahme hemmt [10]. Die Insulin-Resistenz wird also gesteigert, wobei vor allem eine durch das Wachstumshormon getriggerte Fettfreisetzung (Lipolyse) hier eine wichtige Rolle spielt. Außerdem fördert Somatotropin die Glukoneogenese in der Leber [9]. Bei Akromegalie-Patientinnen und -Patienten muss die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin bereitstellen, um den Transport des Zuckers in die Zellen zu gewährleisten. Kann das Pankreas dies nicht mehr leisten, kommt es zu erhöhten Blutzuckerspiegeln und es entwickelt sich als Folgeerkrankung ein Diabetes mellitus. Weitere Symptome der Akromegalie sind unter anderem Riesenwachstum (vor Abschluss des Längenwachstums) bzw. eine Vergrößerung der äußeren Enden des Körpers (Akren) wie Nase, Finger, Zehen, Kinn und Jochbogen (nach Abschluss des Längenwachstums) [11]. Daneben treten z. B. Zungenvergrößerung (Makroglossie), Bluthochdruck, übermäßiges Schwitzen, vermehrte Körperbehaarung und Organvergrößerungen auf.

Hyperthyreose
Auch bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) kann sich infolge der Erkrankung ein Diabetes entwickeln. So wird bei bis zu 57% der unbehandelten Patientinnen und Patienten eine gestörte Glucose-Toleranz nachgewiesen und bei 2 bis 3% ein manifester Diabetes [12]. Menschen, die an einer Hyperthyreose leiden, schütten zu viele Schilddrüsenhormone aus. Hierzu gehören Trijodthyronin (T3) und dessen Prohormon Thyroxin (T4) sowie die freien, nicht an Proteine gebundenen Formen fT3 und fT4. Für eine Hyperthyreose gibt es verschiedene mögliche Ursachen, zu denen die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow ebenso zählt wie Entzündungen der Schilddrüse, Schilddrüsentumore, übermäßige Jodzufuhr, Tumore der Hypophyse sowie die sogenannte Schilddrüsenautonomie, bei der sich das Schilddrüsengewebe der Regulierung durch Hypothalamus bzw. Hypophyse entzieht [13]. Eine Hyperthyreose kann zur verstärkten Insulin-Resistenz, zur Hemmung der Insulin-Ausschüttung, zur vermehrten Glucose-Aufnahme aus dem Darm sowie zu einer pathologischen Sekretion von Glukagon führen, was die Zuckerfreisetzung aus der Leber (Glykogenolyse) und die Glukoneogenese fördert [12]. Diese Vorgänge bewirken letztlich, dass der Blutzuckerspiegel ansteigt und ein Diabetes mellitus entstehen kann. Klinische Anzeichen einer Hyperthyreose sind unter anderem Unruhe, Nervosität, Erregung und Hyperaktivität sowie Schlafstörungen, erhöhte Schweißneigung, Arrhythmien, Bluthochdruck, Muskelschwäche, Haarausfall, Menstruationsstörungen, Gewichtsverlust und Durchfall [14].

Phäochromozytom
Hierbei handelt es sich um einen gutartigen (85 bis 90%) oder bösartigen (10 bis 15%), hormonell aktiven Tumor, der meist im Nebennierenmark lokalisiert ist. Die Bezeichnung „Phäochromozytom“ entstand durch die Braunfärbung der Tumorzellen bei Kontakt mit Chromsalzen. Bei den Patientinnen und Patienten sind vermehrt die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin im Blut nachweisbar. Diese hemmen die Insulin-Ausschüttung, sodass der Blutzuckerspiegel ansteigt. Darüber hinaus sorgt Adrenalin dafür, dass die Sekretion von Glukagon aus der Bauchspeicheldrüse erhöht wird, sodass mehr Glucose gebildet (Glukoneogenese) und Zucker aus den Glykogenspeichern der Leber ins Blut freigesetzt wird (Glykogenolyse), was einen zusätzlichen Anstieg des Blutzuckerspiegels zur Folge hat [15]. Zudem können Katecholamine auch die Insulin-Resistenz erhöhen. Patientinnen und Patienten mit einem Phäochromozytom haben somit ebenfalls ein erhöhtes Diabetes-Risiko. Weitere typische Symptome eines Phäochromozytoms sind z. B. Bluthochdruck sowie erhöhte Herzfrequenz und Herzrhythmusstörungen [16].

Conn-Syndrom
Die auch als primärer Hyperaldosteronismus (PHA) bezeichnete Erkrankung ist durch eine übermäßige Produktion des Hormons Aldosteron in der Nebennierenrinde gekennzeichnet [17]. In etwa 30% der Fälle ist ein Adenom, das heißt ein gutartiger Tumor aus Schleimhaut- oder Drüsengewebe, die Ursache. Rund 70% der Fälle werden durch eine meist zweiseitige Vergrößerung der Nebennierenrinde verursacht. Aldosteron dient der Aufrechterhaltung des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Gleichgewichts im Körper und reguliert den Blutdruck. [5]. In hohen Mengen kann das Hormon direkt oder indirekt (als Folge einer Hypokaliämie) dazu führen, dass das Pankreas nicht genügend Insulin produziert. Außerdem sorgt Aldosteron für eine gesteigerte Insulin-Resistenz, sodass ein Diabetes mellitus die Folge sein kann. Die klassischen drei Sym­ptome eines Conn-Syndroms sind ein therapierefraktärer Bluthochdruck, ein Serum­kaliumspiegel unter 3,6 mmol/l (Hypokaliämie) bei gleichzeitig erniedrigtem Chlorid-Spiegel sowie eine metabolische Alkalose, das heißt ein Anstieg des Blut-pH-Werts auf über 7,45 [17].

Glukagonom
Hierbei handelt es sich um einen sehr seltenen, meist malignen neuroendokrinen Tumor, der von den A-Zellen der Bauchspeicheldrüse ausgeht [18]. Er stellt große Mengen des Hormons Glukagon her. Dieses Hormon fördert den Abbau von Glykogen in der Leber (Glykogenolyse) und die Neusynthese von Glucose (Glukoneogenese) [19]. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel an und es kann sich ein Dia­betes mellitus entwickeln. Darüber hinaus können funk­tionell aktive Glukagonome Ekzeme im Gesicht und an den Akren sowie Anämie und Gewichtsverlust verursachen [18].

Somatostatinom
Auch das Somatostatinom ist ein sehr seltener, maligner neuroendokriner Tumor, der sowohl im Bereich des Pankreas als auch im Zwölffingerdarm (Duodenum) auftreten kann. Er produziert unkontrolliert das Peptidhormon Somatostatin [20]. Dieses hemmt unter anderem die Produktion und Ausschüttung von Insulin [5]. Dadurch kann der Zucker aus dem Blut nicht ausreichend in die Körperzellen aufgenommen werden − der Blutzucker steigt und es kann sich ein Typ-3D-Diabetes entwickeln.

Folgen eines Typ-3D-Diabetes

Wie jede Form des Diabetes mellitus kann auch ein Diabetes, der sich infolge einer Hormonstörung entwickelt, zu akuten und chronischen Komplikationen führen [21]. So kann es kurzfristig zu schweren Hyperglykämien oder – insbesondere bei einer Überdosierung von Insulin – zu Hypoglyk­ämien kommen, die ein lebensbedrohliches Koma verursachen können und eine intensivmedizinische Behandlung erfordern. Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte haben besonders häufig Veränderungen der großen und kleinen Blutgefäße (Makroangiopathien bzw. Mikroangiopathien) zur Folge. Bei Makroangiopathien ist vor allem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Angina pectoris oder Durchblutungsstörungen der Beine erhöht. Die diabetische Mikroangiopathie betrifft vor allem die Nieren (diabetische Nephropathie), die Augen (diabetische Retinopathie) und die Nerven (diabetische Neuropathie). Im Verlauf der Erkrankung kann sich bei Typ-3D-Diabetikern auch ein diabetisches Fußsyndrom entwickeln, das durch eine reduzierte Sensibilität der Füße gekennzeichnet ist und zu Fehlstellungen und chronischen Wunden führen kann (Abb. 1).

Abb. 1 Häufige Folgeerkrankungen eines Diabetes mellitus (nach [26]).

Besonderheiten der Diagnose

Die diagnostischen Kriterien für das Vorliegen eines Diabetes mellitus unterscheiden sich beim Typ 3D prinzipiell nicht von denen anderer Diabetes-Typen. Demnach liegt ein Diabetes dann vor, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist [22]:

  • Nüchtern-Blutzuckerspiegel: ≥ 7 mmol/l (≥ 126 mg/dl)
  • Blutzuckerspiegel: ≥ 11,1 mmol/l (≥ 2 00 mg/dl) zwei Stunden nach Einnahme von 75 g Glucose in einem oralen Glucose-Toleranztest
  • HbA1c-Wert: ≥ 6,5% (≥ 48 mmol/mol)
  • Gelegenheits-Blutzuckerspiegel: ≥ 11,1 mmol/l (≥ 200 mg/dl) bei Patienten mit klassischen Symptomen einer Hyperglykämie oder einer hyperglykämischen Krise

Durch weitere Laboruntersuchungen, in denen die Spiegel verschiedener Hormone im Blut getestet werden, lässt sich eingrenzen, welche Art von Hormonstörung dem Diabetes gegebenenfalls zugrunde liegt. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die hierzu eingesetzten diagnostischen Testverfahren [6].

Tab. 2: Endokrinologische Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für einen Diabetes und die notwendigen Screening- bzw. Diagnostiktests zur Klassifizierung (nach [6]). fT3: freies Trijodthyronin; fT4: freies Thyroxin; GH Nadir: niedrigster Wert an Wachstumshormon zu einem beliebigen Zeitpunkt vor oder nach der oralen Glucose-Verabreichung; IGF-1: Insulin-like growth factor-1; oGTT: oraler Glucose-Toleranztest; TSH: Thyreotropin
Erkrankung
Screening und Diagnostik
Cushing-Syndrom
24-h-Harn-Cortisol, Serum- oder Speichel-Mitternachtscortisol, 1-mg-Dexamethason-Suppres­sionstest
Akromegalie
Serum-IGF-1, 75 g oGTT, GH Nadir
Hyperthyreose
TSH, fT4, fT3
Phäochromozytom
Serum- oder Harn-Metanephrin/Normetanephrin
primärer Hyperaldosteronismus
Renin/Aldosteron-Ratio
Glukagonom
Plasma-Glukagon
Somatostatinom
Plasma-Somatostatin

Management des Typ-3D-Diabetes

Prinzipiell stehen für die Therapie eines Diabetes mellitus vom Typ 3D dieselben medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungsoptionen zur Verfügung wie beim Typ-1- bzw. Typ-2-Diabetes. Darüber hinaus spielt aber vor allem die Behandlung der jeweils zugrunde liegenden Endokrinopathie eine entscheidende Rolle.

Behandlung der hormonellen Grunderkrankung
Um einen Diabetes, der durch eine gestörte Hormonproduktion verursacht wird, in den Griff zu bekommen, behandeln Ärztinnen und Ärzte – wenn möglich – als erstes die zugrunde liegende Endokrinopathie [5]. So normalisiert sich bei 23 bis 58% der Diabetes-Patientinnen und -Patienten mit Akromegalie der Zuckerstoffwechsel wieder, nachdem das zugrunde liegende Hypophysenadenom chirurgisch entfernt wurde [9]. Auch beim endogenen Cushing-Syndrom führt eine Operation des Hypophysentumors oder an der Nebenniere oft zu einer deutlichen Verbesserung des Glucose-Metabolismus oder zur Remission des Diabetes [9]. Beim Phäochromozytom kann durch eine Resektion des Tumors bei über 90% der Betroffenen eine deutliche Besserung oder vollständige Remission des Diabetes erreicht werden [9]. Bei Patientinnen und Patienten mit einem Glukagonom oder einem Somatostatinom hat die Entfernung des Tumors ebenfalls eine Remission des Diabetes zur Folge [9]. Neben der Resektion können Bestrahlung (Akromegalie, Cushing-Syndrom), Chemotherapie (Glukagonom, Somatostatinom) oder Radiojodtherapie (Hyperthyreose) eingesetzt werden, um das hormonproduzierende Gewebe zu reduzieren bzw. zu entfernen.

Eine weitere Möglichkeit, die jeweilige Hormonstörung und damit auch den Diabetes zu behandeln, besteht darin, die Hormonproduktion medikamentös zu reduzieren oder die Wirkung des übermäßig produzierten Hormons zu hemmen. So können beim Cushing-Syndrom Therapien mit den Cortisol-senkenden Wirkstoffen Ketoconazol, Metyrapon oder Cabergolin bzw. dem Glucocorticoid-Rezeptorantagonisten Mifepriston den Glucosestoffwechsel der Betroffenen verbessern [9]. Auch die Behandlung von Akromegalie-Patientinnen und -Patienten mit dem Wachstumshormonrezeptor-Antagonisten Pegvisomant wirkt sich positiv auf die Glucosehomöostase aus [9]. Pasireotid, ein Somatostatin-Analogon der zweiten Generation, das zur Behandlung von Akromegalie und Morbus Cushing eingesetzt wird, wirkt sich hingegen ungünstig auf den Glucose-Stoffwechsel aus, da es unter anderem die Insulin-Sekretion hemmt [9].

Nichtmedikamentöse Maßnahmen
Wie beim Diabetes mellitus vom Typ 1 oder 2 können auch bei der Hyperglykämie infolge einer Hormonstörung durch entsprechende Ernährung (Einschränkung vor allem von verarbeiteten Kohlenhydraten, Vermeidung von zu häufigen Zwischenmahlzeiten, erhöhter Ballaststoffanteil), durch vermehrte körperliche Aktivität und gegebenenfalls durch Gewichtsabnahme die Blutzuckerwerte wirksam verbessert werden. Allerdings müssen die Maßnahmen den jeweiligen Bedürfnissen der Betroffenen bzw. der Grunderkrankung angepasst werden. So haben Patientinnen und Patienten mit Akromegalie oft ein geringes Körpergewicht und einen geringen Körperfettanteil, weshalb die Ernährungsempfehlungen dementsprechend verändert werden müssen [9].

Medikamentöse Therapie
Bei Hormonstörungen wie der Akromegalie, bei denen die Insulin-Resistenz im Vordergrund steht, kann der Einsatz von Insulin-Sensitizern besonders wirksam sein [9]. In der Regel wird Metformin zur Erstlinien-Therapie empfohlen, wenn eine antidiabetische Behandlung notwendig ist [23]. GLP1-Rezeptor-Agonisten (Glucagon-like Peptide-1, Glutide) und DPP4-Inhibitoren (Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren, Gliptine) sind bei der Therapie des Typ-3D-Diabetes weitgehend unerprobt, können aber auf individueller Basis als Zweitlinienbehandlung in Betracht gezogen werden [23]. Beim Cushing-Syndrom kann Metformin in Kombination mit Cortisol-Senkern bei anhaltender Hypercortisolämie und Hyperglykämie als Erstlinien-Therapie gegeben werden [24]. Glutide und Gliptine kommen hier ebenfalls als Zweitlinien-Therapie infrage [24]. Die Gabe von Glitazonen wie Pioglitazon und Rosiglitazon ist hingegen beim Cushing-Syndrom kritisch zu bewerten, da sie das Osteoporoserisiko der Patientinnen und Patienten, die ohnehin schon vermehrt unter Osteoporose leiden, zusätzlich erhöhen würden [9].

Lässt sich durch die Behandlung der zugrunde liegenden Endokrinopathie sowie durch entsprechende Ernährung und gegebenenfalls die Therapie mit anderen Antidiabetika der Diabetes nicht kontrollieren, dann ist die Gabe von Insulin indiziert. Dabei ist zu beachten, dass die Insulin-Therapie jeweils individuell und der Hormonstörung entsprechend angepasst werden muss [27] (Abb. 2). So sind z. B. beim Cushing-Syndrom aufgrund der Insulin-Resistenz oft höhere Insulin-Dosierungen erforderlich, um eine glykämische Kontrolle zu erreichen [9].

Abb. 2: Einteilung der therapeutischen Insulin-Präparate nach Wirkeintritt, Wirkdauer und Wirkprofil (nach [27]).

Fazit

Ein Diabetes mellitus infolge von hormonellen Grund­erkrankungen ist zwar selten, aber die Auswirkungen können gravierend sein, wenn er nicht rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt wird. Daher sollten Endokrinopathien als mögliche Ursache einer Zuckererkrankung immer dann in Betracht gezogen und diagnostisch abgeklärt werden, wenn die Charakteristika der Patientin bzw. des Patienten von dem typischen Bild eines Typ-1- oder Typ-2-Diabetes abweichen. |

Auf einen Blick

  • Diabetes mellitus kann auch infolge einer hormonellen Erkrankung entstehen. Man spricht dann von einem Typ-3D-Diabetes.
  • Zu den Endokrinopathien, die einen Diabetes verursachen können, gehören Cushing-Syndrom, Akro­megalie, Hyperthyreose, Phäochromozytom, Conn-Syndrom, Glukagonom und Somatostatinom.
  • Ein Typ-3D-Diabetes kann, ebenso wie andere Diabetestypen auch, langfristig zu mikro- und makrovaskulären Schäden führen, die wiederum vielfältige Organschäden zur Folge haben können.
  • Die diagnostischen Kriterien für das Vorliegen eines Diabetes mellitus vom Typ 3D entsprechen prinzipiell denen von anderen Diabetestypen. Darüber hinaus können verschiedene Labortests die zugrunde liegende Hormonstörung klassifizieren.
  • Bei der Therapie des Typ-3D-Diabetes wird zunächst die hormonelle Grunderkrankung behandelt. Hierzu kann z. B. ein hormonproduzierender Tumor chirurgisch entfernt werden. Auch die Gabe von Medikamenten, welche die übermäßige Hormonproduktion reduzieren oder deren Wirkung hemmen, ist eine mögliche Therapieoption.
  • Eine individuell angepasste, gesunde Ernährung, die auf die Bedürfnisse der jeweiligen Patientinnen und Patienten abgestimmt ist, und ausreichend körperliche Aktivität können zu einer Besserung des Diabetes beitragen.
  • Die Gabe von Antidiabetika wie Metformin oder Glutiden bzw. Gliptinen kann ebenfalls eine Therapieoption sein.
  • Führen die oben genannten Strategien nicht zum Erfolg, ist eine jeweils individuell angepasste Insulin-Therapie indiziert.

Literatur

[1] Diabetes mellitus. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Diabetes_mellitus

[2] Fakten zu Diabetes. Informationen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), www.diabetesde.org/system/files/documents/ddg_factsheet_stand_november_2022_f.pdf

[3] Diabetes mellitus (DM). Pschyrembel online, www.pschyrembel.de/Diabetes%20mellitus/K05U4

[4] Association AD. Diagnosis and Classification of Diabetes Mellitus. Diabetes Care 2014;37:81–90

[5] Diabetes durch andere Hormon-Erkrankungen. Diabinfo. www.diabinfo.de/leben/andere-diabetesformen/erkrankungen-des-hormonsystems.html

[6] Diabetes mellitus -Leitlinien für die Praxis 2019. Informationen der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), www.oedg.at/pdf/OEDG_Pocket_Guide_2019-07.pdf

[7] Hinghofer-Szalkay H. Eine Reise durch die Physiologie: kontrainsulinäre Hormonsysteme. http://physiologie.cc/V.3.htm

[8] Cushing-Syndrom. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Cushing-Syndrom

[9] Feingold KR. Atypical Forms of Diabetes. www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK279128/, in: Feingold KR, Anawalt B, Blackman MR, Boyce A, Chrousos G, Corpas E, de Herder WW, Dhatariya K, Dungan K, Hofland J, Kalra S, Kaltsas G, u. a. (Hrsg.), Endotext. South Dartmouth (MA): MDText.com, Inc.; 2022

[10] Somatotropin. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Somatotropin

[11] Akromegalie. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Akromegalie

[12] Schumm-Dräger P. Schilddrüse und Diabetes: Interaktion wird unterschätzt. Dtsch Arztebl 2016;113:4–8, www.aerzteblatt.de/archiv/183181/Schilddruese-und-Diabetes-Interaktion-wird-unterschaetzt

[13] Schilddrüsenüberfunktion. Universitätsspital Zürich, www.usz.ch/krankheit/schilddruesenueberfunktion

[14] DocCheck Flexikon. Hyperthyreose. Abrufbar unter: https://flexikon.doccheck.com/de/Hyperthyreose (letzter Zugriff am 23.08.2023).

[15] Rogowicz-Frontczak A, Majchrzak A, Zozulińska-Ziółkiewicz D. Insulin resistance in endocrine disorders – treatment options. Endokrynol Pol 2017;68:334–351

[16] DocCheck Flexikon. Phäochromozytom. https://flexikon.doccheck.com/de/Phäochromozytom

[17] Primärer Hyperaldosteronismus. DocCheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/Primärer Hyperaldosteronismus

[18] Glukagonom. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Glukagonom

[19] Glucagon. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Glucagon (letzter Zugriff am 16.08.2023)

[20] Somatostatinom. DocCheck Flexikon, https://flexikon.doccheck.com/de/Somatostatinom

[21] Berresheim F. Diabetes Typ 3 – Ursachen,´Symptome und Behandlung. https://pflegebox.de/ratgeber/krankheiten/diabetes/diabetes-typ-3/

[22] American Diabetes Association Professional Practice Committee. 2. Classification and Diagnosis of Diabetes: Standards of Medical Care in Diabetes - 2022. Diabetes Care 2021;45:17–38

[23] Giustina A, Barkan A, Beckers A, Biermasz N, Biller BMK, Boguszewski C, Bolanowski M, Bonert V, Bronstein MD, Casanueva FF, Clemmons D, Colao A, u. a. A Consensus on the Diagnosis and Treatment of Acromegaly Comorbidities: An Update. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2020;105:e937–e946

[24] Mehlich A, Bolanowski M, Mehlich D, Witek P. Medical treatment of Cushing’s disease with concurrent diabetes mellitus. Frontiers in Endocrinology 2023;14

[25] Haller N. Diabetes mellitus – Typ 3. http://patienten-bibliothek.org/diabetes-mellitus-typ-3/

[26] Folgeerkrankungen vorbeugen. Diabetiker Baden-Württemberg e.V., ww.diabetiker-bw.de/diabetes-alltag/folgeerkrankungen-vorbeugen/

[27] Überblick: Insuline und ihre Wirkungen. MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH, www.medmedia.at/univ-innere-medizin/insuline-und-ihre-wirkungen

Autor

Stefan Oetzel hat Biologie (Diplom) an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken sowie an der Eberhard Karls Universität in Tübingen studiert. Im Anschluss absolvierte er eine Weiterbildung zum Fachzeitschriftenredakteur beim Ernst Klett Verlag in Stuttgart. Seit 1998 arbeitet er als freiberuflicher Medizinjournalist.

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