Maria Klein-Schmeink zur Rolle der Kammern

Apotheken sind keine bloßen Abgabestellen

Berlin - 17.05.2016, 15:45 Uhr

Nicht nur Rezepte abgeben: Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink findet es sinnvoll, wenn die Apothekerkammern mitverhandeln. (Foto: Klein-Schmeink)

Nicht nur Rezepte abgeben: Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Maria Klein-Schmeink findet es sinnvoll, wenn die Apothekerkammern mitverhandeln. (Foto: Klein-Schmeink)


Während sich Apothekerverbände und -kammern über die Verhandlungshoheit streiten, mischt sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, ein: Aus ihrer Sicht ist es eine Kernaufgabe der Kammern, sich um pharmazeutische Dienstleistungen zu kümmern. Im Interview mit DAZ.online fordert sie die Apotheker zudem auf, ihre Rolle zu überdenken.

Der ABDA-Gesamtvorstand hatte in der vergangenen Woche über ein Papier abgestimmt, in dem es unter anderem um die Verhandlungsrolle der Apothekerkammern geht. Das Papier hätte die Möglichkeiten der Kammern, alleine mit Krankenkassen oder anderen Institutionen zu verhandeln, stark eingeschränkt. Die Spitzen der Mitgliedsorganisationen wollen aber ohne neue Regeln zusammenarbeiten und lehnten eine Abstimmung ab. Klein-Schmeink reagierte auf Twitter und begrüßte diesen „Beschluss“. Im Gespräch mit DAZ.online erklärt sie, warum.

DAZ.online: Frau Klein-Schmeink, auf die Geschichte zur neuen Rolle der Apothekerkammern haben Sie zügig auf Twitter reagiert. Sie finden es begrüßenswert, dass Apotheker in Verhandlungen häufiger ihre pharmazeutischen Kompetenzen einbringen. Was meinen Sie damit?

Klein-Schmeink: Ich will keinen Keil zwischen die Landesapothekerverbände und -kammern treiben. Meine Botschaft ist: Mir ist egal, welche Institution verhandelt. Ich möchte den Apothekern nur mitteilen: Orientiert euch am Versorgungsgeschehen und daran, was die Patienten brauchen. Es geht nicht mehr nur darum, wie viel Eurocent ich mehr oder weniger für ein Rezept bekomme.


DAZ.online
: Um was geht es in Verhandlungen im Apothekenbereich denn sonst?

Klein-Schmeink: Aus meiner Sicht wird das gesamte Gesundheitswesen in Zukunft immer mehr auf Abstimmung und Teamwork aller Beteiligten angewiesen sein. Die Apotheker sollten dabei ihre Arzneimittel-Kompetenz mehr einbringen, weil die ja in der Regel bei den Ärzten nicht so stark ausgeprägt ist wie bei Pharmazeuten.

DAZ.online: Lässt es die derzeitige Aufgabenteilung zwischen Kammern und Verbänden denn nicht zu, dass die Kompetenzen der Apotheker sinnvoll genutzt werden?

Klein-Schmeink: Manche Strukturen sind eher innovativ, andere sind auf die Bewahrung traditioneller Vorgehensweisen angelegt. Auch die in der Apothekerschaft vorhandenen Strukturen sollten sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sich das Versorgungsgeschehen verändert hat und welche Kernkompetenzen die Apotheker dazu beitragen können, bei diesen Veränderungen am Ball zu bleiben. Und das ist aus meiner Sicht eine der Kernaufgaben der Apothekerkammern.

Projekt der Kammer Westfalen-Lippe ist ein gutes Beispiel

DAZ.online: Haben Sie auch einen konkreten Vorschlag parat?

Klein-Schmeink: Das Projekt der Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit der AOK, bei der die Pharmazeuten Medikationschecks anbieten, ist ein gutes Beispiel dafür. Aber das kann noch weitergehen: Wenn ein Patient beispielsweise mehrere Rezepte von unterschiedlichen Ärzten in die Apotheke bringt, sollte der Apotheker eine Fallkonferenz einberufen können. Dann könnten sich Haus- und Facharzt mit dem Apotheker schnell austauschen und die Abgabe gegebenenfalls ändern. Dort sollten die Apotheker auch ihr Wissen über den Konsum von OTC-Medikamenten des jeweiligen Patienten einbringen.

DAZ.online: Und wie sollte die Kommunikation in dieser Fallkonferenz genau ablaufen?

Klein-Schmeink: Das muss die Selbstverwaltung vereinbaren. Es ist nicht die Aufgabe der Politik, solche Modelle bis ins letzte Detail zu planen. Wir müssen uns da auf das Fachwissen der Selbstverwaltung verlassen können.

DAZ.online: Meinen Sie denn, dass die Standesvertretungen der Ärzte und Apotheker ein solches Modell ohne Kompetenzgerangel entwickeln könnten?

Klein-Schmeink: Grundsätzlich muss sich die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern verbessern.

Kein Beratungshonorar ohne Evaluation

DAZ.online: Wie könnte man den Apothekern denn Anreize setzen, damit es zu solchen Projekten kommt?

Klein-Schmeink: Die Vergütung solcher Beratungsmodelle kann man sicherlich nicht über die Abgabepreis-Honorierung lösen. Aber es geht ja auch zunächst nur darum, Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. Wir können nicht einfach ein flächendeckendes Beratungshonorar einführen, ohne die Wirkung solcher Projekte evaluiert zu haben.

DAZ.online: Was steht Apothekern, Ärzten und Krankenkassen denn aus ihrer Sicht im Weg, solche Versorgungsideen in die Realität umzusetzen?

Klein-Schmeink: Gesetzlich haben alle Akteure heute schon sehr viele Möglichkeiten. Es gibt auch heute schon einige Ärztenetze, in denen sich die Ärzte sehr gut mit den Apothekern austauschen. Wir sollten in Zukunft noch viel mehr darauf setzen, in integrierten Versorgungskonzepten vor Ort häufiger auch das Wissen der Apotheker einzubringen. Der Innovationsfonds wird dazu sicherlich viele Möglichkeiten bieten.

DAZ.online: Kommen denn aus der Apothekerschaft selbst genügend innovative Versorgungsvorschläge?

Klein-Schmeink: Das Perspektivpapier 2030 kann ich nur begrüßen. Im Gesundheitswesen benötigen Veränderungen aus meiner Sicht aber zu oft zu viel Zeit. Die Selbstverwaltung steht sich dabei zu oft im Weg. Grundsätzlich sollten die Apotheker deutlich machen, dass sie mehr sind als nur eine Abgabestelle. Denn sonst wird mit Sicherheit irgendwann die Frage entstehen, ob diese bloße Abgabestelle nicht auch irgendwo anders sein kann.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Apotheker - Eierlegende Wollmilchsau ?

von gabriela aures am 17.05.2016 um 20:34 Uhr

Vorweg: es ist sehr schön, daß sich in der Politik offensichtlich der Gedanke breitmacht, daß die Kompetenz der Apotheker bisher zu wenig genutzt wurde und daß durch den demographischen Wandel oder auch "nur" verbesserte und frühere Therapien ApothekerInnen eine wichtige Rolle bei der schlußendlichen Abgabe von Medikamenten zukommt.

Es gibt heute mehr zu erklären, zu bedenken, abzugleichen als vor einigen Jahren. Spätestens durch die wechselnden Rabattverträge haben wir die "Erklärbär"-Arbeit, die auch wirklich zu den Einsparungen der Kassen beiträgt.
Und wir vollbringen sie - allein schon gezwungenermaßen durch die Knechtschaft des zunehmenden "Nullretax"- Kahlschlages.

Auf der anderen Seite gibt es aber (noch ?) nicht die umfassende Einsicht, daß diese neuen Aufgaben eben nicht durch die seit 2004 geltende AMPreisV abgedeckt sind.

Hier sehe ich auch einen eklatanten Widerspruch:
"Wir können nicht einfach ein flächendeckendes Beratungshonorar einführen, ohne die Wirkung solcher Projekte evaluiert zu haben. -
Im Gesundheitswesen benötigen Veränderungen aus meiner Sicht aber zu oft zu viel Zeit. "
Was jetzt ? Erst lange und länger evaluieren oder schnelle Verbesserungen anstreben ?
Das ist natürlich auch ein Hopser ( also nicht wirklich ein hewagter Sprung ins Unbekannte) ins kalte Wasser - die Einsparungen können nicht centgenau vorhergesagt werden - sicher ist aber, daß die Therapieadhärenz steigen wird uns auch Wechselwirkungen verringert werden. Dazu gibt es doch garantiert schon Auswertungen, da muß nicht mehr jahrelang von Grund auf evaluiert werden !

Eine Fallkonferenz ist wohlklingend - aber leider der schnellen Versorgung abträglich. Das bedeutet entweder einen zusätzlichen Wartebereich für die zwangsgeparkten Patienten, bis sich die diversen Ärzte einig sind oder einen zweiten Besuch des Kunden/Patienten in der Apotheke, falls nicht alle Ärzte zeitnah, also gleichzeitig erreichbar sind.
Im Prinzip keine schlechte Idee - erinnert mich ein bißchen an das Projekt des Apothekerverbandes Meck-Pomm, welches sehr vielversprechend klingt .

Insgesamt muß aber mal ganz klar sein, daß wir nicht wieder für mehr Geld an einer Stelle woanders beschnitten werden.
Ob das Ideen zum Deckel sind, der durch Rezeptur-und BTM- Gebührerhöhung ausgeglichen werden SOLL ( das rechnet sich die Politk schon schön, da habe ich leider keinen Zweifel).
Dazu bräuchte es aber endlich mal
1.die Aufstellung von Seiten der ABDA, welche Aufgaben sie ( und somit die ganze Zunft) im Rahmen der Preisgestaltung von 2004 abgedeckt sieht und was eben nicht.
Und da gehen schon die Ansichten zum Thema Rabattverträge auseinander...
Im Editorial der PZ ( ja, des Hausblattes selbst) hat Herr Rücker geschrieben, die hätten wir eben NICHT vergütet bekommen, andere Stimmen sagen, wir hätten dafür 26 cent beim Kassenabschlag bekommen. (Stimmt nicht, ist sogar völlig falsch, wie ich dann im Nachgang im www recherchiert habe).
2. eine "Kalkulation" , ein Angebot von Seiten der ABDA, aus dem recht schlicht und klar hervorgeht, was gespart werden kann trotzdem die ApothekerInnen für das Einbringen ihres Fachwissens mehr Geld bekommen.
3. Last but not least endlich mal bundesweite, niedrigschwellige FoBis wie ATHINA oder AMTS und ein Ende dieser kindischen und gerade heute brandgefährlichen Kindergarten-Eitelkeiten der Länder untereinander.
Sowas ist natürlich nicht unbedingt im Sinne der Spezialisierungs-und Referenzapotheken-Freunde, ist schon klar.
Würde vielleicht durch Eindampfen von 17+17 auf 4+4 auch alles etwas schneller gehen ?
"Man" muß halt wollen und sich nicht immer hinter jahrzehntealten Zöpfen verstecken !
Heute betrifft das auch das Verständnis und/oder Verhältnis von Kammern und Verbänden untereinander - daß ist ja peinlich, wie die sich gegenseitig die Tinte unter Verträgen FÜR die Apothekerschaft nicht gönnen.
Und die Übermutter ABDA sagt: Kinder, jetzt ist aber Ruhe ! Gebt Euch die Hand und vertragt Euch wieder.
Teppich hoch und druntergekehrt.
Aufwachen Leute - die Grenzen werden fließender, da passen die alten Macht-und Denkschablonen nur noch sehr bedingt !
So ein richtiger ABDA- Masterplan ist aber leider nicht in Sicht - da wird Hoffnung in Krümel gesetzt...hier ein bißchen BTM, da ein bißchen Rezeptur .
Ei drüber, fertig, ABDA glücklich.
Dabei warten da ganz andere, schwierigere Zukunftsfragen auf uns alle !
Aber es schmurgelt wohl nicht nur das Grillgut beim ABDA Sommerfest, sondern immer noch die Mehrheit der Standesvertetung selber genüßlich im eigenen Saft...

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