- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 46/2023
- Amitriptylin als Option ...
Arzneimittel und Therapie
Amitriptylin als Option gegen Reizdarm
In niedriger Dosierung sicher und verträglich
Neben pflanzlichen Arzneimitteln und krampflösenden Wirkstoffen empfehlen die aktuellen Leitlinien bei Reizdarmsyndrom unter anderem Antidepressiva als Schmerzmodulatoren. Sie beeinflussen nicht nur die gastrointestinale Motilität, sondern wirken sich auch positiv auf komorbide psychische Störungen aus. Trotz guter Evidenz werden trizyklische Antidepressiva in der hausärztlichen Praxis immer noch verhalten eingesetzt. So gaben in einer Umfrage lediglich 10% der Hausärzte in Großbritannien an, dass sie solche Therapeutika zur Behandlung des Reizdarmsyndroms verordnen, und nur etwa die Hälfte der befragten Hausärzte glaubte, dass sie in dieser Indikation wirksam sind.
In einer aktuellen Phase-III-Doppelblindstudie wurde niedrig dosiertes Amitriptylin als Therapieoption gegen Placebo über sechs Monate untersucht. Alle 463 Teilnehmer aus Großbritannien waren über 18 Jahre alt (mittleres Alter: 48,5 Jahre), wiesen verschiedene Formen des Reizdarmsyndroms auf und litten trotz Ernährungsumstellung und Lebensstilberatung sowie der Gabe von löslichen Ballaststoffen, Laxanzien und krampflösenden oder durchfallhemmenden Arzneimitteln weiterhin an Symptomen (Irritable Bowel Syndrome Severity Scoring System[IBS-SSS]-Score ≥ 75 Punkte; Skala umfasst 0 bis 500 Punkte). 1 : 1 randomisiert erhielten die Probanden über sechs Monate entweder einmal täglich 10 mg des tricyclischen Antidepressivums oder Placebo. Alle Teilnehmer konnten in Eigenregie unter telefonischer Beratung die Dosierung innerhalb der ersten drei Wochen auf maximal 30 mg Amitriptylin bzw. Placebo titrieren. Die Ergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift „The Lancet“ publiziert.
Zum Weiterlesen
Mehr zu den zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen, zur Behandlung sowie der Diagnose des Reizdarmsyndroms lesen Sie im Artikel „Leiden mit vielen Gesichtern“ von Judith Esch in der DAZ 2023, Nr. 45, S. 38.
Signifikante Symptomverbesserung
Es zeigte sich in der Intention-to-Treat-Analyse, dass sich die Symptome nach einem halben Jahr in der Verumgruppe signifikant verbessert hatten im Vergleich zu Placebo (Differenz IBS-SSS-Score = -27,0 Punkte, 95%-Konfidenzintervall = -46,9 bis -7,10 Punkte, p = 0,008). Insgesamt hatten 46 Teilnehmer (20%) in der Amitriptylin-Gruppe und 59 Teilnehmer (26%) in der Placebogruppe die Studie vorzeitig abgebrochen, 30 bzw. 20 Teilnehmer davon wegen unerwünschter Ereignisse. Am häufigsten berichteten die Probanden in der Verumgruppe über anticholinerge Nebenwirkungen einschließlich Schläfrigkeit und Mundtrockenheit. Die Autoren schlussfolgern, dass niedrig dosiertes Amitriptylin bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms sicher und verträglich und Placebo überlegen ist. Sie empfehlen deshalb, das Antidepressivum häufiger bei Reizdarmsyndrom in der hausärztlichen Praxis einzusetzen, als das bisher der Fall ist. |
Literatur
Ford AC et al. Amitriptyline at Low-Dose and Titrated for Irritable Bowel Syndrome as Second-Line Treatment in primary care (ATLANTIS): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. The Lancet 2023, doi: 10.1016/S0140-6736(23)01523-4
Update Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM), AWMF-Registriernummer: 021/016, Stand: Juni 2021
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.