Arzneimittel und Therapie

Der Beginn einer neuen Therapieära

Ein Gastkommentar

Die neue, in den USA zugelassene Therapieoption Teplizumab für Patienten in der Frühphase des Typ-1-­Diabetes weckt auch hier­zulande große Hoffnung. Warum, erklären uns in ihrem Kommentar zwei Expertinnen des Helmholtz Zentrums München, Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler, Direk­torin des Instituts für Diabetesforschung und Inhaberin des Lehrstuhls für Diabetes und Gestationsdiabetes der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, sowie die Studienärztin Franka Josefine Teich­gräber.

Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler

Mit der Zulassung von Teplizumab (TzieldTM) in den USA gibt es erstmals die Möglichkeit einer klinischen Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes vor dessen Manifestation. Der Anti-CD3-Antikörper kann das Ungleichgewicht zwischen autoreaktiven und regulatorischen T-Zellen der ­Patienten positiv beeinflussen, die Betazellfunktion so länger erhalten und das Insulin-pflichtige Stadium der Erkrankung um etwa zwei Jahre hinauszögern [1].

Gut 100 Jahre nach der Entdeckung des Insulins stellt das einen Durchbruch für die Therapie des Typ-1-­Diabetes dar, denn Teplizumab ist somit nicht nur das erste Immuntherapeutikum für die Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankung, sondern auch das erste Medikament für dessen Prävention.

Vorteile überwiegen Risiken

Die spätere Manifestation birgt kurz- und langfristige Vorteile. Sie gibt den Familien Zeit, sich auf das Kommende vorzubereiten. Stoffwechselentgleisungen und Keto­azidosen bei Manifestation können vermieden werden. Der Patient verbleibt länger in der meist günstigeren Stoffwechsellage vor Insulin-Pflichtigkeit, die wiederum einen positiven Einfluss auf die langfristige Diabeteskontrolle und Komplikationsrate haben kann [2]. Auch die Lebenserwartung der vor allem jungen Patientinnen und Patienten sollte steigen, denn je früher sich der Typ-1-Diabetes manifestiert, desto schwerwiegender sind Diabetes-­assoziierte Spätkomplikationen und der Verlust an Lebenserwartung [3]. Es ist deshalb der Konsens vieler ­Diabetesexperten, dass die Vorteile von Teplizumab dessen Risiken überwiegen.

Franka Josefine Teichgräber

Einfluss auf Früherkennung

Mit der nun greifbaren präventiven Behandlungsmöglichkeit ergibt sich der Bedarf einer Diagnosestellung des Typ-1-Diabetes in der Frühphase der Erkrankung. Die Fr1da-Studie in Bayern („Früh erkennen, früh gut behandeln“) hat federführend weltweit den Weg bereitet, ein Screening auf Inselautoantikörper allen Kindern im Kontext von Regelunter­suchungen anzubieten [4]. Die Möglichkeiten zur Früherkennung sind inzwischen auch in Niedersachsen, Sachsen und Teilen von England und USA implementiert, wenn auch aktuell überall durch Forschungsmittel finanziert.

Es ist davon auszugehen, dass die Zulassung von Teplizumab eine neue Ära der Immuntherapie und der damit eng verbundenen Früh­erkennung des Typ-1-Diabetes einleitet und zukünftige Immuntherapeutika den Therapie­effekt weiter steigern. Ob oder wann Teplizumab in Europa zugelassen werden könnte, bleibt aktuell spannend. |

Literatur

[1] Herold KC et al. An Anti-CD3 Antibody, Teplizumab, in Relatives at Risk for Type 1 Diabetes. N Engl J Med 2019;381(7):603-613

[2] Duca LM et al. Diabetic ketoacidosis at diagnosis of type 1 diabetes and glycemic control over time: The SEARCH for diabetes in youth study. Pediatr Diabetes 2019;20(2):172-179

[3] Rawshani A et al. Excess mortality and cardiovascular disease in young adults with type 1 diabetes in relation to age at onset: a nationwide, register-based cohort study. Lancet 2018;392(10146):477-486

[4] Ziegler AG et al. Yield of a Public Health Screening of Children for Islet Autoantibodies in Bavaria, Germany. JAMA 2020;323(4):339-351

[5] Weiss A et al. Progression likelihood score identifies substages of presymptomatic type 1 diabetes in childhood public health screening. Diabetologia 2022;65(12):2121-2131

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