Arzneimittel und Therapie

Berechtigte Zweifel an Schutz durch Masken?

Cochrane-Review verleitet zur Fehlinterpretation

gg/jb | Cochrane hat einen Review zum Thema „Physikalische Maßnahmen zur Unterbrechung der Ausbreitung von Viruserkrankungen“ aktualisiert und insbesondere die Wirksamkeit von Masken und Handhygiene beleuchtet. Querleser interpretieren die Ergebnisse als klare Absage für das Tragen von Masken – aber eigentlich fehlt es, besonders im Hinblick auf COVID-­19, an entsprechenden randomisiert-kontrollierten Studien.

Das Tragen von Masken und die gründliche Handhygiene gehören zu den physikalischen Schutzmaßnahmen zur Prävention von Viruserkrankungen, inklusive COVID-19. Wie wirksam diese sind, hatten Cochrane-Wissenschaftler 2020 in einer Übersichts­arbeit schon einmal untersucht. Nun wurde diese Arbeit aktualisiert. Zu der Datengrundlage von 2020 sind elf neue randomisiert-kontrollierte Studien und clusterrandomisiert-kontrollierte Studien hinzugekommen, sodass jetzt insgesamt 78 Studien vorlagen. Was sagen diese über medizinische Masken, N95/P2-Masken (vergleichbar mit FFP2-Masken) und das regelmäßige Waschen und Desinfizieren der Hände aus?

Für das Tragen von medizinischen Masken im Vergleich zu keiner Maske konnte in der Übersichtsarbeit eine nicht vorhandene bis geringe Reduktion der Ansteckungen mit Grippe- bzw.COVID-19-ähnlichen Erkrankungen sowie der im Labor bestätigten Fälle von Grippe und COVID-19 festgestellt werden. Für N95/P2-Masken im Vergleich zu medizinischen Masken konnte kein beziehungsweise ein ­geringer Unterschied hinsichtlich der Vermeidung von Grippe und grippalen Infekten gezeigt werden. Bezogen auf Handhygiene-Programme konnte hingegen eine mögliche Schutzwirkung vor Atemwegsinfekten und Grippe ­gezeigt werden.

Verzerrungen, Messunterschiede und geringe Adhärenz

Bedeuten diese Ergebnisse, dass die Schutzmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie völlig überflüssig waren? Beim raschen Überfliegen der Übersichtsarbeit kann tatsächlich solch ein Eindruck entstehen, und Berichterstatter aus den einschlägigen Kreisen sind auch bereits auf diesen Zug aufgesprungen. Tatsächlich lässt sich aber genau diese Schlussfolgerung nicht aus der Übersichtsarbeit ableiten, denn unter der Zwischen­unterschrift „Kernaussage“ ist zu lesen: „Auf der Grundlage der von uns ausgewerteten Studien sind wir uns nicht sicher, ob das Tragen von Masken oder N95/P2-Atemschutzmasken dazu beiträgt, die Verbreitung von Atemwegsviren zu verlangsamen.“ Zwar lagen den Autoren insgesamt 78 Studien vor, nur waren diese mit deutlichen Unsicherheiten behaftet, sodass die Wissenschaftler die Verlässlichkeit ihrer Ergebnisse mit gering bis mäßig (low to moderate) angeben. Zu diesen Unsicherheiten zählen ein hohes Risiko für Verzerrungen (Biases) aufgrund des jeweiligen Studiendesigns, starke Unterschiede in der Messung der ­Ergebnisse, die das Zusammenfassen und Vergleichen der Studien erschweren, sowie die geringe Adhärenz zu den Interventionen: Werden Probanden instruiert, Masken zu tragen, tun dies aber nur unzuverlässig, ist es wenig überraschend, dass keine Schutzwirkung gemessen werden kann.

Grippe ist nicht COVID-19

Für die Wirksamkeit von Masken während der COVID-19-Pandemie gelten die Ergebnisse der Übersichts­arbeit noch weniger. Von den 78 eingeschlossenen Studien hatten sich 76 mit Grippe, Atemwegs- und grippalen Infekten beschäftigt und gerade einmal zwei den Einsatz von Masken gegen SARS-CoV-2 untersucht [2, 3]. In diesen beiden wird übrigens eine Schutzwirkung von Masken zur COVID-19-­Prävention gezeigt, wenngleich diese geringer ausfällt, als man anhand der Laborstudien zur Filterkraft von Masken erwarten würde.

Apropros Laborstudien: Diese, ebenso wie viele andere Studientypen, haben keinen Einzug in die Cochrane-Übersichtsarbeit gefunden, da hier ausschließlich Ergebnisse von randomisiert-kontrollierten Studien berücksichtigt werden. Daher bedeutet das Ergebnis der Übersichtsarbeit auch nicht, dass es keinerlei Evidenz für die Wirksamkeit von Masken bei COVID-19 gibt, aber, wie auch die Studienautoren sagen, besteht Bedarf an großen, gut konzipierten randomisiert-kontrollierten Studien, die sich mit der Wirksamkeit von Masken und anderen physikalischen Maßnahmen sowie mit den Auswirkungen der Adhärenz auf die Wirksamkeit befassen.

Cochrane meldet sich zu Wort

In einer Stellungnahme will Cochrane Deutschland „weitreichenden Deutungen“ in sozialen Medien vorbeugen: Zu bedenken sei, dass die meisten Studien Interventionen wie das Bereitstellen von Masken untersuchten. Ob und in welchem Umfang diese dann auch getragen worden seien, sei nicht sicher. Wenn ein solches Studiendesign „keine Belege für einen Nutzen“ erbringe, widerlege dies keineswegs, „dass eine konsequent und korrekt getragene Gesichtsmaske im Einzelfall einen bedeutsamen Effekt auf das individuelle Infektionsrisiko haben könnte“. |

Literatur

[1] Jefferson T et al. Physical interventions to interrupt or reduce the spread of respiratory viruses. Cochrane Database Syst Rev 2023;1(1):CD006207

[2] Abaluck J et al. Impact of community masking on COVID-19: A cluster-randomized trial in Bangladesh. Science 2022;375(6577):eabi9069

[3] Bundgaard H et al. Effectiveness of Adding a Mask Recommendation to Other Public Health Measures to Prevent SARS-CoV-2 Infection in Danish Mask Wearers. Ann Intern Med 2021;174(3):335-343

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