Arzneimittel und Therapie

Update für die Antiparkinson-Therapie

Aktualisierte Leitlinie berücksichtigt auch Begleitsymptome und spezifische Situationen

Für die Parkinson-Krankheit liegt seit Kurzem eine aktualisierte S2k-Leitlinie vor. Neben Neuerungen in der Diagnostik wurden aktuelle Empfehlungen zur Therapie motorischer, kognitiver, psychischer und weiterer Begleitsymptome veröffentlicht. Ergänzt wurde die Leitlinie ebenfalls durch Empfehlungen für spezifische Situationen, wie die akinetische Krise und das Entzugssyndrom.

Das Parkinson-Syndrom wird in der aktualisierten S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DNG) e. V. definiert durch eine Bradykinese als Leitsymptom. Neben der Verlangsamung spontaner und willkürlicher Bewegungen muss mindestens ein weiteres Merkmal wie Rigor, Tremor oder posturale Instabilität (Haltungsinstabilität) vorhanden sein. Nachdem jahrelang synonym zur Parkinson-Krankheit die Bezeichnung idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS) verwendet wurde, wird in der neuen Leitlinie der Begriff Parkinson-Krankheit empfohlen, da eine beachtliche Anzahl der Erkrankungen nicht idiopathisch bedingt sind, sondern durch genetische Varianten verursacht werden. Für die Diagnosestellung sollen die Movement-Disorder-Society­(MDS)-Kriterien verwendet werden, bei denen absolute Ausschlusskriterien, Red Flags sowie supportive Kriterien berücksichtigt werden. Ein Levo­dopa-Test, bei dem das therapeutische Ansprechen untersucht wird, kann die Diagnosegenauigkeit verbessern. Die Beobachtung des Krankheitsverlaufes sollte über mehr als fünf Jahre er­folgen, um zum einen die Diagnose zu bestätigen und zum anderen die Therapie gegebenenfalls anzupassen.

Foto: Pixel-Shot/AdobeStock
Tremor als ein Kardinalsymptom der Parkinson-Krankheit kann den Alltag der Patienten stark einschränken.

Therapie je nach Alter und Symptomen

Die Therapieempfehlungen in der Leitlinie wurden durch neue Evidenzen ergänzt, angepasst und gesichert. Bevorzugt wird die Monotherapie mit individuellen Therapiezielen, bei denen das Alter, die Symptome, Komorbiditäten, Nebenwirkungen und psychosoziale Aspekte des Patienten berücksichtigt werden. So sollten bei jüngeren Patienten Dopamin-Agonisten oder Monoaminoxidase(MAO)-B-Hemmer gegenüber Levodopa-Präparaten bevorzugt werden. Multimorbidität, schwere Symptome und der Bedarf für einen schnellen therapeutischen Effekt sind Gründe für den initialen Einsatz von Levodopa-haltigen Arzneimitteln. Sie werden bei unzureichender Wirksamkeit mit Dopamin-Agonisten kombiniert. Die Leitlinie gibt auch Therapieempfehlungen für Beschwerden, die häufig mit der Parkinson-Krankheit assoziiert sind wie Schmerzen, Blasenfunktionsstörungen, orthostatische Hypotonie, Obstipation, Schlafstörungen, kognitive Störungen, affektive Störungen, Impulskontrollstörungen (IKS), Psychosen, Delir, Sprech- und Schluckstörungen.

„Modified-released“ Levodopa

In Deutschland ist Levodopa in festen Darreichungsformen in fixer Kombi­nation mit den Dopadecarboxylase-Hemmern Carbidopa (z. B. Isicom® 100 mg/25 mg) oder Benserazid (z. B. Madopar® 100 mg / 25 mg) auf dem Markt. Es fanden sich laut den Leit­linienautoren keine Studien dazu, ob einer der beiden Dopadecarboxylase-Hemmer bevorzugt einzusetzen ist. Sogenannte modified-release-Formulierungen zur Veränderung der Pharmakokinetik von Levodopa sorgen für gleichmäßige Plasmaspiegel sowie eine schnellere Resorption des Wirkstoffs. Jedoch gebe es keine Evidenz für eine Überlegenheit der „modified-release“-Präparate gegenüber solchen mit sofortiger Freisetzung in der Behandlung früher Krankheitsstadien. Retardierte Präparate haben eine längere Resorptionszeit und damit eine längere Zeit der Nahrungskarenz als schnell lösliche Tabletten. Deshalb sollten sie nur zur Nacht gegeben werden. Inhalatives Levodopa (Inbrija®) umgeht den Magen-Darm-Trakt und wird schnell in die Blutbahn aufgenommen. Sein Einsatz zur akuten Linderung von Off-Phasen durch Wirkungsschwankungen (Fluktuationen) ist nur bei Patienten möglich, die bereits ein orales Levodopa-Kombinationspräparat erhalten, da Inbrija® keinen Dopadecarboxylase-Inhibitor enthält. Neben inhalativem Levodopa kommen zur Coupierung von Off-Situationen auch schnell freisetzende orale Levodopa-Formulierungen infrage. Bei schwer behandelbarem Tremor, der auf Levodopa anspricht, kann die Levodopa-Tagesdosis erhöht werden, jedoch steigt dabei auf Dauer das Risiko für motorische Komplikationen.

Therapie mit Pumpensystemen

Bei der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit werden motorische Fluktuationen zu einem Hauptproblem. Behandelt werden können diese unter anderem mittels tiefer Hirnstimulation oder Pumpentherapien. Bei Letzterem gibt es derzeit folgende Optionen: die kontinuierliche subkutane Apomorphin-Infusion (z. B. APO-go®), die dauerhafte perkutane Levodopa/Carbidopa-Intestinalgel(LCIG)-Infusion (Duodopa®) und die Levodopa/Entacapon/Carbidopa-Intestinalgel(LECIG)-Infusion (Lecigon®). Die Levodopa-haltigen Gele werden über eine perkutan endoskopische Gastrostomie mit jejunaler Extension (PEG-J) infundiert. Neu ist eine kontinuierliche subkutane Foslevodopa/Foscarbidopa-Infusion (Produodopa®), die aktuell jedoch noch nicht verfügbar ist (s. Kasten „Ausblick in die Zukunft der Pumpentherapie“).

Ausblick in die Zukunft der Pumpentherapie

Insulin-Pumpen haben bekanntlich die Diabetes-Therapie revolutioniert. Auch für Parkinson-Patienten könnte die Option, Levodopa kontinuierlich über die Haut zuzuführen, schon bald Wirklichkeit werden.

Obschon das Präparat Produodopa® mit den Prodrugs Foslevodopa / Foscarbidopa bereits zugelassen ist, findet sich die subkutane Pumpentherapie noch nicht auf dem Markt. Die noch fehlende CE-Zertifizierung des Applikationssystems soll jedoch in Bälde erfolgen.

Die Innovation ist für Patienten mit fortgeschrittener Parkinson-Krankheit vorgesehen, welche trotz optimierter oraler Antiparkinson-Therapie unter motorischen Fluktuationen leiden. Letztere ergeben sich aus Schwankungen im Levodopa-Plasmaspiegel, da die versiegenden Dopamin-Speicherkapazitäten nicht mehr kompensiert werden können. Im Falle zu hoher Plasmaspiegel treten unwillkürliche, störende Überbewegungen (Dyskinesien) auf. Bei zu niedrigen Plasmaspiegeln leiden die Patienten hingegen unter lähmender Unterbeweglichkeit (Off-Phase).

Der logische Ausweg aus der unphysiologischen, pulsatilen Dopaminrezeptor-Stimulation und den damit verbundenen Komplikationen und Einschränkungen ist eine kontinuierliche Zufuhr von Levo­dopa. Es besteht bereits die Option, ein Gel mit dopaminergen Wirkstoffen per Pumpe direkt jejunal zu verabreichen (LCIG- oder LECIG-Infusion). Dies ist aufgrund der Anlage und Pflege einer Jejunal­sonde jedoch mit gewissen Risiken verbunden. Bei subkutaner Gabe bieten sich demgegenüber die Vorteile eines minimalinvasiven Verfahrens an.

In den Zulassungsstudien von Produo­dopa® führte die Applikation individuell einstellbarer Infusionsraten über die Haut zu gleichmäßigen Plasmaspiegeln, woraus eine deutliche und signifikante Verbesserung der On-Off-Problematik resultierte. Zudem trat signifikant seltener eine morgendliche Akinese auf, ein für Betroffene besonders störender Zustand der Bewegungsarmut nach dem Aufwachen. Das allgemeine Sicherheitsprofil wird als gut eingestuft, therapielimitierend sind vor allem Reaktionen an der Infusionsstelle (Erytheme, Knötchenbildung, Zellulitis, Ödeme und Schmerzen). Erklärtes Ziel ist daher, Patienten intensiv im Umgang mit der Pumpe zu schulen, um diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu vermeiden beziehungsweise adäquat darauf reagieren zu können.

Apothekerin Dr. Verena Stahl

Dopamin-Agonisten zur oralen und transdermalen Therapie

Die Dopamin-Agonisten werden in ergoline und non-ergoline Substanzen unterteilt. Wegen der in der Regel irreversiblen fibrotischen Veränderungen im Bereich der Herzklappen sollen ergoline Dopamin-Agonisten wie Bromocriptin (z. B. Pravidel®) und Caber­golin (z. B. Dostinex®) nicht mehr eingesetzt werden. Die non-ergolinen Dopamin-Agonisten Pramipexol (z. B. Sifrol®), Ropinirol (z. B. Requip®), Piribedil (z. B. Clarium®), Rotigotin (z. B. Neupro®) und stark eingeschränkt auch Apomorphin (z. B. Dacepton®) können zur Behandlung der Parkinson-Therapie eingesetzt werden. Sie kommen bei den Zielsymptomen Akinese und Rigor in Mono- und in Kombinationstherapie zur Anwendung, können aber zu Impulskontrollstörungen führen. Pramipexol wird zum größten Teil über die Niere verstoffwechselt und ist bei eingeschränkter Leberfunktion zu bevorzugen. Ropinirol oder Rotgotin sind dagegen bei eingeschränkter Nierenfunktion zu priorisieren. Wird Ropinirol in Kombination mit Arzneimitteln verordnet, die CYP1A2 induzieren oder hemmen, sollte die Dosis angepasst oder auf einen anderen Dop­amin-Agonisten gewechselt werden. Rotigotin ist als transdermales Pflaster verfügbar, das täglich zu wechseln ist. Bei der Anwendung des Pflasters treten häufig dermale Nebenwirkungen auf. Wenn trotz oraler Therapie Off-Phasen auftreten, können Apo­morphin-Injektionen gegeben werden, um diese rasch zu lindern. Um Nebenwirkungen zu reduzieren, sollte die Dosierung von Dopamin-Agonisten auftitriert werden. Die anfängliche Übelkeit ist meist reversibel. Blutdruckabfall und periphere Ödeme bleiben oft bestehen.

COMT-Hemmer zur Therapieoptimierung

Die Hemmer des Enzyms Catechol-O-Methyl-Transferase (COMT) müssen mit einem Levodopa-Präparat kombiniert werden. Als COMT-Hemmer sind Opicapon (Ongentys®) und Entacapon (z. B. Comtess®) zur Behandlung von Fluktuationen nach Meinung der Leitlinienexperten in ihrer Wirkung nahezu gleichwertig. Während Entacapon bis zu zehnmal täglich zu jeder Levodopa-Einnahme dazugegeben wird, wird Opicapon nur einmal täglich abends eingenommen. Opi­capon ist mindestens eine Stunde vor oder nach Levodopa-Kombinations­präparaten einzunehmen. Dadurch wird ein zusätzlicher Einnahmezeitpunkt für die Medikamenteneinnahme erforderlich. Es gibt keine direkte Vergleichsstudie der COMT-Hemmer untereinander. Der COMT-Hemmer Tolcapon (z. B. Tasmar®) ist möglicherweise etwas effizienter als Opicapon und Entacapon, aber wegen seiner potenziellen Hepatotoxizität nur Mittel der zweiten Wahl. Opicapon gilt im Vergleich als am besten verträgliche Substanz.

MAO-B-Hemmer sind auch ohne Levodopa einsetzbar

Die Hemmer der Monoaminoxidase B Selegilin (z. B. Selegilin AL) oder Rasagilin (z. B. Azilect®) werden zur Monotherapie der frühen Parkinson-Krankheit oder in der Kombination mit Levodopa zur Behandlung von Wirkfluktuationen eingesetzt. Der MAO-B-Hemmer Safinamid (Xadago®) hat einen dualen Mechanismus. Die Substanz wirkt in den zugelassenen Dosierungen von 50 mg und 100 mg als MAO-B-Hemmer und setzt in der 100‑mg-Dosierung Glutaminsäure als Neurotransmitter frei (glutamaterge Wirkung). Safinamid ist nur in Kombination mit Levodopa zur Behandlung der Parkinson-Krankheit mit Wirkfluktuationen zugelassen. Aus der Literatur lässt sich laut den Autoren keine Priorisierung der verschiedenen MAO-B-Hemmer untereinander hinsichtlich der Wirksamkeit ableiten.

Akinetische Krise frühzeitig therapieren

Die akinetische Krise ist eine akute und potenziell lebensgefährliche Verschlechterung der Symptomatik. Ihre Merkmale sind unter anderem hohes Fieber, motorische Verschlechterungen, die mit Bewusstseinsstörungen und allgemeinem Krankheitsgefühl einhergehen, Dysphagie und Verwirrtheitszustand. Die Krise muss früh­zeitig von einer hypokinetischen Off-Fluktuation abgegrenzt werden. Infektionen, Stürze, Knochenbrüche, postoperative Komplikationen, Dehydrierung, Änderung der dopaminergen Resorption oder Medikation sind mögliche Auslöser dieses medizinischen Notfalls. Primär werden die möglichen auslösenden Faktoren behandelt. Neben der regelmäßigen Kontrolle der Vitalfunktionen des Patienten gehören fiebersenkende Maßnahmen, Thromboseprophylaxe und intravenöse Flüssigkeitsgabe zur Therapie.

Wichtige Neuerungen in der Leitlinie

  • Im Allgemeinen soll statt des Begriffes „idiopathisches Parkinson-Syndrom“ der Begriff „Parkinson-Krankheit“ verwendet werden.
  • Für die Diagnose sollen die Movement-­Disorder-Society-Kriterien verwendet werden.
  • Es werden Empfehlungen gegeben zu Diagnose und Therapie spezifischer Situationen wie der akinetischen Krise und des Dopamin-Agonisten-Entzugssyndroms.
  • Zudem gibt es Empfehlungen zur Behandlung motorischer, kognitiver, affektiver, psychotischer und dysautonomer Symptome sowie von Schlafstörungen, Schmerz, Dysarthrie und Dysphagie.

Entzugssyndrom mit Dopamin-Agonisten therapieren

Das Dopamin-Agonisten-Entzugs­syndrom (DAWS) ist eine Ansammlung aus psychiatrischen, autonomen und sensorischen Symptomen, wie sie auch beim Entzug von psychostimulativen Substanzen beobachtet werden. Das Syndrom steht im zeitlichen Zusammenhang mit einer Reduktion oder dem Absetzen von Dopamin-Agonisten. Es führt zu klinisch relevanten Beeinträchtigungen und sozialen oder beruflichen Funktionsstörungen. Impuls­kontrollstörungen, eine vorherige tiefe Hirnstimulation, höhere Tagesdosierungen und höhere kumulative Dosierungen von Dopamin-Agonisten sind als Risikofaktoren für das Auftreten des DAWS bekannt. Für das Dopamin-Agonisten-Entzugssyndrom steht, außer wieder eine Therapie mit Dopamin-Agonisten zu beginnen, bisher keine spezifische Therapie zur Verfügung.

Therapie der Begleitsymptomatik

Die Empfehlungen zur Begleitsymptomatik bei Parkinson-Patienten sind in der S2k-Leitlinie sehr umfangreich, da diese Patientengruppe meistens unter multiplen Symptomen leidet. Im Folgenden wird exemplarisch auf die Therapie von Schmerzen und Harn­blasenfunktionsstörungen eingegangen. Die Basis der Schmerztherapie für Parkinson-Patienten ist die Optimierung ihrer Parkinson-Therapie. Nozizeptive Schmerzen durch Gewebeschädigungen, Entzündungen oder Infektionen sollen gemäß dem WHO-Stufen-Schema behandelt werden. Für sehr starke Schmerzen eignet sich retardiertes Oxycodon mit Naloxon (z. B. Targin®). Dagegen werden neuropathische Schmerzen bevorzugt mit Gabapentin (z. B. Neurontin®) und Dulo­xetin (z. B. Cymbalta®) behandelt, insbesondere wenn eine Depression als Komorbidität diagnostiziert wurde.

Bei neurogener Blasenstörung werden nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen empfohlen, wie Blasentraining, tageszeitliche Anpassung der Flüssigkeitsaufnahme und die Ver­meidung von Koffein, Alkohol und kohlensäurehaltigen Getränken. Bei vermehrtem Harndrang und Harndranginkontinenz können Antimuskarinika wie Solifenacin (z. B. Vesikur®) eingesetzt werden. |

Literatur

Parkinson-Krankheit – Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie unter Mitwirkung weiterer Fachgesellschaften, AWWF-Registernummer: 030/010, Stand 25. Oktober 2023

Apothekerin Alexandra Hinsken

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.