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Elektronische Gesundheitskarte
Prestigeprojekt unter Beschuss
Im Oktober soll die flächendeckende Ausgabe elektronischen Gesundheitskarte (eGK) starten. Die Privaten Krankenversicherer haben nun angekündigt, dass ihre Versicherten vorerst nicht dabei sein werden.
Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbandes, betonte, dass die private Krankenversicherung die Bemühungen zur Einführung einer eGK von Anfang an unterstützt habe und sich auch freiwillig an der Betreibergesellschaft gematik beteilige. Grundsätzlich sieht er Vorteile in den Funktionen der neuen Karte. Voraussetzung sei allerdings, dass die eGK auch genutzt wird. Und hier zweifelt Leienbach. Denn die Leistungserbringer sind - anders als bei gesetzlich Versicherten - nicht verpflichtet, die Karte von Privatpatienten anzunehmen und zu verwenden. "Damit hängt der Erfolg der Karte einzig vom guten Willen der Leistungserbringer ab", so Leienbach. Und das ist aus seiner Sicht "nicht hinnehmbar". Anderenfalls seien die auf die PKV entfallenden Ausgaben für den Aufbau der Infrastruktur nicht zu verantworten. Diese beliefen sich nach derzeitigen Schätzungen auf bis zu 360 Millionen Euro. "Solange keine Investitionssicherheit gegeben ist, werden wir uns weder an den Kosten zum Aufbau der Infrastruktur für den geplanten Basis-Rollout der Karte beteiligen, noch weitere Gesundheitskarten im Zuge von Testmaßnahmen herausgeben", erklärte Leienbach. Auch alle noch laufenden Tests würden vorläufig unterbrochen. Da der PKV-Verband aber nach wie vor auf eine konstruktive Lösung hoffe, bleibe er Gesellschafter der gematik.
Auch der Bundestag beschäftigte sich diesen Donnerstag erneut mit der eGK. Zwei Anträge - einer der Grünen und einer der FDP-Fraktion - standen zur Abstimmung. Letzter fordert den Stopp der eGK. Der Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Klaus Bittmann appellierte im Vorfeld an den Bundestag, ein Moratorium zu beschließen. Zunächst müssten alle Zweifel ausgeräumt und andere Technologien ergebnisoffen geprüft werden. "Angesichts leerer Kassen, ein Übergreifen der Finanzkrise auf die Sozialsysteme sowie offener und schleichender Rationierung medizinischer Leistungen können wir uns ein solches Milliarden-Grab einfach nicht leisten". Das einstige Vorzeigeprojekt habe sich zum "Fass ohne Boden" entwickelt. Allein in diesem Jahr sollen 660 Millionen Euro aus dem Gesundheitsfonds in das Projekt fließen - "trotz klammer Sozialkassen, Rationierungsdebatte und fehlender Kosten-Nutzen-Analyse", betonte Bittmann.
Auch der Regierungsberater Wasem ist mehr als skeptisch. Gegenüber dem ARD-Magazin Monitor erklärte er, die Karte werde "primär aus politischen Gründen" an den Start gehen: "Ökonomisch wird sie ein Minusgeschäft sein, das letztlich die Versicherten zahlen", so Wasem. Da die Karte nicht alle Leistungen erbringe, solle auf den geplanten Start zunächst verzichtet werden. Wie Monitor berichtet, wurde diese Woche ein zweijähriger Test der Karte in der Modellregion Bochum-Essen beendet - er habe gravierende Mängel bei der technischen Anwendung zutage gefördert: So beklagen die teilnehmenden Ärzte, das elektronische Rezept benötige doppelt so viel Zeit wie das handschriftliche Ausstellen. Auch die digitale Kommunikation zwischen den Ärzten stehe nicht zur Verfügung. Die Eintragung von Notfalldaten sei zu kompliziert und zeitaufwändig.
Berlin - 02.07.2009, 15:25 Uhr