Kampf gegen Bestechung

Anti-Korruptionsgesetz passiert Rechtsausschuss

Stuttgart - 13.04.2016, 12:42 Uhr

Das Anti-Korruptionsgesetz wird kommen: Der Rechtsausschuss des Bundestags akzeptierte am Mittwoch den Entwurf samt umstrittener Änderungen. (Foto: dpa)

Das Anti-Korruptionsgesetz wird kommen: Der Rechtsausschuss des Bundestags akzeptierte am Mittwoch den Entwurf samt umstrittener Änderungen. (Foto: dpa)


Trotz der teils heftigen Kritik am Kompromiss der Rechtspolitiker der Großen Koalition soll das Gesetz kurzfristig verabschiedet werden. Am Mittwoch akzeptierte der Rechtsausschuss den Entwurf – mit einer kleinen Ergänzung.

Nachdem die SPD-Fraktion sich am Dienstag wohl zähneknirschend mit den Änderungen abgefunden hat, die von ihren Rechtspolitikern zusammen mit Kollegen von der Union ausgehandelt wurden, hat der aktuelle Entwurf Mittwochvormittag den Rechtsausschuss des Bundestags passiert. Wie vorgesehen, wird die Verweis auf die Pflicht zur heilberuflichen Unabhängigkeit gestrichen. Die Abgabe von Arzneimitteln oder Medizinprodukten wird auch bei Entgegennahme unlauterer Vorteile nur durch die bisherigen Regeln erfasst, so dass Apothekern hier keine strafrechtliche Verfolgung oder gar Haftstrafen drohen.

Auch der Einkauf beim Großhändler soll durch das Anti-Korruptionsgesetz nicht mehr erfasst werden. Der Bezug der Mittel durch einen Heilberufler wird nur dann relevant, wenn sie durch diese selber angewandt werden. „Da der Apotheker in der Regel das Arzneimittel nicht unmittelbar anwendet sondern abgibt, ist er von dieser Tatbestandsvariante grundsätzlich nicht erfasst“, so das Bundesgesundheitsministerium.

Erhält die Pharmaindustrie einen Schutz vor Korruption?

SPD-Gesundheitspolitiker wie Edgar Franke, Vorsitzender des Bundestags-Gesundheitsausschusses, oder der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach hatten bis zuletzt Strafbarkeitslücken angemahnt: Korruption solle nicht nur aufgrund wettbewerbsrechtlicher Kriterien strafrechtlich geahndet werden, das Gesetz müsse hingegen auf den Patientenschutz abzielen.

„Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Frage, ob es sich dann überhaupt noch lohnt, das Gesetz zu verabschieden“, zitierte die Süddeutsche Zeitung Lauterbach noch Ende letzter Woche. „Krankenkassen und Pharmaindustrie erhalten einen besseren Schutz vor Korruption. Alleine der Patient bleibt ungeschützt“, sagte er. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, hatte noch am Montag gegenüber DAZ.online gefordert: „Es darf keine Strafbarkeitslücken geben.“

Am Ende kam es jedoch nur zu einer kleinen Änderung in der Begründung des Gesetzes: Da die Gesundheitspolitiker fürchten, dass Korruption im nicht-Wettbewerbsbereich in vielen Fällen straffrei bleiben würde, wurde auf SPD-Antrag aufgenommen, dass auch der Bereich der personalisierten oder individualisierten Medizin sowie gezielte Therapien erfasst sind. Weitergehende Pläne, die heilberuflichen Pflichten wieder explizit ins Gesetz aufzunehmen, verwarfen die SPD-Politiker.

Weitreichendes Gesetz mit weitreichendem Anwendungsbereich

„Da sich der Anwendungsbereich der sog. Berufsrechtsalternative in den Beratungen als gering erwiesen und verfassungsrechtliche Bedenken überwogen haben, haben wir uns für eine Streichung entschieden“, erklärt SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner in einer Stellungnahme. Er selber teilt jedoch das Argument nicht, dass die Regel zu unbestimmt oder verfassungsrechtlich bedenklich sei, wie er DAZ.online sagt. „Es ist ein weitreichendes Gesetz mit weitreichendem Anwendungsbereich“, so Fechner. Wie auch Franke verweist er darauf, dass über das Kriterium der „Lauterkeit“ auch die heilberuflichen Pflichten eine Rolle spielten.

„Zudem haben wir gegen den Widerstand der Union erreicht, dass die Staatsanwaltschaft bereits bei Vorliegen eines Anfangsverdachts ermitteln muss, und nicht – wie ursprünglich vorgesehen – nur bei Vorliegen eines Strafantrags“, so Fechner. Dies sieht er als Verhandlungserfolg zur Wahrung der Patientenrechte. „Mit diesem wichtigen Gesetz sichern wir das Vertrauen der Patienten in eine unabhängige medizinische Beratung und bekämpfen, dass die Versichertengemeinschaft um Milliardenbeträge geprellt wird“, erklärt er. „Wir sind mehr als zufrieden.“

Vollständige Zufriedenheit gibt es von Seiten der Union. Das Gesetz sei „ein Heilmittel gegen das Geschwür der Korruption“, sagt der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion Jan-Marco Luczak. „Wir setzen einen verbindlichen Rechtsrahmen für einen fairen Wettbewerb und schützen das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten, Ärzten und allen in den Heilberufen Tätigen.“ Er freut sich, dass auch die SPD-Gesundheitspolitiker den neuen Entwurf mittragen. Daher sei der morgige Donnerstag, für den die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag auf der Tagesordnung steht, „ein guter Tag für die Patienten in Deutschland“.

Schutz des Patientenwohls würde geopfert

„Die Koalition zieht ihrem eigenen Gesetzentwurf die Zähne“, kritisiert hingegen die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink. Erst habe die Bundesregierung zweieinhalb Jahre gebraucht, um einen Gesetzentwurf vorzulegen – und jetzt werde nach monatelangem Streit der Gesetzentwurf entscheidend entschärft. „Im Ergebnis bleibt der Schutz der Patientinnen und Patienten vor interessengeleiteten Empfehlungen von Ärzten und Apothekern auf der Strecke“, so die Grünen-Politikerin. „Das große Chaos mit Änderungsanträgen zeigt, dass die SPD nur einen medialen Kleinststurm entfachen kann und letztlich den Schutz des Patientenwohls opfert.“

Auch vom GKV-Spitzenverband kam scharfe Kritik am Kompromiss. „Es hat seinen Grund, weshalb die Apotheker die Einigung feiern, die Bundesärztekammer glücklich ist und auch die Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten applaudieren“, sagte Gernot Kiefer, Vorstandsmitglied des Verbands, Ende vergangener Woche gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. 

Update: Der Artikel wurde um die Stellungnahme von Jan-Marco Luczak ergänzt.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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