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- DAZ 47/2023
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Aus den Ländern
Ein „breites klinisch-pharmazeutisches Kreuz“ zeigen
Bericht von der „1. Gemeinsamen Doktorandentagung Klinische Pharmazie“
Das „Gemeinsam“ im Tagungstitel rührt von den gleich fünf Organisationen her, die diese Veranstaltung in Kooperation durchgeführt haben:
- der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA),
- die Deutsche Gesellschaft für Klinische Pharmazie (DGKPha),
- die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG),
- die Arbeitsgruppe Leitender Apotheker in Universitätsklinika (LAUD) und
- die Stiftung Patient und Klinische Pharmazie.
Mit 22 Jahren, in denen sie nun schon Prüfungsfach an den deutschen Universitäten ist, ist die Klinische Pharmazie zwar die jüngste, aber keine ganz junge pharmazeutische Disziplin mehr. Und auch wenn nach wie vor nicht alle deutschen Pharmazie-Hochschulstandorte eine eigenständige Vollprofessur für diese Schnittstellendisziplin eingerichtet haben, wird vielerorts nicht nur gelehrt – sondern auch geforscht. Wer sich nun fragt, an welchen Fragestellungen Doktoranden der „Klinischen“ arbeiten, bekam auf der Doktorandentagung Klinische Pharmazie in Münster nicht nur einen guten Einblick in einzelne konkrete Forschungsvorhaben, sondern auch einen Überblick über die Vielfalt innerhalb dieser Disziplin.
Patienten sollten aktiv leiten statt passiv zu leiden
In seinem Plenarvortrag ging der Gastredner Prof. Bart van den Bemt von der Sint Maartenskliniek Nijmegen (Niederlande) darauf ein, wie sich die Sicherheit von Patientinnen und Patienten dadurch steigern lässt, diese zu empowern. Er schlägt vor, den Patienten mehr Kontaktpunkte mit dem Gesundheitssystem anzubieten, damit sie sich zu konkreten arzneimittelbezogenen Fragen informieren können, wenn diese auftreten. Das muss nicht immer ein Beratungsgespräch sein, auch mit Kanälen wie FAQ’s, Apps oder digital Humans (virtuellen Ansprechpartnern) sammelt van den Bemt gute Erfahrungen. Dadurch werden die Patientinnen und Patienten dazu befähigt (empowert), mehr Verantwortung für ihre eigene Therapie zu übernehmen. Derzeit wird Erkrankten durch Gesundheitspersonal zu viel Verantwortung aus der Hand genommen. Exemplarisch führt van den Bemt das Stellen von Arzneimitteln im Krankenhaus an. Dies ist für manche Patienten sinnvoll, vielen nimmt es aber die Gelegenheit, im sicheren Umfeld den Umgang mit ihrer Medikation zu erlernen. Besser ist es, Patientinnen und Patienten nehmen in ihrer Therapie eine aktive, leitende statt einer passiven, leidenden Position ein.
Organisatorin Dr. Isabell Waltering konkretisiert an dieser Stelle, wie sich dieser Ansatz auf die Medikationsanalyse in der Apotheke übertragen lässt. Noch bevor der Brown-Bag geöffnet wird, bieten sich als erste Frage an: „Wovon hoffen Sie, dass es sich nach der Medikationsanalyse verbessert?“ oder „Welche Fragen zu Ihren Medikamenten haben Sie für das heutige Gespräch mitgebracht?“
Im Fokus der Tagung standen unterdessen die Kurzvorträge der jungen Forschenden. Insgesamt zwölf Doktorandinnen und Doktoranden nutzen die Gelegenheit in jeweils 15 Minuten ein aktuelles Forschungsvorhaben vorzustellen und sich Rückmeldungen einzuholen. In ihren Doktorarbeiten beschäftigt sie z. B. was die Besonderheiten der Arzneimittelgabe bei Enterostoma- oder Sondenpatienten sind, wie eine deutschsprachige Entscheidungshilfe für das Deprescribing am Lebensende aussehen könnte und inwiefern ambulant durchgeführte parenterale Antibiotikatherapien Kosten einsparen können.
Neben Software braucht es Apotheker
Katharina Wien, Doktorandin aus Lübeck, hatte die Einführung einer digitalen Medikationskurve mit klinischem Entscheidungsunterstützungssystem in einer psychiatrischen Klinik wissenschaftlich begleitet. Ihre Ergebnisse zeigten, dass dieses in Kombination mit regelmäßiger pharmazeutischer Validierung der Medikation die arzneimittelbezogenen Probleme (ABP) pro 1000 Patiententage beinahe halbierte. Auch konnten die Patientinnen und Patienten mit signifikant weniger ungelösten arzneimittelbezogenen Problemen entlassen werden. Dass letztere Zahl nicht auf Null gesunken ist, verwundert nicht: gerade im psychiatrischen Kontext müssen und können nicht alle ABP gelöst werden. Wie die Flut an Warnmeldungen einzuschätzen ist, die klinische Entscheidungsunterstützungssysteme anzeigen, war Thema von Jaqueline Bauer, Doktorandin aus Erlangen. In ihrer Studie zeigte die Software pro Patient elf Warnmeldungen an. Die pharmazeutische Prüfung ergab, dass die meisten Meldungen zwar inhaltlich angemessen waren, jedoch nur jede Fünfte von klinischer Relevanz für den jeweiligen Patienten war. Zudem identifizierte sie einige arzneimittelbezogene Probleme, die die Software nicht erkannt hatte. Neben Software braucht es also doch auch Apotheker.
Der rege Austausch in den Kaffeepausen zeigte, dass gelungen ist, was Dr. Isabell Waltering in der Begrüßung sich gewünscht hat: Den wissenschaftlichen Nachwuchs der Klinischen Pharmazie zu vernetzen, um gemeinsam und mit „breitem klinisch-pharmazeutischem Kreuz“ auf die spannende Forschung in diesem Fachgebiet aufmerksam zu machen. Eine Fortsetzung ist bereits geplant. Die 2. Gemeinsame Doktorandentagung Klinische Pharmazie wird voraussichtlich im November 2024 in Hamburg stattfinden, erneut in zeitlicher und räumlicher Abstimmung mit der DGKPha-Jahrestagung. |
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