Norddeutsches Apotheken-Rechenzentrum

Graue als NARZ-Vorsitzender bestätigt

Berlin - 27.06.2016, 13:15 Uhr

Dr. Jörn Graue im manifestierten Unruhestand: Der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins bleibt auch Vorstandschef des NARZ. (Foto: DAZ.online/tmb)

Dr. Jörn Graue im manifestierten Unruhestand: Der Vorsitzende des Hamburger Apothekervereins bleibt auch Vorstandschef des NARZ. (Foto: DAZ.online/tmb)


Dr. Jörn Graue ist für weitere drei Jahre zum Vorstandsvorsitzenden des NARZ gewählt worden. Bei der Mitgliederversammlung des Norddeutschen Apotheken-Rechenzentrums  zeigte sich Graue kämpferisch: Die Apotheker müssten der Politik endlich klarmachen, dass sie sich nicht für dumm verkaufen lassen.

Kluft in der Wahrnehmung der Apotheker

Beim  Norddeutschen Apotheken-Rechenzentrum NARZ bleibt an der Spitze alles beim Alten. Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, wurde bei der Mitgliederversammlung am 25. Juni in Hamburg als Vorsitzender bestätigt. Neben ihm waren der Magdeburger Apotheker Andreas Haese und Birger Peters, Apotheker in Greifswald, satzungsgemäß aus dem Vorstand des NARZ e.V. ausgeschieden. Auch sie wurden wieder in ihre Ämter gewählt. 

Graue hatte zuvor in seinem Bericht vor der Kammerversammlung die Arbeit der Standesvertretungen verteidigt. Die Kluft zwischen der „populären Wahrnehmung des apothekerlichen Elends und der Schönrednerei der Mainstream-Verbände und Medien“ habe es schon immer gegeben. Sie sei stets auch das Argument jener, die einen Politikwandel eher fundamental angehen wollten. Doch Graue ist nicht überzeugt, dass früher in der Demokratie alles anders gewesen sei – und die Gegenwart eine Gegenwart des Verfalls. Vielmehr hätte die Akteure Verantwortung übernommen. Es werde oft übersehen, dass die Standespolitiker jeden Tag vielfach mit der Basis und ihren Nöten – auch in ihrer eigenen Apotheke – konfrontiert werden. Ihre  Wahrnehmung hält Graue daher nicht für gestört, wie es ihnen zuweilen vorgeworfen wird. Doch realpolitisch ist eben nicht alles möglich.

Politische Unterstützung in homöopathischen Dosen

Nun müsse die Politik „ihre apothekenhonorierungsfeindliche Politik überdenken“. Graue: „Das Apothekenwesen  ist und bleibt ganz offensichtlich eine überregulierte, inzwischen superbürokratische  mit  absurdem Vertragsgebaren bestrafte und ins Abseits gedrängte Institution. Es verhindert  zu viel und ermöglicht zu wenig“. Aufgabe und Anspruch der Apotheker müsse nun sein, „der Politik endlich deutlich zu machen, dass wir uns nicht für dumm verkaufen lassen“. DAV-Chef Fritz Becker habe  „dies in dankenswerter Deutlichkeit“ bei den DAV-Wirtschaftstagen getan, was die die Vorschläge zur Staffelung des prozentualen Aufschlags bei hochpreisigen Arzneimitteln betrifft.

Die Politik sei aber offenkundig nur bereit, den Apotheker bestenfalls in homöopathischen Dosen Unterstützung zukommen zu lassen. Etwa eine längst überfällige Vergütungsanpassung für Rezepturen. Oder die großzügig zugestandene Möglichkeit, den Vornamen des verschreibenden Arztes ergänzen zu dürfen. In diesem Zusammenhang ging Graue auch auf die Schiedsstellen-Lösung im Retax-Streit ein. Grundsätzlich ist er überzeugt: Eine schlichte gesetzliche Regelung wäre sicherlich schneller und effektiver gewesen. Doch auch der nun erreichte Kompromiss, nach dem bei unbedeutenden Formfehlern seitens der Kassen nicht retaxiert werden darf, „ein großer Erfolg langer und intensiver Lobbyarbeit unseres DAV“. Nicht ganz unbedeutend sei bei der Neuregelung des § 3 des Rahmenvertrages die Vorbildfunktion des Hamburger Liefervertrages gewesen. Diese habe inhaltlich in weiten Teilen in die Schiedsstellenlösung implementiert werden können.

Positiv heraus hob Graue zudem die jüngste Einigung zwischen AOK und dem Hamburger Apothekerverein zur Lieferung von Sonden- und Spezialnahrung in Hamburg.

Retax-Hilfen und das Zukunftsprojekt eRezept

Das Thema Retax beschäftigt das NARZ aber auch ganz praktisch. Das Rechenzentrum biete seinen Kunden einen Service, der helfe, einen Großteil möglicher zukünftiger Retaxationen zu vermeiden. Auch hier freut sich Graue: „Alle Versuche, die möglicherweise von anderen Rechenzentren, die diesen Service nicht anbieten, auf Bundesebene initiiert wurden, nämlich uns diese Hilfestellung für den Apotheker verbieten zu lassen oder zumindest einzuschränken, sind kläglich gescheitert“.

Die Konkurrenz war ein weiteres Stichwort für Graue: Er betonte, wie vorausschauend es war, das NARZ als apothekeneigenes Rechenzentrum zu organisieren – und als Verein ohne Gewinnerzielungsabsicht. Zunehmende Auseinandersetzungen mit anderen Rechenzentren auf der juristischen Ebene seien letztlich Ausfluss der zurückgehenden Apothekenzahlen. Die kommerziellen Anbieter reagierten darauf mit verschärftem Wettbewerb bis hin zu ruinösen Abrechnungsgebühren, die betriebswirtschaftlich in keiner Weise gerechtfertigt sein können.

Graue sprach zudem ein weiteres Thema an, das die Apotheken schon lang begleitet: das eRezept. Seine Komplexität dürfe man nicht unterschätzen. Das habe auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei einer Testreihe erkannt. Hier sei die elektronische Übermittlung gegenüber der der papiernen deutlich zurückgefallen. Auch wenn das BMG nun zunächst den elektronischen Medikationsplan für eilbedürftiger hält, dürfe man das irgendwann auf die Apotheken zukommende Szenario keinesfalls vernachlässigen, ohne es dabei ständig herbeireden zu wollen. „Wir sollten allerdings auch nicht meinen, dass sich durch das eRezept die Apothekerwelt nicht verändern werde“, so Graue weiter. Er sieht vielmehr die „große Gefahr, dass der Apotheker zu einer reinen Abgabestelle degradiert wird, wenn es uns als gesamter Apothekerschaft nicht gelingt, Dienstleistungen anzubieten, die für die Gesellschaft, insbesondere aber auch für die Krankenkassen, einen Mehrwert darstellen“. Zu begrüßen seien daher die Bestrebungen der Landesapothekerverbände und der Bundesorganisationen, durch Pilotprojekte, wie ARMIN oder Athina, das Bewusstsein dafür zu schärfen, „dass es zwingend des pharmazeutischen Sachverstandes des Apothekers bedarf, um eine optimale Arzneimittelversorgung zu gewährleisten“.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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